Pressethemen: neues Mediengesetz, Obama in Europa und Regierungskrise
Zwei große Themen haben in dieser Woche die tschechische Presse durchgehend beschäftigt: der Besuch des neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama in Prag und die Regierungskrise im eigenen Land. Christian Rühmkorf sprach mit Till Janzer darüber – und über Weiteres.
Till J.: Genau, das neue Strafgesetzbuch schränkt nämlich die Möglichkeiten der Berichterstattung zu Strafverfahren ein. Und darauf möchte ich auch noch vor den anderen beiden genannten Themen eingehen.
Moderator: Das Gesetz verbietet ja, Abhörprotokolle der Polizei zu veröffentlichen. Das wurde von den Medienvertretern im ganzen Land, aber auch von internationalen Organisationen wie den „Reportern ohne Grenzen“ kritisiert. Was schreiben dazu die Kommentatoren in den tschechischen Zeitungen?
Till J.: Vieles wurde ja bereits gesagt, als das Abgeordnetenhaus im Februar das Strafgesetzbuch abgesegnet hat. Diese Woche ist mir vor allem der Kommentar des Journalisten und Schriftstellers Ondřej Neff dazu aufgefallen. Die „Lidové Noviny“ hat ihn am Mittwoch, also dem 1. April, abgedruckt. „Abhörprotokolle gelangen an die Öffentlichkeit, weil Druck aus der Politik die Polizei und die Gerichte daran hindert, ihrer Arbeit ganz normal nachzugehen. Alle bedeutenden Gesetzesverstöße tschechischer Politiker wurden bisher von der Presse aufgedeckt, kein einziger wurde von der Polizei ermittelt, vor Gericht gebracht und etwa bestraft.“
Moderator: Das neue Strafgesetzbuch verbietet den Medien auch, die Namen von Opfern ernster Straftaten zu nennen, außer diese stimmen der Nennung zu. Wurde auch das in dieser Woche in den Zeitungen aufgegriffen?Till: Ja, jede der großen Tageszeitungen hat in dieser Woche Beispiele gebracht, wie bis Ende März eine Meldung aussehen konnte und wie sie nach den neuen Regeln verfasst sein muss. Da darf dann beispielsweise nicht mehr darüber berichtet werden, dass – jetzt fiktiv gesprochen – Staatspräsident Václav Klaus in seiner Villa überfallen wurde, sondern dass ein hoher Staatsbeamter und Vertreter einer politischen Partei in seiner Villa überfallen wurde. Alle Berichte über das Gesetz haben in den tschechischen Tageszeitungen im Übrigen ein eigenes Logo erhalten. Es ist rund wie ein Gesicht und wo man den Mund vermuten würde, hat man mit zwei dicken Strichen ein Klebeband über dem Mund angedeutet. Dazu steht der Text ´Gefängnis für Journalisten´. Denn Verstöße gegen die neuen Regeln können mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden.
Moderator: Nun aber zu dem Besuch von Barack Obama in Prag. Der neue amerikanische Präsident wird ja am Samstag und Sonntag in der tschechischen Hauptstadt sein. Till, kann man sagen, dass es das größte Thema in den tschechischen Medien in dieser Woche war?
Till J.: Ich denke, das trifft zu. Obama macht dies, Obama macht das – so wird landauf, landab geschrieben und gesendet. Das Ganze wird dann aber nicht als Besuch von Obama in Prag verkauft, sondern als Obamas Besuch in Europa. Das Tschechische Fernsehen hat dazu beispielsweise einen eigenen Jingle erstellt. Zu kräftiger Rockmusik von der amerikanischen Band ZZ Top sind dort Bilder des neuen amerikanischen Präsidenten zu sehen. Das tschechische Fernsehen macht damit auf seine Live-Übertragungen von Obama aufmerksam, die mit dem Nato-Gipfel am Freitag in Kehl und Straßburg beginnen und am Sonntag mit dem Treffen der europäischen Staatschefs und Barack Obama am Sonntag in Prag enden.Moderator: Da erwartet den Fernsehzuschauer also ein Sendemarathon. Natürlich wird auch der Tschechische Rundfunk live übertragen. Till, ist dir bei der Berichterstattung zum Obama-Besuch etwas Besonderes aufgefallen?
