Euranet - live aus dem Europäischen Parlament in Brüssel
Herzlich willkommen zum Medienspiegel, wie immer am Freitag. Heute allerdings mit einer Sonderausgabe. Bei mir im Studio sitzt der Chefredakteur von Radio Prag, Gerald Schubert, der gerade aus Brüssel zurückgekehrt ist. Es geht um das europäische Radioprojekt „Euranet“, an dem auch Radio Prag beteiligt ist. Gerald Schubert hat am Mittwoch im Europäischen Parlament an einer großen Live-Diskussion von „Euranet“ teilgenommen.
„Es ist ein europäisches Radioprojekt, es heißt European Radio Network, zu deutsch Europäisches Radionetzwerk. Dafür steht die Abkürzung Euranet. Vielleicht können sich manche unserer Hörerinnen und Hörer noch daran erinnern, wie wir es Anfang April 2008 ins Leben gerufen haben. Es handelt sich um ein Konsortium von 15 europäischen Radiostationen, das in mehreren Sprachen unterschiedliche Inhalte sendet. Radio Prag ist mit vier Sprachen vertreten: Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Radio Prag sendet ansonsten zwar auch noch auf russisch und tschechisch, aber das sind bisher keine Euranet-Sprachen. Tschechisch wird es wohl irgendwann einmal werden, Russisch wohl kaum, da es keine Sprache der Europäischen Union ist. Betont werden sollte, dass es sich bei Euranet nicht um einen bloßen Austausch von Programmen handelt, sondern um gezielte, gemeinsame Produktionen. In Telefonkonferenzen wird besprochen, was in welchem Land im Moment aktuell ist, und was wir dazu beitragen können. So entsteht dann dieses gemeinsame Programm auf verschiedenen Ebenen. Viele kennen vermutlich den Vorläufer Treffpunkt Europa. Das war zwar nur ein kleines Projekt, das aber in dieselbe Richtung zielte. Mittlerweile sind wir viel größer, mit viel mehr Stationen, und senden in mehreren Sprachen.“
Viel größer, viel mehr, da fragen sich unsere Hörer vielleicht auch, wie denn dieses Projekt Euranet finanziert wird?„Es wird finanziert von der Europäischen Kommission. Allerdings ist mir sehr wichtig hervorzuheben, dass wir inhaltlich unabhängig sind. Es sagt uns dort niemand, über welche Themen wir zu berichten haben. Uns war von Anfang an sehr wichtig, und das haben wir bei den Verhandlungen mit der Kommission auch klar gemacht, dass wir keine Reduzierung auf Brüsseler Nachrichten zulassen. Ganz im Gegenteil: Uns geht es hauptsächlich um Nachrichten aus den einzelnen Ländern, über die Menschen und ihre Probleme, denn wir sind der Ansicht, dass die wirklichen Sorgen der Europäer viel zu wenig kommuniziert werden, wenn man über die Europäische Union spricht. Oft wird von EU-kritischer Seite die Floskel verwendet: 'die in Brüssel'. Aber 'die in Brüssel', das sind wir, das sind die Vertreter der einzelnen Staaten, und wir versuchen, wenn ich das Schlagwort verwenden darf, ein paar Schritte zu gehen auf dem Weg zur berühmten europäischen Öffentlichkeit, die es ja nach wie vor nicht so wirklich zu geben scheint.“
Gehen wir nun mal nach Brüssel, wo du ja am Mittwoch warst. Worum ging es bei dieser Diskussionsveranstaltung im Europäischen Parlament? Wie lief das ab?„Die Veranstaltung stand im Zeichen des Ausgleichs eines gewissen Kommunikationsdefizits, das ich ja gerade schon angesprochen habe. Wir haben versucht, wirklich wichtige Fragen Europas anzusprechen, die den Leuten unter den Nägeln brennen. Dazu zählen zum Beispiel die Finanzkrise oder die Sicherheitspolitik, bei der man konkret die immerwährende Problematik 'Sicherheit versus Überwachung', also biometrische Daten, Fingerabdrücke, digitale Chips in Pässen und so weiter, erwähnen kann. Natürlich auch der Klimawandel. Über all das wurde in einem großen Atrium im Europäischen Parlament diskutiert. Das Ganze lief folgendermaßen ab: Wir haben die einzelnen Themenbereiche mit kleinen Filmen oder sogenannten Vox-Pops eingeführt. Vox-Pops nennen wir Straßenumfragen aus den einzelnen Ländern, bei denen die Leute zum Beispiel in Polen gefragt wurden, was sie von der Problematik des Klimawandels halten. Auf einem kleinen Podium wurden dann immer Mitglieder des Europäischen Parlaments interviewt, die mit der jeweils konkreten Problematik vertraut sind, und zwar immer von einem Journalisten aus seinem oder ihrem Land. Außerdem konnten Fragen aus dem Publikum gestellt werden, und zwischendurch gab es Musik. Es war also eine Veranstaltung von zweieinhalb Stunden, auf der es quer durch alle Themen und Länder und natürlich auch Fraktionen ging. Denn die Abgeordneten kamen aus allen Fraktionen des Europäischen Parlaments. Das Ganze war gedacht für das Publikum vor Ort. Es wurde aber auch auf der Euranet-Website www.euranet.eu live gesendet, ebenso von einigen Partnerstationen, die das Programm übernommen haben.“
Die Europaabgeorneten waren dort, wie du erzählt hast, aber wer saß denn im Publikum?„Im Publikum saßen hauptsächlich Studenten von verschiedenen Hochschulen, die in Brüssel angesiedelt sind – meistens sehr international geprägte Hochschulen. Es waren auch andere Abgeordnete und Angestellte des Europäischen Parlaments anwesend, und natürlich Journalisten.“
In welcher Form war denn Radio Prag vertreten?
„Radio Prag war durch meine Wenigkeit vertreten. Ich habe dort den Abgeordneten Miroslav Ouzký interviewt. Herr Ouzký ist Vorsitzender des Umweltausschusses im Europäischen Parlament, und wir haben über die Problematik der CO2-Limits für Neuwagen gesprochen. Das ist gerade ein sehr aktuelles Thema, weil es in seinem Ausschuss des Europaparlaments einen Beschluss gab, dass längere Übergangsfristen zur Reduzierung der CO2-Limits doch nicht eingeführt werden sollen. Das hätten einige große Fraktionen und Staaten gerne gehabt. Der Ausschuss ist somit im Wesentlichen einem Vorschlag der Europäischen Kommission gefolgt. Im Plenum des Europäischen Parlaments gibt es, vermutlich Anfang Dezember, die große Schlussabstimmung darüber. Es wird dann sehr spannend sein, zu sehen, in welche Richtung das geht, ob das Plenum dem Vorschlag des Ausschusses folgen wird. Darüber haben wir vor Publikum diskutiert. Und das war nur eines von vielen Themen, die mit vielen anderen Abgeordneten diskutiert wurden.“Zum Schluss noch eine Frage zu Euranet. Das Projekt hat ja nun schon mehr als ein halbes Jahr auf dem Buckel. Gibt es irgendetwas Neues darüber zu berichten?
„Ich werde noch kurz erzählen, was wir im nächsten Jahr planen. Wir hatten am Donnerstag eine Sitzung des Editorial Committee, bei dem Vertreter aller Sender anwesend waren. Dort haben wir beschlossen, uns im nächsten Jahr in ähnlichen Live-Events vor allem zwei großen Jubiläen widmen, nämlich 20 Jahre demokratische Umwälzungen in Osteuropa und fünf Jahre große Erweiterung der Europäischen Union.“
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