Kaffeekultur und Einstecktücher: Martin Krafl über seine Zeit in Wien

Martin Krafl (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Wien)

Matin Krafl ist in Wien schon fast zu einer Institution geworden: Als Direktor des Tschechischen Zentrums dort hat er den Österreichern und Schweizern die Tschechische Republik erklärt. Nach über fünf Jahren verlässt er aber seinen Posten. Und er kann zurückblicken auf eine erfolgreiche Zeit an der Donau. Ein Gespräch mit ihm über seine Liebe zu Wien, seine Arbeit im Tschechischen Zentrum und seine Zukunft, die ihn noch höher in die Alpen bringt.

Wien | Foto: Dalibri,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0
Herr Krafl, wie erinnern Sie sich an Ihre Anfänge in der österreichischen Hauptstadt? Was hat Sie dazu bewegt, die Stelle damals anzunehmen?

„Es war ein großer Wunsch von mir dorthin zu gehen, seit ich Anfang der 1990er Jahr in Wien studiert und mich in die Stadt verliebt habe. Und seither war ich auch mit der österreichischen Hauptstadt verbunden, hatte viele Freunde dort und habe auch später ein Praktikum in der Präsidentschaftskanzlei des österreichischen Bundespräsidenten gemacht. Dann, während meiner Arbeit für Václav Havel, war ich drei Wochen lang im Spital in Innsbruck. Der damalige tschechische Präsident wurde 1998 dort operiert. Später habe ich dann für das tschechische Fernsehen gearbeitet, auch in enger Zusammenarbeit mit dem ORF. Mein Leben war also schon immer mit Wien verbunden und deshalb wollte ich auch schon immer für eine längere Zeit dorthin zurück. Eigentlich schon 2007 als Direktor des Tschechischen Zentrums, doch damals hatte es mit meiner Bewerbung nicht geklappt. Ich hatte später die Möglichkeit, für ein Jahr als Direktor des tschechischen Zentrums Berlin zu arbeiten. Nach dreieinhalb gab es aber wieder eine Ausschreibung für Wien. Da habe ich mir gedacht: Einen Versuch gebe ich der Sache noch. Und dieser Versuch war dann auch erfolgreich. Ich muss wirklich sagen, dass mir damit einer meiner Lebensträume erfüllt wurde. Und auch im Nachhinein sind die fünfeinhalb Jahre in Wien eine unvergessliche Zeit für mich.“

„Wir haben immer wieder nachgedacht, was wir verändern können. Ich wollte das Tschechische Zentrum für die Öffentlichkeit zugänglicher machen.“

Sie haben gerade schon kurz darüber gesprochen: Wie ist es als Direktor eines Tschechischen Zentrums? Was muss man mitbringen?

„Am besten sollte man keine Freunde und Familie haben, weil man eigentliche keine Freizeit hat. Und natürlich muss man sich für das Land interessieren.“

Sie haben 2012 ihren Posten als Direktor des Tschechischen Zentrums in Wien angetreten. Mit welchen Prämissen sind Sie damals ans Werk gegangen? Es hat sich organisatorisch ja viel verändert unter Ihrer Leitung…

Martin Krafl  (Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums Wien)
„Das stimmt. Das hängt auch damit zusammen, dass man bei der Ausschreibung auch ein Projekt vorstellen muss, und ich habe mir dabei viel vorgenommen. Schließlich wurde mir dann auch ermöglicht, meine Pläne zu verwirklichen. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Schon ganz am Anfang war mir bewusst, dass es mir nicht gefällt, wie sich das Tschechische Zentrum in Wien präsentierte. Zusammen mit dem Designer Štěpán Malovec habe ich das neue rot-schwarze Design vorbereitet. Und ich glaube auch, dass das sehr erfolgreich war. Zum Beispiel in der Außenfassade, aber auch bei allen unseren Materialien und unserem Programm haben wir mit dem Feedback unserer Besucher gearbeitet. Wir haben immer wieder nachgedacht, was wir verändern können. Außerdem wollte ich das Tschechische Zentrum für die Öffentlichkeit zugänglicher machen. Wir haben ,Open Saturdays‘ eingeführt und an einem Tag sogar bis 18 Uhr geöffnet. Fast jeden zweiten Abend war in unserem Programm eine Veranstaltung. Des Weiteren befindet sich neben der Galerie in der Herrengasse jetzt eine sogenannte ,Windows Gallery‘ in der Bankgasse. Das ist eine Art Schaufenster-Galerie, in der sich die jungen tschechisch-österreichischen Künstler präsentieren. Außerdem war es für mich wichtig, unsere Veranstaltungen nicht nur in Wien zu organisieren, sondern auch in die Bundesländer zu gehen. Ich war ja auch für die Schweiz zuständig und da haben mein Team und ich dutzende Veranstaltungen vorbereitet. Was ich abschließend nicht vergessen darf ist EUNIC, die europäische Gemeinschaft der Kulturinstitute. Hier war ich auch sehr aktiv und zweieinhalb Jahre sogar Vereins-Präsident. EUNIC, in dem Vertreter von 27 Ländern zusammenkommen, habe ich quasi mit meinen Kollegen gegründet.“

