Moskau dreht am Ölhahn und schränkt Lieferungen nach Tschechien ein
Vergangene Woche hat Russland überraschend die Erdöl-Lieferungen an Tschechien eingeschränkt. Ob es sich um ein technisches Problem handelt oder eine Reaktion auf die Errichtung der US-Radarstation, ist nicht klar. Russland blieb eine Erklärung bisher schuldig. Tschechien hat begonnen, nach Ersatz zu suchen.
Eine halbe Million Tonnen Erdöl fließen Monat für Monat durch die Pipeline „Druschba“ (Freundschaft) von Russland über Weißrussland, die Ukraine und die Slowakei nach Tschechien. In der vergangenen Woche schränkte Russland überraschend die Erdöl-Lieferungen ein. Statt der vereinbarten 500.000 werden im Juli nur rund 300.000 Tonnen Öl nach Tschechien fließen. Der tschechische Raffinerie-Konzern Unipetrol versichert aber, dass kein Versorgungsengpass droht:
„Wir versuchen, die Situation gemeinsam mit der Verwaltung der staatlichen Erdölreserven zu lösen. Vor allem aber begegnen wir dem Problem durch eine Erhöhung der Lieferung durch die Transalpine Ölleitung. Diese Pipeline liefert Öl aus dem Adria-Raum. Dadurch können wir die Raffinerie-Produktion in unveränderter Höhe aufrechterhalten.“ So die Sprecherin von Unipetrol, Dana Dvořáková.
Die Transalpine Ölleitung verbindet den italienischen Adria-Hafen Triest über Österreich mit dem Pipeline-Knoten im bayerischen Ingolstadt. Von dort führt seit 1996 eine Abzweigung nach Tschechien. Zu den Gründen für die plötzlichen Liefer-Einschränkungen meint Dvořáková
„Nach unseren Informationen handelt es sich um Probleme technischer beziehungsweise organisatorischer Art.“
Politiker und Kommentatoren sehen aber noch einen anderen Grund: die vergangene Woche erfolgte Unterzeichnung des Vertrages über die Errichtung einer US-Radarbasis in Tschechien. Russland hat bereits im Vorfeld der Einigung zwischen den USA und Tschechien heftig gegen die Radaranlage protestiert, die Teil des US-Raketenabwehrsystems ist.
„Die Russen wissen genau, dass wir Ingolstadt haben und dass das für uns kein bedeutendes Problem ist. Und sie wissen ganz genau - wenn sie das aus diesem Grund machen, dann würde das ihre Situation in Zusammenhang mit dem Radar, ihre Position in der öffentlichen Meinung in Tschechien nicht verbessern, sondern eindeutig verschlechtern. Und das werden die Russen nicht wollen.“
So der tschechische Industrie- und Handelsminister Martin Říman vergangenen Freitag im Tschechischen Fernsehen.
Russland hat bisher keinen Grund für die Reduktion der Erdöl-Lieferungen genannt. Auch eine offizielle Stellungnahme gab es bis dato nicht. Minister Říman versicherte, er verhandle gemeinsam mit dem Außenministerium und der Europäischen Kommission mit Russland.
Auf die Treibstoffpreise in Tschechien sollen die Liefer-Einschränkung kurzfristig keine Auswirkungen haben, erklärte Ivan Ottis, Vorstandsmitglied bei Unipetrol, gegenüber der Nachrichtenagentur ČTK. Er verwies auf Tschechiens Reserven und die Ersatzlieferungen über die Transalpine Ölleitung. Dadurch könne man den Ausfall kompensieren und die Preise stabil halten.