Energiesicherheit: Ab 2025 will Tschechien kein russisches Erdöl mehr einführen
Ab Mitte kommenden Jahres soll kein Erdöl aus Russland mehr nach Tschechien fließen. Dies kündigte Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) am Dienstag an. Voraussetzung dafür ist der Anschluss Tschechiens an die italienische Pipeline TAL.
In einem Jahr will Tschechien unabhängig sein von russischem Erdöl. Dann soll der Rohstoff nur noch aus anderen Weltregionen ins Land kommen – und zwar vorrangig über die italienische Pipeline TAL. Diese wird derzeit ausgebaut, damit neben Österreich und Deutschland auch Tschechien durch sie beliefert werden kann. Und sobald diese Arbeiten beendet sind, will Premier Petr Fiala die Aufhebung jener Ausnahmeregelungen beantragen, die es Russland trotz Sanktionsregelungen derzeit noch erlauben, Öl nach Tschechien zu liefern.
Über TAL sollen zukünftig vier Millionen Tonnen Erdöl jährlich ins Land fließen. Dies deckt den Jahresbedarf von zwei der drei Raffinerien in Tschechien ab. Verantwortlich für die Umstellung ist hierzulande das Staatsunternehmen Mero, das dem Finanzministerium untersteht und in dessen Besitz sich alle Ölpipelines auf tschechischem Gebiet befinden. Die wichtigste ist bisher die Röhre Druschba mit Ausgangspunkt in Russland. Zum Zeitplan, mit dem ihr Südausläufer nach Tschechien stillgelegt wird, äußerte Mero-Generaldirektor Jaroslav Pantůček in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Wir befinden uns, um eine Sportterminologie zu nutzen, in der Halbzeit. Die erste Planungshälfte startete im Mai vergangenen Jahres, als wir den Vertrag über die Kapazitätserhöhung mit dem Konsortium TAL unterschrieben. Im Verlaufe dieses Jahres sind alle wichtigen Materiallieferungen in Auftrag gegeben worden. Nun warten wir auf die erste Zustellung von Baukomponenten, die nun in der zweiten Halbzeit installiert werden.“
Mero investiert in diese Arbeiten etwa 1,3 bis 1,6 Milliarden Kronen (53 bis 65 Millionen Euro). Noch werde verhandelt, ob nicht auch die tschechischen Raffinerien einen Teil der Kosten übernehmen, hieß es bei einer Pressekonferenz am Dienstag.
TAL, die Transalpine Ölleitung, hat ihren Ausgangspunkt im italienischen Hafen Triest. Auch die Absicherung sei ein wichtiger Aspekt bei ihrer Erweiterung, fährt Pantůček fort:
„Die Cybersicherheit ist das A und O beim Ausbau des Pipelinenetzes, und wir kümmern uns darum. Es wurden bereits Maßnahmen vorgenommen an der IKL-Leitung, die von Ingolstadt zu uns führt, und entsprechend werden diese ebenso für die TAL-Pipeline gelten. Im Falle eines Krisenszenarios gibt es ein Reservesystem, das von unabhängigen Kontrollräumen aus betrieben werden kann. Einer davon befindet sich in Deutschland.“
Die Mero-Unternehmensleitung hat sich am Dienstag mit Premier Fiala und den zuständigen Ministern über die weiteren Schritte zur Energieselbständigkeit Tschechiens besprochen. In der Diskussion ist dabei unter anderem die Erhöhung des Anteils, den Mero am Unternehmen TAL hält. Konkret ist der Ankauf von Aktien geplant, die derzeit noch im Besitz des Öl- und Gasunternehmens Shell sind. Ob dieses Geschäft tatsächlich abgeschlossen wird, wollte Pantůček am Dienstag nicht kommentieren. Zur Einbindung bei TAL sagte er aber:
„Mittels unseres Unternehmens Mero besitzt die Tschechische Republik einen Anteil von fünf Prozent an der TAL-Pipeline. Dies scheint wenig zu sein. Allerdings garantiert jeglicher Anteil die gleichen Rechte, wie sie auch Eigentümer eines höheren Prozentsatzes haben. Als Beweis dafür kann gelten, dass wir mit unseren fünf Prozent trotzdem die zweithöchste Position in den Leitungsorganen der Firma TAL besetzen, nämlich den Vizevorsitz im Koordinationskomitee.“
Es komme also weniger auf den Umfang der Anteilsaktien an, als vielmehr auf den eigentlichen Einfluss in den Führungsorganen, ergänzt der Generaldirektor. Eine mögliche Anteilserhöhung schloss er aber trotzdem nicht aus. Und diese sei trotz des Green Deals durchaus sinnvoll, betont Pantůček. Denn es werde schließlich gerade darüber verhandelt, die klimapolitischen Maßnahmen innerhalb der EU langsamer umzusetzen:
„Die Lockerung des Green Deals bedeutet, dass eine Abkehr vom Erdöl sowie seinen Derivaten Diesel und Benzin langsamer verlaufen wird. Tatsächlich glauben wir, dass uns das Erdöl noch mehrere Jahrzehnte lang erhalten bleibt. Denn daraus werden nicht nur Kraftstoffe hergestellt, sondern zum Beispiel auch Asphalt. Wir könnten keinen Kilometer Straße bauen ohne Erdöl. Ähnlich verhält es sich mit der Kunststoffindustrie, der Arzneimittel- oder Gummiherstellung. Es gibt also eine ganze Reihe von Branchen, die ohne Erdöl nicht auskommen.“