Sie und Ihr Team haben um die 730 Veranstaltungen organisiert, von Filmfestivals über Lesungen bis hin zu Design-Ausstellungen. Was waren die Highlights in Ihrer Zeit als Direktor des Tschechischen Zentrums? Ich meine damit auch für Sie persönlich…

„Ich würde sagen, Václav Havel hätte sich über diese Ausstellung gefreut, weil er seine Theaterstücke eigentlich nie gesehen hat.“

„Da muss ich etwas überlegen. Ich glaube mein letztes Projekt ist eines, das mir besonders am Herzen liegt, die Ausstellung mit dem Burgtheater über Václav Havel und seine Theaterstücke aus den 1970er und 80er Jahren. Sie war über sechs Monate lang im Theatermuseum neben der Albertina zu sehen, wobei es dazu ein buntes Rahmenprogramm gibt. Es war eine wunderbare Zusammenarbeit mit dem Theatermuseum, mit der Václav-Havel-Bibliothek hier in Prag, dem Kulturministerium und dem Tschechischen Zentrum Wien. Auch die Unterstützung von Achim Benning, der ursprüngliche als ehemaliger Direktor des Burgtheaters all das ermöglicht hat, war sehr wichtig. Ich selbst war ja Mitarbeiter von Václav Havel war und muss betonen, dass ich schon damals als 26-jähriger ein bisschen Mühe hatte mit seinen Theaterstücken. Ich fühlte mich vielleicht auch ein wenig schuldig, weil ich mich damals mehr für seine Theaterstücke hätte interessieren sollen. Und jetzt bin ich viel später doch noch dazu gekommen. Ich würde sagen, er hätte sich über diese Ausstellung gefreut, weil er diese Theaterstücke nie gesehen hat. Er saß damals im Gefängnis.“

Tschechisches Zentrum Wien  (Foto: Kenyh,  CC BY-SA 3.0)
Wie haben denn die Wiener Ihre Arbeit aufgenommen? Würden Sie sagen, Sie konnten ihnen Tschechien ein Stück näher bringen?

„Ich hoffe ja! Ich mag eigentlich Feedback sehr und frage auch gezielt nach Kritik, und möchte nicht nur die positive hören. Damit kommt man nicht weiter. Ich habe aber das Gefühl, dass das Publikum, das zu uns gekommen ist, immer breiter geworden ist. Ich bin sehr stolz darauf, dass 85 Prozent der Besucher Österreichischer oder Schweizer sind. Das hat eine unserer Umfragen ergeben. Die anderen 15 Prozent sind dann irgendwie mit Tschechien verbunden; haben Verwandte hier oder sind sogar ganz in Tschechien aufgewachsen. Viele Besucher haben mich auch dann im Gespräch inspiriert. Bei den zahlreichen Veranstaltungen spreche ich auch mit dem Publikum und man gibt mir Hinweise oder Anregungen. Das hat mich immer weiter gebracht. Ich hab immer versucht nicht nur einen Monolog zu führen, sondern wirklich in einem Dialog zu bleiben.“

Was nehmen Sie persönlich mit aus Wien? Was hat Sie in Ihrer Zeit am meisten geprägt?

„Die Kaffeekultur. Ich bin ein Stammgast bei Café Central, im Café Heine und vielen anderen. Das bleibt auch so. Natürlich habe ich hier auch viele tolle Freunde gefunden. Und viele Einstecktücher nehme ich auch aus Wien mit.“

Haben Sie schon Pläne für die Zukunft?

„Nach zehn Jahren ist es nun höchste Zeit, dass wir nicht mehr pendeln.“

„Für mich geht es weiter in die Schweiz wo mein Lebensgefährte, ein Schweizer, lebt. Nach zehn Jahren ist es nun höchste Zeit, dass wir nicht mehr pendeln. Ich werde bei Zürich wohnen und weiter mit dem Tschechischen Rundfunk Vltava zusammenarbeiten. Außerdem werde ich auch für die Zeitschrift ‚Xantypa‘ schreiben. Und in Teilzeit ab April 2017 zwei Jahre lang als Programmkoordinator der Präsentation der tschechischen Literatur der Buchmesse Leipzig 2019 tätig sein. Im März 2019 wird Tschechien Gastland in Leipzig sein und wir haben vor, dass die tschechische Republik da mehr als 40 Schriftsteller vorstellt und drei Monate lang die tschechische Kultur nach Leipzig bringt.“