Die Verführung des Bildes – Alfons Mucha

Quelle: Mucha Foundation

70 Jahre sind seit dem Tod von Alfons Mucha vergangen. Der aus Südmähren stammende Maler gilt als herausragender Repräsentant des Jugendstils, der hier als „Sezession“ bezeichnet wird. Muchas Werke sind dieses Jahr gleich in mehreren großen Ausstellungen zu sehen: in Wien, Paris, München, Budapest und Brno / Brünn. Erste Ausstellung ist die der Österreichischen Galerie im Unteren Belvedere in Wien. Wir nehmen ihre Eröffnung an diesem Wochenende zum Anlass, um den bedeutenden Maler, Graphiker und Kunstgewerbler Alfons Mucha in einem Porträt vorzustellen.

Wer den Namen Alfons Mucha hört, denkt in der Regel zuerst an Plakatkunst. Diese Erwartungshaltung der Besucher hat auch der Kurator der Wiener Mucha-Ausstellung, Jean-Louis Gaillemin, in seinem Konzept berücksichtigt:

„Im ersten Saal sind die Plakate und das graphische Werk: Zu sehen sind Sarah Bernhardt, Plakatkunst vom Theater bis hin zu Werbung für die Eisenbahn und für Liköre.“

Am berühmtesten sind Muchas Theaterplakate. In jungen Jahren ging Mucha 1887 nach Paris, die Stadt an der Seine galt als Mekka der Künstler. Die gefeierte Pariser Schauspielerin Sarah Bernhardt beauftragte Mucha 1894, ein Plakat für eine Aufführung des Theaterstücks „Gismonda“ zu malen. Das Plakat hing an jeder Straßenecke von Paris. Mucha wurde in der französischen Hauptstadt über Nacht berühmt.

Die Wiener Mucha-Ausstellung zeigt jedoch nicht nur die Plakate, sondern präsentiert Muchas Werk in seiner ganzen Vielfalt der Formen und Stile.

„Die jetzige Ausstellung umfasst wirklich das ganze Lebenswerk. Es ist also eine Retrospektive, die alle Lebens- und Werkphasen zeigt und vor allem auch etwas ganz Neues: die Rekonstruktion des Pavillons von Bosnien-Herzegowina. Darüber bin ich sehr glücklich“, bekennt die Direktorin der Österreichischen Galerie, Agnes Husslein-Arco.

Mit Wien war Alfons Mucha in den Jugendjahren verbunden. Als 19-Jähriger ging er aus seinem Geburtsort Ivančice bei Brünn in die nahe Hauptstadt der Donaumonarchie. Er wollte sich dort zum bildenden Künstler ausbilden lassen. Neben dem Besuch einer Schule für Bühnendekoration arbeitete Mucha in Wien als Kulissenmaler am Theater. In der Kaiserstadt wurde auch sein malerisches Talent entdeckt. Graf Karl Khuen-Belasi erteilte dem jungen Mann einige Aufträge zur Ausgestaltung von Räumen in seinen Schlössern und ermöglichte ihm das Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München. Nach zwei Jahren in München siedelte Mucha nach Paris über. Die Prager Kunsthistorikerin Jana Orlíková:

„Mucha war stark vom mährischen Sinn für das Ornament beeinflusst. Das ist die ästhetisch wirkungsvolle Gliederung von Flächen, die wir in Mähren bei der Ausschmückung von Hauseingängen und bei den Trachten beobachten. Er hatte so eine Leichtigkeit in sich. Als er nach Paris kam, begann er mit Illustrationen und wandte sich dann der dekorativen Malerei, den Plakaten zu. Dabei erwies sich gerade diese Gabe, Flächen zu gliedern,und Muchas Sinn für Farben als hilfreich.“

Die Pariser Jahre bilden den Höhepunkt in Muchas Jugendstil-Schaffen. Neben der Malerei und Graphik widmete er sich auch der Innenarchitektur und dem Kunsthandwerk. Mit diesen alltagsnahen Ausdrucksformen reagierten die Künstler auf die zunehmende Industrialisierung der Zivilisation. Der Jugendstil gilt als letzte universelle, internationale Stilrichtung, die alle Lebensbereiche durchdrang. Mucha fühlte sich der französischen Ausprägung des Jugendstils nahe, während die Wiener Sezession nicht seinem Geschmack entsprach.

„In Wien hat Mucha eigentlich begonnen. Er ging als junger Mann zum einen nach Wien, um als bildender Künstler etwas dazuzulernen, zum anderen, um als Kulissenmaler am Theater zu arbeiten. Später war er ein Gegenspieler des österreichischen Jugendstils, der ihm zu geometrisch und zu wenig emotional erschien. Er bekannte sich zu dem floralen französischen Stil. Man darf aber nicht vergessen, dass Österreich an Mucha zwei riesige Aufträge für die Pariser Weltausstellung 1900 vergeben hat“, betont Jana Orlíková.

