Tschechien will seine Energiegewinnung weitgehend unabhängig vom Erdöl machen

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Nach anfänglichen Software-Problemen verkehren die mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2005 von den Tschechischen Eisenbahnen (Ceske drahy - CD) in Betrieb genommenen Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ Pendolino seit Monatsbeginn nahezu reibungslos.

Ups and downs in der tschechischen Wirtschaft

Nach anfänglichen Software-Problemen verkehren die mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2005 von den Tschechischen Eisenbahnen (Ceske drahy - CD) in Betrieb genommenen Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ Pendolino seit Monatsbeginn nahezu reibungslos. Damit scheinen die CD-Verantwortlichen endlich ein Problem weniger zu haben. Und sie können sich anderen Aufgaben widmen. Zum Beispiel der Erneuerung des Waggonbestandes, der jetzt Priorität genießt. Die Tschechischen Eisenbahnen befördern jährlich 180 Millionen Fahrgäste, von denen nahezu 50 Prozent auf regionalen Strecken unterwegs sind. Dorthin geht auch der Großteil der Investition, die der stellvertretende CD-Generaldirektor Jiri Kolar so beschreibt:

"In diesem Jahr wollen wir in den regionalen Personenverkehr 820 Millionen Kronen (ca. 29 Millionen Euro) investieren. Mit diesem Geld sollen sowohl die Regional- als auch die Triebwagenzüge vom Typ 471 modernisiert werden. Und nicht zuletzt sollen davon auch neue Reisewaggons der 1. und 2. Klasse sowie neue Liegewagen finanziert werden."

Investieren will auch das größte Hotel in Tschechien, das Hilton Prague. Mit der Kapazität von 3000 Plätzen gehört es zu den zehn größten Konferenz-Hotels der Welt und im Jahr 2004 verzeichnete es die höchsten Einnahmen unter den Hoteleinrichtungen des Landes. Doch auf diesen Lorbeeren will sich das Hilton nicht ausruhen, sondern 40 bis 50 Millionen Euro in seine Modernisierung investieren. Wie diese Modernisierung aussehen soll, dazu sagte die Marketing-Managerin des Hotels, Marketa Sebkova:

"Sollten wir die Bauerlaubnis für das erhalten, was wir planen, dann wird auf den Terrassen in Richtung Moldau ein neues Konferenzzentrum entstehen. Dieses Zentrum würde die Kongresskapazität des Hilton Prague von derzeit 3000 Delegierten pro Tag auf 4400 Delegierte pro Tag erhöhen."

Keine zusätzlichen Subventionen, sondern die hohe Geldbuße von bis zu sieben Millionen Euro droht hingegen den tschechischen Landwirten. Und zwar für die Überproduktion von Milch, da sie bereits im ersten Jahr der EU-Mitgliedschaft des Landes die von der Europäischen Union vorgegebene Quote überschritten haben. Der Vorsitzende der tschechischen Agrarkammer Jan Veleba macht für diese Überproduktion zu einem Gutteil den eigenen Staat verantwortlich:

"Der Grund dafür, dass wir die Quote bereits im ersten Jahr unserer EU-Mitgliedschaft überschritten haben, zeugt davon, dass diese Quote in der Tat zu niedrig ausgehandelt wurde."

Genau aus diesem Grund, der dadurch belegt wird, dass einige Milchproduzenten die ihnen auferlegte Jahresquote schon nach einem Monat erreicht haben, wollen die Landwirte auch den Staat bei der Zahlung des Bußgeldes mit einbeziehen. Erste Verhandlungen zwischen der Agrarkammer und dem Landwirtschaftsministerium sind dazu schon angelaufen.

Hinter die Fassade geschaut

Getrieben von Lieferausfällen in Nigeria ist der US-Ölpreis nach dem vergangenen Wochenende in den Vereinigten Staaten auf über 62 Dollar je Barrel (159 Liter) geklettert. Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) hat aber bereits angekündigt, einen Rückgang der Ölpreise verhindern und dafür bei Bedarf auch die Produktion kürzen zu wollen. Angesichts solcher Entwicklungen ist es mittlerweile auch kein Wunder, dass US-Präsident George W. Bush erst vor wenigen Wochen eine Reduzierung der Öl-Abhängigkeit gefordert hat. Und im Umkehrschluss dazu hat sich Bush für eine verstärkte Nutzung der Atomenergie in den USA und international ausgesprochen. Nun kann sich die Tschechische Republik bei weitem nicht mit den Vereinigten Staaten vergleichen, doch über die Energiepolitik des Landes hat man sich in Prag schon länger ausgiebige Gedanken gemacht. Das konnte Radio Prag nicht zuletzt erst vor kurzem bei einer Konferenz der Akademie der Wissenschaften erfahren, die sich hauptsächlich damit befasste, inwieweit man hierzulande vom Rohstoff Erdöl bei der Energiegewinnung abhängig sei. Und um Ihnen diese Frage gleich zu beantworten, haben wir Ing. Drahomir Selong von der Abteilung Energiepolitik des tschechischen Ministeriums für Industrie und Handel ans Mikrofon gebeten:

"Für die Energiegewinnung in der Tschechischen Republik wird der flüssige Brennstoff nur minimal genutzt. Sein Anteil beträgt ein Prozent an der Elektroenergie, die im Land erzeugt wird."