Till J.: Erstaunlich fand ich einen Kommentar in der „Mladá Fronta Dnes“ vom Montag. Die Überschrift heißt: „Obama in Prag – das wird ein einziges Kasperltheater.“ Und weiter schreibt der stellvertretende Chefredakteur Viliam Buchert: „Alles deutet darauf hin, dass Obamas Rede in Prag tatsächlich nur eine Art Theater wird. Deswegen soll sie auch vor der Prager Burg stattfinden. Zudem hat sich gezeigt, dass Tschechien als Land den amerikanischen Präsidenten und seine Leute nicht sonderlich interessiert. Ehrlich gesagt, gibt es dazu auch keinen Grund. Aber auch das Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union wird zu einer reinen Formsache verkommen. Konkret: zwei Stunden Gerede ohne Inhalt und der anschließende Empfang nimmt eine Dreiviertelstunde in Anspruch. Und das soll eines der wichtigsten Gipfeltreffen in diesem Jahr sein.“Moderator: Und was ist daran so erstaunlich, vielleicht ist es auch einfach nur wahr…
Till J.: Gerade die „Mladá Fronta Dnes“ gehört zu den tschechischen Zeitungen, die den Hype um den Besuch von Obama mit vielen Berichten befeuern. Ich habe allerdings noch etwas Interessantes gefunden, und zwar in der „Lidové Noviny“.
Moderator: Und das wäre…
Till J.: Laut den Nachforschungen eines in die Vereinigten Staaten ausgewanderten tschechischen Ahnenforschers hat Barack Obama nämlich tschechische Wurzeln. Und zwar soll der amerikanische Präsident mit den Přemysliden-Fürsten verwandt sein.Moderator: Also ähnlich wie Prince Charles, der angeblich auch mit dem böhmischen Königshaus verwandtschaftlich verbunden sein soll. Die Přemysliden sind ja jenes Herrschergeschlecht, das vom 9. Jahrhundert bis 1306 die böhmischen Könige stellte. Wie begründet denn der Ahnenforscher die Verbindung?
Till: In dem Interview mit ihm, das die „Lidové Noviny“ abgedruckt hat, klärt er auf, dass es um die Verwandtschaft mütterlicherseits geht. Bisher sei bekannt gewesen, dass die Mutter von Obama von schottischen Königen abstammt, so der Ahnenforscher. Und weiter sagt er wörtlich: „Mir ist es zudem gelungen herauszufinden, dass auch englische Könige zu den Vorfahren Obamas gehören. Es handelt sich um Edward III. und Edward I. In meinen früheren Forschungen habe ich bereits die Familienbeziehungen zwischen den Angehörigen des englischen und des böhmischen Königshauses erforscht. Deswegen hat es nicht lange gebraucht, um eine Verbindung herzustellen (…), die zu einem durchgehenden Band zwischen Bořivoj und Obama führt.“
Moderator: Interessante Verbindungen, die da hergestellt werden. Die Regierungskrise hat in dieser Woche die Medien aber auch nicht in Ruhe gelassen. Vielleicht noch kurz noch ein paar Worte.
Till J.: Es ist schwierig, etwas von Bedeutung herauszufiltern. Die Presse kommt in ihrer Berichterstattung nicht mehr hinterher. Die Lage ändert sich schneller, als die Zeitungen gedruckt werden können. Da muss man sich schon auf die Presseagenturen verlassen oder das Radio.
Moderator: Das war es für heute im Medienspiegel. Einblicke in das aktuelle Mediengeschehen dieser Woche präsentierte Ihnen Till Janzer.