TACET – Ein weiteres interaktives Lichtkunstwerk in der Prager Altstadt
Novotného lávka. So heißt zweifellos einer der eindrucksvollsten Orte in Prag. Hier, ganz in der Nähe der Karlsbrücke, bietet sich ein beinahe atemberaubender Ausblick auf die Burg und die Karlsbrücke. Ein beliebtes Fotomotiv, nicht nur für Touristen. Doch der Ort ist auch für seine Musikclubs und nicht zuletzt für ausgedehnte Verkehrsstaus bekannt. Ein geradezu idealer Ort für eine Kunstinstallation, die sich mit der reichen Geräuschkulisse auseinandersetzt. „Tacet“ – übersetzt „Schweigen“ - heißt das Werk der jungen österreichischen Künstlerin Ulla Rauter. Vergangene Woche ist es feierlich eröffnet worden.
Abends ebbt die Verkehrslawine ab. Dafür sorgen zahlreiche Unterhaltungslustige für jede Menge Betrieb – und Lärm. Befindet sich doch hier die mit fünf Stockwerken angeblich größte Disko Mitteleuropas. Für viele Touristen ist dies ein Fixpunkt bei ihrem Besuch in der tschechischen Hauptstadt. Nicht selten steht die Schlange einige Dutzend Meter zurück.
Doch abseits dieser mitunter bedrohlich wirkenden Lärmquelle liegt der Steg abends völlig ruhig da. Von der in die Moldau ragenden Plattform aus hat man einen beeindruckenden Ausblick auf die beleuchtete Burg, die Karlsbrücke sowie die Kirchen und Palais der Kleinseite. Dieses Motiv ziert Dutzende von Postkartenserien und wohl inzwischen Millionen von Touristenalben. Zu hören ist nur das Rauschen der Moldau, die an dieser Stelle über eine Furt hinweg fließt.
Genau diesen Wechsel der Geräuschkulisse im Laufe des Tages greift eine Kunstinstallation auf. „TACET“ steht in großen weißen Lettern auf den aus dem Wasser ragenden Holzstämmen, die verhindern sollen, dass Eis und Treibgut den Fluss der Moldau unter den Häusern hinweg behindern.
Das Werk stammt von der jungen österreichischen Künstlerin Ulla Rauter:
„TACET interagiert mit den Umgebungsgeräuschen. Es ist eine interaktive Installation. Die Idee ist, die Stille mit Licht zu akzentuieren. Es soll die Aufmerksamkeit der Fußgänger auf die Stille lenken. ‚Tacet’ heißt auch ‚Stille’, also eigentlich ‚er, sie, es schweigt’ auf Latein. Es ist ein Begriff aus der Musik.“ Abends wird der Schriftzug beleuchtet. Verweilt man etwas länger vor Ulla Rauters Werk, stellt man rasch fest, dass die Beleuchtung nicht ständig brennt:„Das Licht geht an, sobald ein gewisser Grad an Stille erreicht ist. Es sind zwei Mikrofone auf den Wasserteilern installiert. Es wird gemessen, wie laut es vor Ort ist. Dort, wo TACET installiert ist wird auch gemessen.“
Auch sie habe der Ort sofort beeindruckt, sagt Ulla Rauter. Nicht nur wegen seines beeindruckenden Panoramas:
„Ich bin eine Nacht lang durch Prag spaziert, auf der Suche nach einem Ort und bin hier hängen geblieben, weil ich ihn sehr faszinierend finde. Er ist so zentral, und trotzdem ist es ein Ort, an dem ich irgendwie zur Ruhe gekommen bin. Ein Platz, der für mich Stille ausstrahlt. Obwohl Geräusche da sind, ist das für mich ein friedlicher Ort.“
Ulla Rauters Projekt ist Teil der Reihe „Transparency“, mit der sich die Hauptstadt Prag aus Anlass der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft im besten Licht präsentieren will, wie Oberbürgermeister Pavel Bém auf der Gala zur Eröffnung von Ulla Rauters Werk betonte:
„Ich bin sehr froh, dass ‚Transparency’ in der Zeit der tschechischen Ratspräsidentschaft nach Prag gekommen ist. Es handelt sich dabei um sehr gelungene künstlerische Interventionen. Ich freue mich, dass ‚Transparency’ die Kulturszene und auch des tägliche Leben von uns Pragern bereichert.“
Konzipiert hat das Projekt die Prager Agentur „w art projects“. Über die Details habe mich mit der Kuratorin, Gisela Winkelhofer unterhalten
Transparency umfasst insgesamt sechs Projekte. Können Sie uns diese Projekte kurz vorstellen?
