Stasi-Fotos und Traumwelten - das Tschechische Zentrum Berlin im Mai

Foto: Tschechisches Zentrum Berlin

Am Telefon ist Martin Krafl, der Leiter des Tschechischen Zentrums in Berlin. Wir sind mit unserer Aviso-Sendung wieder in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland gelandet. Da steht immer noch die Veranstaltungsreihe „Fokus DDR – ČSSR“ an.

Martin Krafl  (Foto: Jan Sklenář,  Tschechischer Rundfunk)
Diese Ausstellung beschäftigt sich mit dem Alltag und mit der Geheimpolizei in zwei kommunistischen Diktaturen. Diese Reihe zieht sich über einen langen Zeitraum hin. Zurzeit läuft immer noch die Ausstellung „Prag durch das Objektiv der Geheimpolizei“ – Herr Krafl, ist das richtig?

„Genau. Sie findet im Bildungszentrum der Stasi-Unterlagen-Behörde in der Zimmerstraße in Berlin statt. Und sie zeigt Fotos, die bei der verdeckten Beobachtung von Regime-Gegnern durch die tschechoslowakische Staatssicherheit StB in den 70er und 80er Jahren entstanden sind. Ich finde die Ausstellung toll, weil die Aufnahmen ganz ungeplant einen besonderen Reiz entfalten. Denn sie haben dokumentarisch die Atmosphäre in den Prager Straßen in dieser Zeit eingefangen haben und damit ein Prag fern von den Postkartenmotiven zeigen.“

Aus der Ausstellung „Prag durch das Objektiv der Geheimpolizei“  (Foto: Tschechisches Zentrum Berlin)
Postkartenmotive, die vor allem natürlich die Touristen kennen. In dieser Reihe findet am 17. Mai der Abend „In der Wahrheit leben“ statt. Und zwar kommen da Zeitzeugen aus der Zeit des Kommunismus zu Wort, Dissidenten.

„Genau. In allen kommunistischen Staaten widersetzten sich Menschen den Zumutungen der Diktatur. Sie protestierten, leisteten Widerstand. Und im Grunde fand jede Gesellschaft dabei ihre eigenen Formen von Opposition. Welche waren es in der DDR und der ČSSR? Wie beeinflussten sich die Oppositionsbewegungen gegenseitig, welche Kontakte bestanden zwischen den Bürgerrechtlern? Also gerade auf diese Fragen werden wir Antworten suchen. Über zwar mit ehemaligen Oppositionellen aus beiden Ländern. Um die Einführung kümmert sich Dr. Tomáš Vilímek vom Institut für Zeitgeschichte in Prag. Gäste des Abends werden Gerd Poppe von der ehemaligen Initiative für Frieden und Menschenrechte aus Berlin und Ján Čarnogurský, der ehemalige Rechtsberater der Charta 77, aus Bratislava (Pressburg) sein.“

Iva Janžurová im Film ´Morgiana´
Ein anderes, ganz besonderes Ereignis, das im Mai im Tschechischen Zentrum ansteht, ist die Filmreihe „Tschechische Traumwelten“. Da knüpfen Sie wahrscheinlich gewollt oder ungewollt – ich weiß es nicht – an ein sehr aktuelles Thema an, nämlich nukleare Katastrophe.

„Richtig. Aber ich muss ehrlich sagen: Als wir das geplant hatten, haben wir noch nicht gewusst, dass so etwas passiert, aber dann war es ziemlich aktuell. Wir präsentieren in diesem Frühling zusammen mit dem Kino Passage und dem Thalia Potsdam selten gezeigte Meisterwerke der tschechoslowakischen Kinematografie der 1960er und 70er Jahre, die fernab der Realität, unserer realen Welt spielen. Bisher haben wir die Streifen ´Morgiana´ und ´Konec srpna v hotelu Ozon´ gezeigt. Und gerade der zweite Film handelte von einer Atomkatastrophe und überlebenden Frauen. Ein sehr starker Film, der natürlich in dieser Debatte über Atomenergie auch auf das Publikum sehr stark gewirkt hat. Und jetzt, am 23. und 24. Mai ist der Film ´Valerie a týden divů´ zu sehen. Das düster-poetische Märchen mit Horrorelementen hat enthusiastische Fans auf der ganzen Welt gefunden, ist bis heute aber ein Geheimtipp geblieben. Der Film wurde 1970 unter der Regie von Jaromil Jiren gedreht und entstand nach einer Vorlage von Vítězlav Nezval.

Aus dem Film ´Valerie und die Wunderwoche´
Und worum geht es? Eines Nachts werden der dreizehnjährigen Valerie ihre Ohrringe gestohlen. Sie sieht den Dieb flüchten und läuft ihm hinterher. Dabei beginnt ihr die bekannte Welt ihres kleinen Heimatdorfes seltsam fremd zu werden. Auch am nächsten Tag ist alles verstörend anders als bisher. Lüsterne Priester und Dämonen beginnen ihr Unwesen zu treiben und selbst die vertraute Großmutter ist ganz verändert. Also, ich denke, ein spannender Filmabend.“

Herr Krafl, jetzt steht auch noch ein Ereignis in Bremen an. Sie gehen ein bisschen – ich möchte Bremen nicht als die Provinz bezeichnen – aber Sie gehen ein bisschen weg von Berlin und präsentieren auch in Bremen etwas Tschechisches. Worum geht es?

„Bremen ist das kleinste Bundesland Deutschlands, und wir haben uns entschieden, in diesem Monat, im Mai, den Monat der tschechischen Literatur auszurufen. Da findet eine Ausstellung zu Jaroslav Seifert statt und zwar in der Galerie Stadtwaage. Diese Ausstellung weckt natürlich Interesse, denn Jaroslav Seifert wurde 1984 als erster und einziger Tscheche mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Und Bremer interessieren sich für die Literatur ganz besonders. Die Stadtwaage ist eine Galerie, die der Günter-Grass-Stiftung in Deutschland gehört. Am 1. Mai fand in Bremen die Nacht der Literatur statt. Da haben wir eine Nacht des tschechischen Krimis veranstaltet. Ein sehr spannender Abend mit Helena Reich, Jaroslav Pížl und Miloš Urban. Und jetzt am 15. Mai tritt in der Galerie ´Am Schwarzen Meer´ der deutsch-tschechische Performer Jaromír Konečný auf.“

Jaromír Konečný
Slam-Poetry ist also in Bremen angesagt. Herr Krafl, haben Sie herzlichen Dank für diesen Einblick in das spannende Programm des Tschechischen Zentrums in Berlin mit einem Ausflug nach Bremen.

„Danke vielmals und auf Wiederhören.“