Runder Tisch mit Erweiterungskommissar zur EU-Perspektive westlicher Balkanstaaten
Es kommt viel Arbeit auf die Tschechische Republik zu, wenn sie in gut drei Monaten die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Da waren sich EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, der tschechische Vizepremier für Europa-Angelegenheiten, Alexandr Vondra und der französische Botschafter in Prag, Charles Fries, einig. Sie saßen am Mittwoch am Runden Tisch in Prag und diskutierten die EU-Perspektive der westlichen Balkanstaaten, allen voran Kroatien. Christian Rühmkorf saß mit am Tisch.
Wir werden es Europa versüßen – das versprechen die Tschechen im TV-Werbespot für ihre kommende EU-Ratspräsidentschaft. Ein etwas doppelbödiger Slogan allerdings. Dennoch antwortete EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn den Tschechen auch erst einmal mit Streicheleinheiten. Beim gestrigen Runden Tisch in Prag zur EU-Perspektive der westlichen Balkanstaaten erinnerte Rehn an die großen Widerstände gegen einen Beitritt Spaniens und Portugals in den 80er Jahren. Heute könne sich niemanden mehr eine Europäische Union ohne diese beiden Länder vorstellen:
„Meiner Ansicht nach gilt genau das auch für die fünfte EU-Erweiterung im Jahre 2004. Es ist mittlerweile unmöglich, sich die Europäische Union ohne die Tschechische Republik vorzustellen.“
Für die Tschechen wird die Ratspräsidentschaft jedoch eine turbulente Zeit. Wahlen zum EU-Parlament, das Ende der Barroso-Kommission, der Kaukasus-Konflikt und die strittige Kosovo-Anerkennung. Das Feld für die Tschechische Republik ist vermint. Denn die EU will ja auch dem Kosovo-Widersacher Serbien eine Perspektive eröffnen. Der Erweiterungsprozess soll jedenfalls nicht gestoppt werden, meint Olli Rehn. Obwohl der Reformvertrag von Lissabon von Irland auf Eis gelegt wurde. Der tschechische Vizepremier für Europa-Angelegenheiten, Alexandr Vondra, sieht darin kein Problem. Kroatien könne schon bald aufgenommen werden:„Aus unserer Sicht ist es möglich Kroatien in die EU zu holen mit oder ohne den Vertrag von Lissabon. Das ist nur eine Frage des Wollens. Wir sind immer noch überzeugt, dass wir die Vorarbeit 2009 möglichst noch vor der Sommerpause abschließen. Aber wir müssen realistisch bleiben. Und auch Kroatien muss bei der Vorbereitung noch an Tempo zulegen.“
EU-Kommissar Olli Rehn stärkt den Tschechen darin den Rücken. Das irische Nein zum Lissabon-Vertrag dürfe die Erweiterung nicht aufhalten:„Die EU-Erweiterung hat in der irischen Debatte keine Rolle gespielt. Deshalb sollte sie auch nicht als Sündebock für das Ergebnis des irischen Referendums missbraucht werden. Wir können kein Sabbat-Jahr einlegen bei unserer Arbeit für Frieden und Wohlstand.“
Der Erweiterungsprozess sei zwar kein Hochgeschwindigkeitszug wie der TGV. Aber die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien verliefen gut, erklärte Rehn. Anfang November will die Kommission über die Fortschritte bei allen Erweiterungsverhandlungen berichten und im Dezember Empfehlungen für den weiteren Weg aussprechen. Kroatien könnte vielleicht schon 2010, so Rehn, als neues Mitglied im Klub begrüßt werden.
Der amtierende EU-Ratspräsident Frankreich ließ über seinen Botschafter in Prag, Charles Fries, Zweifel anmelden. Eine Erweiterung ohne Vertiefung, das lehnt Frankreich ab. Charles Fries:
„Eines der wichtigsten Ziele des Lissabon-Vertrages ist, die EU darauf vorzubereiten, neue Mitgliedstaaten willkommen zu heißen. Das heißt sie muss entscheidungsfähig bleiben. Deshalb muss der Lissabon-Vertrag ratifiziert werden und in Kraft treten, bevor wir erweitern. Ein Ja zur Erweiterung kann nicht getrennt werden von einem Ja zum Lissabon-Vertrag.“
Der Runde Tisch zur EU-Perspektive der westlichen Balkanstaaten hat es gezeigt: Die Tschechische Republik braucht eine Menge Zucker, um die Zeit ihrer Ratspräsidentschaft allen zu versüßen.