Ein einziges Prozent also nimmt der Rohstoff Erdöl an der Energiegewinnung in Tschechien ein. Das ist ein Anteil, bei dem man getrost davon sprechen kann, in punkto Elektroenergie Öl-unabhängig zu sein. So sieht es auch Drahomir Selong:

"Wir bemühen uns selbstverständlich darum, dass uns die Energiegewinnung so wenig wie möglich Kopfzerbrechen bereitet. Wir setzen diesbezüglich vielmehr auf einheimische Rohstoffe und hierbei in erster Linie auf die Braun- und Steinkohle. Die Kohle wird ergänzt durch die Atomenergie sowie zu geringeren Anteilen durch Erdgas, die Wasserkraft und die erneuerbaren Energien. Und wie ich bereits bemerkte, zu einem Prozent durch den Flüssigbrennstoff."

Bei der Aufzählung der genannten Ressourcen ergibt sich natürlich sofort die Frage: Welchen Anteil haben die einzelnen Energieträger am derzeitigen Energiemix in Tschechien? Auch dazu gab Drahomir Selong bereitwillig Auskunft, auch wenn er sich bei der Aufschlüsselung der einzelnen Energiequellen mehr auf deren Gesamtverbrauch in Tschechien als auf ihren Anteil an der Gewinnung von Elektroenergie bezog.

"Was den Verbrauch der primären Energiequellen betrifft, so lässt sich folgendes sagen: Im Jahr 2005 betrug der Anteil des festen Brennstoffs 42,5 Prozent. Bis zum Jahr 2030 wird sich dieser Anteil jedoch auf 30,5 Prozent verringern. Was die gasförmigen Brennstoffe anbelangt, so wird sich deren heutiger Anteil von 21,6 Prozent bis zum Jahr 2030 kaum verändern. Der Anteil der flüssigen Brennstoffe wird sich von 15,7 Prozent im Jahr 2005 auf 11,9 Prozent im Jahr 2030 verringern. Demgegenüber wird die Atomenergie an Bedeutung gewinnen. Von derzeit 16,5 Prozent wird sich ihr Anteil bis zum Jahr 2030 auf 20,9 Prozent erhöhen. In unserer Energiepolitik rechnen wir dabei nach dem Jahr 2020 mit dem Bau zweier neuer Reaktorblöcke. Sie werden aller Voraussicht nach im südböhmischen Kernkraftwerk Temelin errichtet. Was die erneuerbaren Quellen anbelangt, so wollen wir den heutigen Anteil von 5,4 Prozent auf 15,7 Prozent im Jahr 2030 steigern."

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In einer ersten Bewertung des tschechischen Energiekonzepts bis zum Jahr 2030, das vor zwei Jahren von der Prager Regierung verabschiedet wurde, seien die Experten seines Ministeriums allerdings zu dem Schluss gelangt, dass sich insbesondere der hohe Zuwachs an erneuerbaren Energiequellen nicht vollständig realisieren lasse, da man hierzulande einfach nicht über die dafür erforderlichen Energieträger verfüge, so Selong. Auf der anderen Seite aber habe man bei den Flüssigbrennstoffen das ehrgeizige Ziel, deren Anteil auch bei der Treibstoffproduktion zu senken und sie mehr und mehr durch Biostoffe zu ersetzen. Wie das geschehen soll, dazu sagte Selong:

"Das ist eine Frage der weiteren Reduzierung der Abhängigkeit vom Erdölimport. Das Erdöl soll durch einheimische Rohstoffe ersetzt werden, und zwar in erster Linie durch Raps oder aber durch Spiritus. Wir gehen davon aus, dass wir den Anteil der heimischen Rohstoffe an der Treibstofferzeugung in absehbarer Zeit bis auf zehn Prozent erhöhen können."

Wie wir also feststellen konnten, ist auch in Tschechien nicht alles Gold was glänzt. Denn der ohnehin schon geringe Anteil des "schwarzen Goldes" an der Energieproduktion soll auch in den anderen Bereichen der Wirtschaft möglichst gering gehalten werden.