Die kulturelle Landkarte auf den Kopf gestellt – Tschechische Kulturtage in Bremen

Bremen

Der Kultursalon macht heute einen Ausflug fast bis an die Waterkant, wie die Bremer ihre Nordseeküste nennen. Radio Prag ist der tschechischen Kultur diesmal hinterher gereist. In Bremen finden nämlich seit vergangenem Dienstag die Tschechischen Kulturtage statt und zwar unter dem Motto „Böhmen liegt am Meer“. Christian Rühmkorf war dort und sprach mit jenen, die sich erlaubt haben, die kulturelle Landkarte ein wenig auf den Kopf zu stellen.

Moderator: „Im Studio begrüße ich zum heutigen Kultursalon die Macher der Tschechischen Kulturtage in Bremen. Da ist zum einen Libuše Černá vom Verein Porta Bohemica Bremen, Einen schönen guten Tag! Libuše Černá haben unsere Hörer übrigens schon einmal kennengelernt in unseren Medienspiegeln, denn sie ist zugleich auch Redakteurin bei Radio Bremen Funkhaus Europa. Eine Kollegin also. Zu meiner Rechten sitzt Martin Krafl. Auch er ist in den Sendungen von Radio Prag kein Unbekannter, vormals war er Sprecher von Präsident Havel und später vom tschechischen Fernsehen. Jetzt leitet er das Tschechische Zentrum in Berlin, ein Pendant zum deutschen Goethe-Institut, könnte man sagen. Herzlich Willkommen.

An Großveranstaltungen wie Kulturtagen sind in der Regel immer sehr viele Menschen beteiligt. Sie beide haben aber den Löwenanteil an der Verwirklichung der Tschechischen Kulturtage in Bremen. Von wem kam der Anstoß, mittelosteuropäische Kultur im äußersten Nordwesten Deutschlands zu präsentieren?“

Martin Krafl:„Von beiden, oder?“

Libuše Černá:„Ich glaube, diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, aber vielleicht fängt Herr Krafl an.“

Martin Krafl:„Ja, ich würde sagen, von beiden. Eigentlich bin ich von Berlin nach Bremen gefahren, um meinen Kollegen Tomáš Glanc vom Tschechischen Zentrum Moskau zu treffen, weil er momentan hier in Bremen bei der Forschungsstelle Osteuropa arbeitet. Und da war mir schon klar, dass es eigentlich Norddeutschland sein soll und dass diese Forschungsstelle in Bremen schon einen Boden kreiert, wo man vielleicht mit der tschechischen Kultur etwas anfangen könnte. Wir haben darüber auch mit Tomáš Glanc? gesprochen und er hat vorgeschlagen, dass wir darüber auch mit den Vertretern des Bremer Rathauses sprechen. Ja, und bei diesem Gespräch hat es sich gezeigt, dass hier ein Interesse besteht und es wurde uns empfohlen, Kontakt mit Porta Bohemica aufzunehmen. So habe ich Frau Libuše kennen gelernt. Und wir wollten ursprünglich nur eine Ausstellung und eine Lesung in Bremen machen, aber Dank der Energie von Frau Libuše haben wir heute ein Festival in Bremen, das zusammen, und das habe ich mir notiert, drei Ausstellungen, ein klassisches Konzert, ein Jazz- und zwei Rockkonzerte, eine Theatervorstellung, sechs Lesungen, zwei Filmvorführungen, drei Vorträge und ein Wirtschaftsseminar umfasst.“

Libuše Černá:„Also jede Menge. Obwohl ich dazu ergänzen muss, dass wir vom Verein Porta Bohemica Bremen ursprünglich auch nur eine Ausstellung machen wollten. Ich glaube, das hat sich gegenseitig befruchtet und die Ideen haben sich hochgeschaukelt. Und dann haben wir gesagt, dann machen wir das. Und es freut mich sehr, dass es das größte Festival tschechischer Kultur außerhalb von Berlin ist. Das finde ich besonders schön.“

Moderator:„Vielleicht müssen wir ganz kurz noch mal erklären, was das eigentlich für ein Verein ist, Porta Bohemica Bremen. Da steckt ja schon die Verbindung von Böhmen und Bremen, drin.“

Libuše Černá:„Wir haben diesen Verein 2000 gegründet und uns war ganz wichtig, dass wir einen Verein gründen, indem sowohl Tschechen wie auch Deutsche zusammenkommen. Die Deutschen, wenn ich das hier so sagen darf, mögen es sehr, Vereine zu gründen und Vereinssitzungen abzuhalten, die Tschechen neigen nicht sehr dazu. Aber wir haben uns gedacht, wir starten diesen Versuch und gründen einen deutsch-tschechischen Verein. Das hat eigentlich geklappt. Wir haben ungefähr dreißig aktive Mitglieder und jede Menge Sympathisanten. Und wir versuchen ganz konkret eben Sachen zu machen im kulturellen Austausch. Wir machen Ausstellungen, Lesungen und so weiter und so fort und deswegen passte das so ganz gut.“

Moderator:„Also wenn ich das richtig verstanden habe, dann sind Sie beide eigentlich über Ihre Ziele, über sich und das was Sie vorhatten, hinausgewachsen.“

Martin Krafl:„Ja, das kann man durchaus so sagen.“

Moderator:„Machen wir es doch noch mal ganz konkret. Auf was können sich die Menschen von der Waterkant, also die Bremer, eigentlich freuen? Welche böhmische Brise weht in diesen Tagen herüber ans Meer?“

