Wer hat den Hahn zugedreht? Russisches Öl fließt nicht mehr nach Tschechien

Die Versorgung Tschechiens mit Erdöl aus Russland über die Pipeline Druschba (Freundschaft) ist am Mittwoch aus bisher ungeklärten Gründen unterbrochen worden. Die Gesamtversorgung des Landes mit dem Rohstoff ist dank Lieferungen aus dem Westen und Vorräten nicht gefährdet.

Russland hat die Öllieferungen nach Tschechien ohne Erklärung am Mittwochmorgen gestoppt. Der Minister für Industrie und Handel, Lukáš Vlček (Bürgermeisterpartei Stan), versicherte unmittelbar danach, es bestehe keine Gefahr, dass nicht genug Öl vorhanden sein könnte, um den Bedarf von Haushalten und Unternehmen zu decken:

Lukáš Vlček | Foto: Zuzana Jarolímková,  iROZHLAS.cz

„Die Tschechische Republik hat ein robustes System staatlicher Materialreserven aufgebaut. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre, in denen Russland seine Spielchen mit Europa spielt, bemühen wir uns, unsere Lagerkapazitäten für Situationen wie jetzt voll auszunutzen. Wir sind darauf vorbereitet.“

Die Druschba-Pipeline wurde zwischen 1961 und 1971 gebaut. Durch sie fließt Öl aus Zentralrussland in die Länder des ehemaligen Ostblocks. Die Staaten blieben so nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums vom russischen Öl abhängig. Für den Fall, dass die Pipeline ausfalle oder geschlossen werde, habe Tschechien eine Reserve angelegt, sagt die Sprecherin des Pipelinebetreibers Mero, Barbora Putzová:

„Für den Fall einer kurzfristigen Versorgungsunterbrechung stehen strategische Vorräte an Erdöl und Erdölerzeugnissen zur Verfügung, die das Funktionieren des Staates für 90 Tage gewährleisten. Die Versorgung auf dem westlichen Weg über die Pipelines TAL und IKL läuft ohne Probleme.“

Foto: Tomáš Adamec,  Tschechischer Rundfunk

Im Moment ist nicht bekannt, warum das Öl nicht fließt. Nach Angaben des Unternehmens Transneft, das die Pipeline in Russland betreibt, ist auf dem Abschnitt der Leitung auf russischem Gebiet alles in Ordnung. Das Öl gelangt demnach auch nach Ungarn und in die Slowakei, die an denselben Zweig der Pipeline angeschlossen sind wie Tschechien.

Der südliche Strang der Druschba-Pipeline verläuft von Samara in Russland durch Weißrussland, die Westukraine und die Slowakei. Die Strecke auf dem Gebiet Tschechiens ist 357 Kilometer lang. Sie endet in der mittelböhmischen Stadt Nelahozeves, wo sich das zentrale Tanklager befindet. Von dort aus wird das Öl zu den Raffinerien transportiert. Verarbeitet wird das Rohöl vom Unternehmen Orlen Unipetrol, mit Anlagen in Litvínov / Leutensdorf und Kralupy nad Vltavou / Kralup an der Moldau. Pavel Kaidl, Sprecher der Raffinerien, versichert, dass kein Mangel an Benzin und Diesel drohe.

„Derzeit läuft die Produktion von Kraftstoffen ununterbrochen, und ihre Verfügbarkeit auf dem tschechischen Markt ist nicht gefährdet.“

Foto: Martin Pařízek,  Tschechischer Rundfunk

Für den Fall, dass der Ausfall länger dauere, wird der tschechische Staat der Firma Unipetrol 330.000 Tonnen Öl aus seinen Notreserven zur Verfügung stellen. Die Hilfe sei bereits von der Regierung genehmigt worden, bestätigt der Leiter der staatlichen Materialreserven, Pavel Švagr:

„Ich will betonen, dass die Versorgung des Marktes stabil ist. Es gibt keinen Grund zu Spekulationen oder zur Anhebung der Preise. Sollte das Öl weiterhin nicht fließen, kann Unipetrol durch die Anleihe beim Staat weiterhin Kraftstoffe und andere Produkte in dem Umfang produzieren, wie dies nötig ist.“

Bislang fließt Öl aus zwei Hauptquellen in die Tschechische Republik. Eine davon ist die Druschba-Pipeline aus Russland. Im vergangenen Jahr erhielt Tschechien über diese insgesamt 58 Prozent seines Erdölbedarfs. Den Rest deckte die Versorgung über die Ingolstadt–Kralupy–Litvínov-Pipeline, die an die Transalpine Ölleitung (TAP) aus Italien angebunden ist.

Ohnehin ist aber geplant, russisches Öl ab Mitte 2025 komplett durch Lieferungen aus dem Westen zu ersetzen. Russische Ölimporte sind nämlich eigentlich aufgrund der EU-Sanktionen verboten. Tschechien, Ungarn und die Slowakei haben nur eine Ausnahmeregelung erhalten. Diese läuft genau an diesem Donnerstag aus, und die tschechische Regierung hat keine Verlängerung beantragt.

Autoren: Markéta Kachlíková , Marek Sedláček
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