Geschredderte Dokumente zum Fall Vrbětice: Tschechische Präsidialkanzlei in Erklärungsnot
Die Explosion eines Munitionslagers im ostmährischen Vrbětice 2014 beschäftigt weiterhin die tschechischen Ermittlungsbehörden. Die Polizei geht derzeit der Frage nach, warum in der Präsidialkanzlei geheime Akten zum Fall geschreddert wurden.
Der Fall Vrbětice hatte im vergangenen Jahr zu einer diplomatischen Krise zwischen Tschechien und Russland geführt. Nachdem im April hierzulande bekannt wurde, dass vermutlich der russische Militärgeheimdienst GRU das Munitionslager 2014 in die Luft gesprengt hat, zog man gegenseitig eine Reihe von Botschaftsangehörigen im jeweils anderen Land ab. Unter Druck geriet zudem der damalige tschechische Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten), der vor Veröffentlichung der Erkenntnisse einen Tauschhandel mit Moskau geplant, aber letztlich nicht durchgeführt haben soll.
In ähnlicher Erklärungsnot befindet sich nun der Chef der tschechischen Präsidialkanzlei, Vratislav Mynář. In seinem Büro wurde nämlich ein Geheimbericht über die Verwicklung russischer Agenten in die Explosion geschreddert. Darüber berichteten Reporter des Tschechischen Rundfunks und der Wochenzeitung „Respekt“ am Samstag. Demnach bekam die Polizei eine entsprechende Auskunft, als sie die für Präsident Miloš Zeman bestimmten Dokumente des tschechischen Inlandsgeheimdienstes BIS anforderte, um sie auf verdächtige DNA-Spuren zu untersuchen. In der Stellungnahme auf den Webseiten der Prager Burg heißt es dazu, dass die fraglichen Papiere vor etwa zwei Monaten vernichtet worden seien, Zitat:
„Ausnahmslos alle geschredderten Akten sind den gültigen Rechtsvorschriften entsprechend aussortiert worden. Sie wurden von den Archivaren gesichtet und zur Vernichtung freigegeben.“
Die Polizei wollte den BIS-Bericht auf mögliche Fingerabdrücke von Personen untersuchen, die nicht dazu berechtigt waren, diese Dokumente einzusehen. Diese offizielle Berechtigung haben auch einige von Zemans engsten Mitarbeitern nicht, wie etwa sein Berater Martin Nejedlý oder Kanzleichef Mynář selbst. Dieser äußerte sich zum Sachverhalt in einer E-Mail an den Tschechischen Rundfunk, Zitat:
„Mit diesem Material bin ich persönlich außerhalb meiner Sicherheitskompetenzen nicht in Kontakt gekommen. Ich habe es nicht eingesehen, dazu gab es auch keinen Grund.“
Mynář fügte in der E-Mail noch an, dass er die Gesetze der Tschechischen Republik respektiere und keine weiteren Fragen mehr beantworten werde.
Mit den Umständen der Aktenvernichtung wird sich am Donnerstag wahrscheinlich der Sicherheitsausschuss des tschechischen Abgeordnetenhauses beschäftigen:
"Ich habe den Ausschussvorsitzenden um die Einberufung einer Sondersitzung gebeten, an der Vertreter des Inlandsgeheimdienstes sowie der Polizei teilnehmen sollen",
so der Vizevorsitzende Šimon Heller (Christdemokraten) im Tschechischen Rundfunk. Und Ausschussleiter Pavel Žáček (Bürgerdemokraten) bestätigte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:
„Es besteht ein öffentliches Interesse an der Klärung der Frage, ob es sich um einen Fehler handelt oder dahinter eine Absicht stand. Und ob es nicht ein Informationsleck gibt bei Dokumenten, die als streng geheim eingestuft sind.“
Die Medienberichte kommentierte am Sonntag auch die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Markéta Pekarová Adamová (Top 09). Selbst wenn es sich bei der Vernichtung der BIS-Akten um ein Versehen gehandelt habe, könnte damit gegen das Gesetz verstoßen worden sein, sagt sie im Privatfernsehsender CNN Prima News. Die Parlamentschefin forderte die Polizei deshalb zu weiteren Ermittlungen auf.