Spionage? Tschechien weist russische Diplomaten aus
Das US-Raketenabwehrradar, die russisch-ukrainische Gaskrise und der Georgien-Konflikt: In jüngster Zeit war das Verhältnis Tschechiens zum ehemaligen „großen Bruder“ Russland alles andere als frei von Spannungen. Kaum hatten sich die Wogen geglättet, sorgt nun der anscheinende Rauswurf von zwei russischen Diplomaten für neuerliches Knistern in den Beziehungen zwischen Moskau und Prag. Lothar Martin versucht im Gespräch mit Radio-Prag-Redakteur Daniel Kortschak Licht ins Dunkel zu bringen.
Daniel, was kannst du uns berichten über die zwei zurückgeschickten russischen Diplomaten?
"Nicht viel, denn kaum fällt das Wort Geheimdienst, geben sich die zuständigen Stellen mehr als zugeknöpft. Aber so viel ist klar: Am Montag hat die Tageszeitung „Mlada fronta dnes“ in ihrer Internet-Ausgabe davon berichtet, dass zwei russische Diplomaten in Tschechien zu „Personae no gratae“ – zu unerwünschten Personen – erklärt worden sind. Bei dem einen handelt es sich offenbar um den Stellvertreter bzw. einen engen Mitarbeiter des Verteidigungsattachés. Der wurde zum Verlassen des Landes aufgefordert. Dem zweiten – über den man nicht mehr weiß, als dass er Russe und Diplomat ist – hat man nahegelegt, doch aus dem Heimaturlaub bitte nicht mehr an seinen Arbeitsplatz in Tschechien zurückzukehren. Angeblicher Hintergrund: Die beiden Herren sollen für den Geheimdienst tätig gewesen sein."
Gut, soweit die – spärlichen – Fakten. Gibt es denn irgendwelche Reaktionen darauf, eine Bestätigung?
"Nun ja, der russische Außenminister hat am Montag am Rande einer Pressekonferenz am Kaspischen Meer, wo er zurzeit auf Dienstreise mit Präsident Medwedew ist, wörtlich von einer „weiteren Provokation von Seiten Tschechiens“ gesprochen. Also scheint irgendetwas dran zu sein an der Sache. Alle anderen Beteiligten schweigen allerdings beharrlich: Tschechiens Premier Jan Fischer hat am Montag auf der Regierungspressekonferenz nur gemeint, er werde sich dazu „sicher nicht äußern“. Gleiches hört man auch vom Außen- und vom Verteidigungsministerium und von der russischen Botschaft in Prag. Mittlerweile ist durchgesickert, dass die ganze Sache schon im Mai passiert sein soll – und erst jetzt an die Öffentlichkeit gedrungen ist."
Klingt sehr mysteriös. Vermutet man denn noch weitere Spione im diplomatischen Dienst anderer Länder?
"Offiziell gibt es dazu natürlich auch keine Informationen. Aber es ist wohl davon auszugehen, dass dem so ist. Man denke nur an Staaten wie Nordkorea, China oder den Iran. Aber auch in den russischen Vertretungen in Prag, Karlsbad / Karlovy Vary und Brünn / Brno soll es vor Geheimagenten nur so wimmeln – das hört man zumindest von tschechischen Geheimdienst-Leuten hinter vorgehaltener Hand. Demnach sollen zwei Drittel der rund 200 Russen, die in Tschechien im diplomatischen Dienst arbeiten, auf dem Gehaltszettel eines Geheimdienstes stehen."
Sobald sich in dieser Causa etwas Neues ergibt i erfahren Sie es natürlich auf Radio Prag.