Tschechien bereitet sich auf größere Unabhängigkeit von russischen Brennstoffen vor
Die Europäische Kommission hat am Dienstag beschlossen, die Importe von Erdgas aus Russland bis Ende dieses Jahres um zwei Drittel zu senken. Noch vor 2030 sollen die EU-Länder dann in dieser Hinsicht gänzlich unabhängig von dem kriegführenden Land sein. Auch in Tschechien muss Ersatz für die russischen Rohstoffe gefunden werden.
Die USA haben inzwischen sogar ein Einfuhrverbot von russischem Erdöl beschlossen. Dies betrifft drei Prozent ihrer gesamten Energiebasis. In Tschechien hält man diesen Schritt kaum für eine Option. Denn die Lage sieht hierzulande ganz anders aus. Václav Bartuška, Sonderbeauftragter für Energiesicherheit, erläuterte am Mittwochmorgen in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„In einem üblichen Jahr deckt das Erdöl aus der Russischen Föderation über 70 Prozent unseres Verbrauchs ab. Die größte Raffinerie in Litvínov ist ganz auf russisches Öl ausgerichtet. Die kleinere Raffinerie in Kralupy nad Vltavou verarbeitet hingegen leichteres Öl aus Aserbaidschan und Kasachstan. Der Import aus Russland beträgt jährlich also bis zu fünfeinhalb Millionen Tonnen Erdöl.“
Eine größere Unabhängigkeit von Russland war auch ein Thema beim Treffen der Regierungschefs der vier Visegrád-Staaten mit Boris Johnson am Dienstag in London. Man müsse dieses Problem gemeinsam angehen, ließ der britische Premier dabei verlauten. Und der tschechische Regierungschef Petr Fiala (Bürgerdemokraten) sagte nach den Verhandlungen vor Journalisten:
„Dies lässt sich natürlich nicht von einem Tag auf den anderen umsetzen, das wissen wir alle. Das gilt vor allem für Staaten mit hoher Abhängigkeit von Russland, zu denen beim Erdgas auch Tschechien zählt. Wir müssen einen kurzzeitigen Ersatz für die Lieferungen finden.“
Václav Bartuška sieht dies ähnlich. In den vergangenen zwei Wochen sei einiges geschehen, was vorher als undenkbar gegolten habe. Und darum ließe sich auch eine baldige Verschärfung der Lage nicht grundsätzlich ausschließen, so der Regierungsbeauftragte, etwa durch einen Lieferstopp für Gas von russischer Seite aus. Er sehe aber kein großes Problem darin, diesen zu bewältigen, betonte Bartuška:
„Beim Öl habe ich keine Bedenken. Schon vor sieben Jahren haben wir erkannt, dass wir ohne russisches Öl auskommen können, als nämlich die Druschba-Pipeline ausfiel. In Bezug auf Erdgas erwartet Tschechien und ganz Europa aber womöglich eine Herausforderung, die wir bisher nicht kennen. Falls das russische Gas ausfällt – und das sind immerhin 40 Prozent der Lieferungen in Europa –, brauchen wir neue Lösungen. Aber ich bin absolut überzeugt, dass wir diese finden werden.“
Schon jetzt bekommen die Autofahrer in Tschechien wie in vielen anderen Ländern auch die Folgen des Krieges in der Ukraine zu spüren. Die Preise für Benzin und Diesel gehen hierzulande seit einigen Tagen deutlich in die Höhe. An manchen Tankstellen werden bereits 50 Kronen (zwei Euro) und mehr pro Liter verlangt. Für Bartuška spiegelt sich darin aber eher eine psychologische Reaktion als der reale Stand der Reserven:
„Nach wie vor haben wir Ölvorräte für 94 Tage, und die Treibstofflager sind wie gewohnt gefüllt. Zudem verfügen wir über Öl aus Deutschland und Verbindungen zu Adriahäfen. Daran hat sich faktisch nichts geändert.“
Die Ölhändler in Tschechien und überall auf der Welt würden allerdings das Geschehen in der Ukraine genau beobachten, fügte Bartuška hinzu. Zu erwartende weitere Sanktionen gegen Russland sorgten auf dem Markt für große Unsicherheit. Im Vergleich zu dem Leid, das sich gerade in der Ukraine abspiele, seien die Sorgen der Europäer um steigende Benzinpreise aber ziemlich gering, räumte der Sonderbeauftragte ein.