Foto: Autor
Libuše Černá:„Herr Krafl hat es schon kurz angedeutet, wir haben jede Menge Veranstaltungen. Ich glaube, aus fast allen Bereichen. Wir haben auch Filme, ein bisschen Theater, Lesungen und Konzerte.“

Martin Krafl: „Auch für Kinder, muss ich sagen.“

Libuše Černá:„Auch für Kinder. Also es ist wirklich so gedacht, dass jeder Bremer und jede Bremerin sich was aussuchen kann aus diesem Programm. Wichtig war uns, dass dabei Sachen hier vorgestellt werden, die man in Bremen noch nie gesehen hat. Also, das ist praktisch eine Premiere nach der anderen.“

Martin Krafl:„Und vielleicht noch etwas Spezielles dazu: Wir haben auch an die kulinarische Woche gedacht. Es gibt ein Restaurant hier in Bremen, Speicher 11, da kann man tschechisch essen.“

Moderator:„Also Bier, Knödel, Svíčkova, all diese böhmischen Leckereien. Das ist ja das, was man von Böhmen in Deutschland kennt. Bier, Prag und so weiter. Knödel kennt auch fast jeder und verbindet sie mit Böhmen. Das Motto dieser Tschechischen Kulturtage in Bremen heißt ja: „Böhmen liegt am Meer“. Das spielt auf das Wintermärchen von Shakespeare an, Ingeborg Bachmann hat es aufgegriffen, verschiedene bildende Künstler haben es auch aufgegriffen. Wie kommt es, dass Böhmen so eine Projektionsfläche ist für diese, sagen wir mal utopischen Vorstellungen eines Idealzustands?“

Der Schlüssel - das Wahrzeichen von Bremen  (Foto: Autor)
Libuše Černá:„Ich denke für Ingeborg Bachmann, die eben unter diesem Titel ihr Gedicht 1974 geschrieben hatte, war das ganz einfach. Für sie war damals Böhmen ein Teil der untergegangenen k. u. k Monarchie. Und für sie war diese geschichtliche Komponente ganz wichtig. Das war für sie der Idealzustand einer, wie man heutzutage sagen würde, multikulturellen Gesellschaft. Das, was sie ganz toll fand war, dass eben jeder, egal welche Sprache er spricht, ich glaube in Wien am Hof hat man 20 verschiedene Sprachen gesprochen, in diesem Zusammenhang seinen Platz findet. Das war das Ursprüngliche, was sie in diesem Gedicht besingt und was sie dann mit Böhmen verbunden hatte. Ich denke, es ist eine reine Projektion, aber trotzdem eine sehr schöne.“

Martin Krafl:„Und die funktioniert auch ganz toll. Ursprünglich war das nur der Titel einer Ausstellung, die wir jetzt in der Städtischen Galerie veranstalten. Aber weil wir schon von Anfang an bemerkt haben, dass jeder fragt: Was bedeutet das, Böhmen liegt doch nicht am Meer, worum geht´s da? Da gab uns dieses Interesse dann die Möglichkeit, diesen Titel als den Haupt-Titel für diese gesamte Veranstaltungsreihe zu benutzen. Und eigentlich, nach den ersten Tagen der Kulturtage, kann ich schon jetzt sagen, dass es eine gute Idee war, Denn die Menschen finden das witzig und suchen das auch im Internet. Wir haben ja auch die Website so genannt, es ist: www.boehmen-am-meer.de.“ Aber ich wollte vielleicht noch etwas dazu sagen, was Sie schon erwähnt haben. Und zwar, dass Tschechien in Deutschland nur mit Bier, Knödeln und Prag verbunden wird. Das Tschechische Zentrum Berlin weiß das leider sehr gut. Deshalb haben wir uns entschieden, grade in diesem Jahr die Vielfalt der tschechischen Regionen vorzustellen. Und zwar grade im Jahr der tschechischen EU- Ratspräsidentschaft. Die Tschechischen Kulturtage passen auch wunderbar zu dieser Idee und zu diesem Projekt, denn hier in Bremen sind vor allem Künstler aus Pilsen, also Gastland dieser Tschechischen Kulturtage, ist jetzt eigentlich die Pilsener Region.“

Libuše Černá:„Damit sind wir wieder beim Bier.“

Martin Krafl:„Genau.“

Moderator:„Also am Ende landet man doch immer beim Gerstengebräu.“

Libuše Černá:„Aber wir haben auch böhmischen Wein aus Žernoseky. Also wir sind ein bisschen vielfältiger. Auch, was das Kulinarische anbelangt. Es ist für uns ganz wichtig, dass wir auch mit Leuten außerhalb der Metropole Kontakte knüpfen und auch im Kontakt bleiben.“

Moderator:„Also die Tschechischen Kulturtage finden in Bremen vom 9. bis zum 26. Juni statt. Alle unsere Hörer haben noch die Möglichkeit, dort hinzugehen und sich das anzuschauen.“

Libuše Černá:„Kurz ans Meer zu fahren…“

Moderator:„Kurz ans Meer zu fahren, richtig. Die beiden, die sich das ausgedacht haben, waren Libuše Černá vom Verein Porta Bohemica in Bremen und Martin Krafl vom Tschechischen Zentrum Berlin. Ihnen beiden herzlichen Dank.“