Klaus in Berlin: Angst vor tschechischen Arbeitnehmern ist irrational
Zum ersten Mal seit seiner Wiederwahl zum tschechischen Staatsoberhaupt im Februar hat Präsident Václav Klaus offiziell Deutschland besucht. Die Freizügigkeit der Arbeitskräfte sowie der Lissabon-Vertrag waren Hauptthemen des Gesprächs, das Klaus am Mittwoch mit Bundespräsident Horst Köhler führte.
Nach dem Treffen mit Horst Köhler sagte der tschechische Präsident, er habe eine ähnliche Meinung wie der Bundespräsident, was die Notwendigkeit betreffe, den deutschen Arbeitsmarkt für Bürger aus den neuen EU-Ländern zu öffnen. Klaus zufolge ist Köhler als Wirtschaftsexperte und ehemaliger Präsident des Internationalen Währungsfonds für die Beseitigung der Barrieren, die es zwischen den Arbeitsmärkten gibt. Der tschechische Staatspräsident bezeichnete die Befürchtungen einiger Bundesminister vor Arbeitern aus dem Osten als irrational:
„Ich sage seit eh und je, dass tschechische Arbeitnehmer den deutschen Arbeitsmarkt nicht überschwemmen werden. Sie haben das weder 1989 getan, noch nach dem EU-Beitritt Tschechiens und werden es auch jetzt nicht machen. Als ich vor dem jetzigen Deutschland-Besuch Materialien studiert habe, fand ich unter anderem die Angaben darüber interessant, wie viele Ausländer in Berlin leben, wie viele davon Polen und wie viele Tschechen sind. Die Tschechen stellen vielleicht ein Hundertstel der Ausländerzahl dar.“Deutschland kann die Einschränkungen für die Freizügigkeit der Arbeitsnehmer aus den neuen EU-Ländern noch bis 2011 aufrechterhalten. Es könnte aber auch den Arbeitsmarkt schon im kommenden Jahr öffnen. Tschechische Bürger können derzeit in fünf alten EU-Ländern noch nicht frei arbeiten – neben Deutschland gelten Einschränkungen noch in Belgien, Dänemark, Frankreich und Österreich.
Präsident Klaus diskutierte am Mittwoch mit seinem bundesdeutschen Amtskollegen auch über den Lissabon-Vertrag, der die EU-Verfassung ersetzen soll. Die beiden Staatspräsidenten sprachen das Thema an, kurz bevor der Vertrag in der oberen tschechischen Parlamentskammer und im deutschen Bundestag erörtert werden sollte. Präsident Klaus sagte, er werde der politischen Mehrheit in Tschechien, die den Lissabon-Vertrag unterstützt, nicht im Wege stehen:„Ich habe einige Jahre lang mit diesem Vertrag polemisiert. Dann habe ich resigniert, als ich sah, dass das breite politische Spektrum bei uns für den Vertrag ist. Es gibt keinen Grund dafür, dass der Staatspräsident dagegen irgendwelchen Widerstand leistet.“
In der Berliner Bertelsmann-Stiftung hielt dann Präsident Klaus am Mittwochabend einen Vortrag über die Zukunft Europas. Er warnte unter anderem vor der Gefährdung der Freiheit durch übernationale Institutionen und vor der Schwächung nationaler Staaten in Europa. In der folgenden Debatte sagte Klaus, dass er eine europäische Integration auf dem Niveau aus der Zeit vor Maastricht befürworte.