Tschechien unterstützt Öl-Embargo gegen Russland – will es aber selbst aussetzen
Die Europäische Kommission hat am Mittwoch einen Vorschlag für ein weiteres, nämlich das sechste Sanktionspaket gegen Russland vorgelegt. Dazu gehört auch ein Öl-Embargo. Tschechien unterstützt dies zwar, will aber zugleich über Ausnahmen verhandeln.
Es ist wohl das härteste Sanktionspaket, das die EU-Kommission bisher entworfen hat. Denn es enthält ein vollständiges Einfuhrverbot für russisches Öl.
„Um es klar zu sagen: Das wird nicht einfach. Denn einige Mitgliedsstaaten sind stark abhängig von dem Öl aus Russland. Aber wir müssen es einfach machen“, so Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwochvormittag im Europaparlament.
Ihren Worten nach sollen die russischen Rohöllieferungen innerhalb von sechs Monaten und der Import raffinierter Erzeugnisse bis Ende dieses Jahres auslaufen.
Zu jenen Staaten, die stark von Öl aus Russland abhängig sind, gehört auch Tschechien. Zwar standen in den zurückliegenden Tagen vor allem Ungarn und die Slowakei im Vordergrund der Diskussion, aber der tschechische Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) sagte am Mittwoch nach der Regierungssitzung gegenüber den Medien:
„Wir wollen erreichen, dass in unserem Fall das Ölembargo für zwei oder drei Jahre ausgesetzt wird. Unter diesen Voraussetzungen sind wir bereit, das Sanktionspaket zu unterstützen.“
Das Hauptproblem liegt dabei nicht so sehr in der Umstellung vom schweren russischen Öl auf leichteres von anderswoher. Und auch Ersatz zu finden sei nicht so schwierig, sagte Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela (Stan):
„Ausreichende Erdöllieferungen von alternativen Anbietern zu sichern, dauert meinen Informationen nach 30 bis 40 Tage. Diese Zeit ließe sich problemlos mit einem Rückgriff auf unsere staatlichen Materialreserven überbrücken. Dort lagert derzeit Öl für 94 Tage.“
Das Problem ist jedoch, dass andere Ölpipelines genutzt werden müssten. Und diese sind zu schmal für die zusätzlichen Lieferungen.
Im vergangenen Jahr deckte Tschechien nach Angaben des Statistikamtes rund die Hälfte seines Verbrauchs aus russischen Quellen. Das waren rund 3,4 Millionen Tonnen Erdöl. Entsprechend drängt die hiesige Regierung darauf, die Transalpine Ölleitung (TAL) aufzustocken. Diese Pipeline führt vom italienischen Hafen Triest über Ingolstadt nach Karlsruhe.
„Die TAL hat derzeit eine Jahreskapazität von 38 Millionen Tonnen. Technisch ist eine Aufstockung um rund zwei Millionen Tonnen möglich. Diese Erweiterung soll demnächst von den bayerischen Behörden genehmigt werden. Im März habe ich den deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck darum gebeten, den Genehmigungsprozess zu beschleunigen. Der Minister hat mir seine Hilfe zugesichert. Und nach meinen jetzigen Informationen haben sich die Dinge in die richtige Richtung bewegt“, so Síkela.
Allerdings reicht das laut dem Minister noch nicht aus. Die Transalpine Ölleitung müsse auf 48 Millionen Tonnen im Jahr ausgebaut werden, so Síkela. Und das braucht gemäß den Schätzungen der Regierung in Prag etwa zwei Jahre.
Premier Fiala betonte am Mittwoch noch, dass auch Tschechien hinter weiteren Sanktionen gegen Russland stehe. Zugleich appellierte er:
„Damit wir uns unabhängig machen können von russischen Energielieferungen, braucht es die Solidarität der EU-Länder. Daran arbeiten wir. Und das ist auch eines der Themen meiner Gespräche mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz.“
Denn am Donnerstag ist der tschechische Ministerpräsident in Berlin. Dort kommt es zum ersten Treffen der neuen Regierungschefs beider Nachbarländer. Allerdings wird Tschechien auf die europäische Solidarität noch in stärkerem Maße angewiesen sein, sollte Russland etwa selbst die Ölhähne zudrehen.