Causa Vrbětice: Hintergründe durch Zufall aufgedeckt

Nur durch Zufall ist die tschechische Polizei darauf gekommen, dass hinter der Explosion eines Munitionslagers in Vrbětice 2014 vermutlich der russische Geheimdienst GRU steckt. Dies enthüllte der Chefermittler Jiří Mazánek nun in einem Interview mit dem Tschechischen Rundfunk. Der Fall hat in den vergangenen Monaten zu einer diplomatischen Krise zwischen Tschechien und Russland geführt.

Jan Hamáček | Foto: Kateřina Šulová,  ČTK

„Heute Abend sind Vizepremier Hamáček und ich über ernsthafte Vorgänge informiert worden, die die Sicherheitslage in unserem Land betreffen.“

Etwas atemlos verkündete Premier Andrej Babiš (Partei Ano) am 17. April dieses Jahres, dass in die Explosion eines Munitionslagers im ostmährischen Vrbětice 2014 vermutlich Agenten des russischen Militärgeheimdienstes GRU verwickelt waren. Damit gab er die Erkenntnisse der tschechischen Polizeizentrale zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens (NCOZ), bekannt, die einen der größten Spionagefälle in der Geschichte des Landes aufgedeckt hatte. Laut NCOZ-Chef Jiří Mazánek ist dieser Vorgang aber nur durch einen Zufall aufgeklärt worden.

Bis vor zwei Jahren gab es dazu nämlich noch keine belastbaren Ergebnisse. Dann übernahm ein neuer Ermittler den Fall. Beim Durchblättern der Akten stieß er auf die Fotos zweier Männer, die ihm bekannt vorkamen. Bisher wusste man von diesen nur, dass sie sich im Munitionslager kurz vor der Explosion zum Zweck einer Inspektion angekündigt hatten. Der Ermittler erkannte in ihnen die beiden russischen Agenten Alexander Mischkin und Anatoli Tschepiga wieder, deren Porträts 2018 um die Welt gingen im Zusammenhang mit dem Giftanschlag auf Sergej Skripal in Großbritannien.

Jiří Mazánek | Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk

Jiří Mazánek bekannte nun in einem Gespräch für den Tschechischen Rundfunk, dass ihn diese Entdeckung damals sehr überrascht habe:

„Der neue Kollege ging 2019 alles noch einmal durch und ist so darauf gekommen. Dies wurde uns also nicht von den Amerikanern zugetragen und auch von keinem anderen ausländischen Geheimdienst. Wir haben alles selbst ermittelt und herausgefunden – natürlich in Zusammenarbeit mit dem BIS.“

BIS, das ist der tschechische Inlandsgeheimdienst. Mazánek räumte gleichzeitig ein, dass die Beamten, die zuvor mit dem Fall betraut gewesen waren, Fehler gemacht hätten. Denn die Fotos der beiden russischen Agenten waren bereits 2015 in den Medien veröffentlicht worden. Niemand hätte sie aber mit den Beweismitteln aus Vrbětice abgeglichen, bestätigt Mazánek etwas resignierend die Nachfrage des Journalisten:

Vrběticer Wald | Foto: Innenministerium der Tschechischen Republik

„Ja, so ist es. Die Kollegen, die 2018 daran arbeiteten, haben diesen Zusammenhang nicht gesehen. Der neue Kollege war ein Jahr später in der Lage, dies zu erkennen und auch zu beweisen.“

Keiner der ehemaligen Ermittler würde mehr bei der Polizei arbeiten, fügt der Behördenchef an. Zudem betont er, dass die Verwicklung des GRU in den Fall Vrbětice seit 2019 nun die einzige Ermittlungsversion sei, der die NCOZ weiter nachgehe. Andere Annahmen, nach denen etwa menschliches Versagen durch einen Mitarbeiter die Explosion verursacht haben könnte, seien nicht mehr relevant. Warum Präsident Miloš Zeman diese aber in einem Interview zum Thema noch zur Sprache brachte, kann und will Mazánek nicht erklären.

Russland hat seit den Veröffentlichungen wiederholt abgestritten, in den Fall Vrbětice involviert zu sein. Die Beurteilungen der NCOZ seien absurd, sagte unlängst die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Marija Sacharowa:

Marija Sacharowa | Foto: Föderationsrat von Russland,  Wikimedia Commons,  CC BY 4.0 DEED

„Ich denke, dass Prag sich entschlossen hat, die Beziehungen zu Russland zu beschädigen. Unsere Antwort darauf wird nicht lange auf sich warten lassen.“

Auf die Ausweisung von 18 Mitarbeitern der russischen Botschaft in Prag im April reagierte Moskau seinerseits mit der Ausweisung von 20 tschechischen Diplomaten. Bis heute ist diese bilaterale Krise nicht beigelegt.

Die tschechische Polizei hat bisher noch kein Strafverfahren zum Fall Vrbětice eingeleitet. Dazu gäbe es noch nicht genügend Beweismaterial, sagt Jiří Mazánek. Seine Behörde würde daran aber weiter arbeiten. Nach der Veröffentlichung der bisherigen Erkenntnisse durch Premier Babiš im April sei der NCOZ eine Reihe neuer Spuren und Beweise zugetragen worden, so der Chefaufklärer.

Autoren: Daniela Honigmann , Markéta Chaloupská
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