„Wir haben sechs internationale Künstler eingeladen. Darunter Jaume Plensa, Jenny Holzer, Ulla Rauter, Arthur Duff, Julian Opie und Stephan Reusse. Dazu haben wir unterschiedliche herausragende Plätze ausgesucht und dafür haben diese Künstler aus diesen sechs verschiedenen Nationen ein Lichtkunstwerk erarbeitet. Präsentiert werden diese Arbeiten während der EU-Präsidentschaft innerhalb der nächsten sechs Monate.“Wie sind diese Orte ausgewählt worden? Haben sie die Künstler selbst ausgewählt, oder sind die Künstler mit dem Ort konfrontiert worden und dann gebeten worden, für diesen konkreten Ort ein Werk zu konzipieren?
„Wir haben die Künstler eingeladen, wir haben ihnen vorweg diese Plätze vorgeschlagen, weil es sich dabei um herausragende Orte handelt, die eine besondere Geschichte und Stellung innerhalb der Stadt Prag haben. Insofern waren die einzelnen Künstler begeistert, ich kannte ihre Werke vorweg, und die haben sie dann speziell für diese herausragenden Plätze konzipiert; sie sind einzigartig in der Welt und nur für diese Orte gemacht.“
Einige der Projekte haben bereits im Januar begonnen, andere beginnen erst. So wie das nun eröffnete. Manche sind auch bereits wieder zu Ende. Warum laufen die nicht während der gesamten EU-Präsidentschaft?
„Das ist natürlich auch eine finanzielle Frage. Eine Jenny Holzer können wir uns auf gut Deutsch nur eine Woche leisten. Die anderen Installationen, die unabhängig sind von dieser Lasertechnik, sind als permanente Installationen natürlich wesentlich günstiger als diese mit angemieteten Spezialprojektoren und Lasergeräten, die sehr, sehr viel Geld kosten und per Tag oder Woche abgerechnet werden.“Sie haben es schon angesprochen: Zweifellos der Höhepunkt in dieser Serie ist Jenny Holzer. Sie soll im April nach Prag kommen. Können Sie uns über dieses Projekt schon etwas verraten?
„Das Projekt wird stattfinden vom 29.April bis 6.Mai, also für eine Woche. Ich freue mich sehr darüber, dass Jenny Holzer Texte von Franz Kafka ausgewählt hat, die in tschechische Sprache projiziert werden. Ursprünglich hat Franz Kafka ja in Deutsch geschrieben. Und natürlich von der polnischen Schriftstellerin, die 1996 den Nobelpreis bekommen hat, Wisława Szymborska. Dazu hat sie fünf Gedichte ausgewählt, die auch in tschechischer Sprache an die Fassade des Nationalmuseums am Wenzelsplatz projiziert werden. Ich bin auch sehr sehr glücklich darüber, dass Jenny Holzer zugesagt hat. Mittlerweile ist sie in fünf Kontinenten in vielen Metropolen in den letzten Jahren projiziert hat. Das ist nun ihr erstes Projekt, das sie hier im Osten, also im östlichen Teil Europas letztendlich realisieren wird. Und dann auch noch am Nationalmuseum am Wenzelsplatz. Ich freue mich sehr darüber, dass Jenny Holzer so schnell zugesagt hat und über ihr Kommen.“
TACET ist bis zum 30. Juni am „Novotného lavka“ unweit der Karlsbrücke zu sehen. In Betrieb ist die Installation von Einbruch der Dunkelheit bis Mitternacht
Weitere Informationen:
Transparency Continues (www.praha.eu)
Light changed into Art (www.praha.eu)