Auf der Pariser Weltausstellung 1900 glänzte Mucha mit seiner Ausgestaltung des Pavillons von Bosnien-Herzegowina und dem Plakat für die Teilnahme Österreich-Ungarns an der Weltausstellung. Etwa um dieselbe Zeit fasste er den Gedanken, seiner Kunst in der zweiten Lebenshälfte eine neue Richtung zu geben. Mucha wollte Werke schaffen, die das tschechische Nationalbewusstsein stärken sollten. Bevor er nach Böhmen zurückging, verbrachte der Künstler jedoch noch einige Jahre in den Vereinigten Staaten, wie Jean-Louis Gaillemin berichtet:

„1903 versuchte Mucha nach Amerika zu fahren, um Porträtmaler zu werden und etwas Geld zu verdienen. 1900 war im Grunde die Blüte des Jugendstils und zugleich auch schon fast sein Ende.“

Amerika hieß Mucha begeistert willkommen. Die „New York Times“ brachte eine Sonderbeilage über den Maler aus Mähren. Mucha lehrte an mehreren amerikanischen Akademien der bildenden Künste. 1910 kehrte er schließlich nach Böhmen zurück und widmete sich fortan ganz den slawischen Motiven. Er begann an einer epischen Serie von 20 Gemälden mit Szenen aus der tschechischen und slawischen Geschichte zu arbeiten, seinem berühmten Slawischen Epos. Hierzu Kunsthistorikerin Orlíková:

„Das Slawische Epos ist ein ganz außergewöhnliches Kunstwerk. Ich kenne kein anderes Kunstwerk, das man damit vergleichen könnte - 20 grandiose Bilder, die um ein einziges großes Thema kreisen, das ist, glaube ich, weltweit einzigartig. Damals, als es entstand, wirkte Muchas Werk allerdings einigermaßen anachronistisch, denn die Idee des Slawischen Epos wurzelt im 19. Jahrhundert.“

Die Arbeit am Slawischen Epos nahm 18 Jahre in Anspruch, und Mucha brauchte dabei viel Platz. Er zog auf ein Schloss in der Nähe von Plzeň / Pilsen. Möglich wurde die Entstehung des Slawischen Epos durch eine Förderung des amerikanischen Kunstmäzens Charles Crane. Nach der Vollendung machte Mucha das Epos der Stadt Prag zum Geschenk. In der tschechischen Hauptstadt gab es jedoch keine geeigneten Ausstellungsräume für die 20 großflächigen Gemälde. Muchas Slawisches Epos wird bis heute in Moravský Krumlov / Mährisch Krumau aufbewahrt, in der Gegend von Muchas Heimat.

Die letzten elf Lebensjahre verbrachte Mucha in Prag. In dieser Zeit schuf er die berühmte Vitrage im Veitsdom. Sie stellt Szenen aus dem Leben der Slawenapostel Kyrill und Method dar. Nach der Okkupation Böhmens und Mährens durch die Nationalsozialisten war Mucha einer der Ersten, die interniert wurden. Kurz darauf, am 14. Juli 1939, verstarb er an den Folgen einer Lungenentzündung. Wirkliche Nachfolger hat Mucha nicht gefunden. Sein künstlerisches Werk ist jedoch bis heute lebendig wie kaum ein anderes. Jana Orlíková erklärt das so:

„Muchas Einfluss in der heutigen Zeit rührt daher, dass seine Kunstwerke sehr gefällig sind. Ich würde sagen, es ist eine Kunst, die sich hart an der Grenze von wirklicher Kunst und Kitsch bewegt. Sie spricht ein ungemein breites Spektrum von Menschen an. Mucha ist durch die Reproduktionen seiner Werke ständig präsent. Ich muss sagen, zumal ich mich mit Mucha schon seit 30 oder 40 Jahren beschäftige, dass ich schon fast allergisch dagegen bin. Überall, wo ich hinkomme, gibt es Reproduktionen von Muchas Werken. also Bilder, Ansichtskarten und Weiteres.“

Nicht zuletzt wird auch Muchas Schrift immer wieder verwendet. Der Künstler hatte eine eigene dekorative Schriftart erfunden. Repräsentative Sammlungen von Muchas Werken sind in Tschechien an mehreren Orten zu sehen: in der Mährischen Galerie in Brünn, in der Prager Nationalgalerie und in der Galerie der Hauptstadt Prag.