Auch du, mein Sohn Brutus? – Abrechnung nach der Präsidentschaftswahl
Mehr oder weniger plötzliche Stimmungswandel, kurzfristige Krankmeldungen und Korruptionvorwürfe – das waren die Meldungen, welche Politiker wie Journalisten auf der Präsidentschaftswahl am vergangenen Freitag in Atem gehalten haben. Der Kampf um den zukünftigen Präsidenten ist ausgefochten. Jetzt wird zwischen den Parteien, aber vor allem innerparteilich abgerechnet.
So der Sozialdemokrat Evžen Snítilý gegenüber Radio Prag am Tag der Präsidentschaftswahl. Erst an diesem Tag hatte er seiner Fraktion mitgeteilt, dass er Václav Klaus, statt Jan Švejnar wählen werde. Auch du, mein Sohn Brutus, stand Partei-Chef Jiri Paroubek ins Gesicht geschrieben. Die Antwort der Fraktion: Ausschluss aus der Fraktion. Nun wird in Snítilýs Kreisorganisation der Sozialdemokraten sogar sein Parteiausschluss als wahrscheinlich betrachtet. Auch damit wird Snítilý vielleicht schon gerechnet haben. Gegenüber Radio Prag betonte er jedoch, dass er in Zukunft nicht in das Regierungslager hinüberwechseln möchte, so wie die beiden Überläufer Michal Pohanka und Miloš Melčák, welche seit den Parlamentswahlen mit ihren Stimmen die Regierungsbeschlüsse stützen:
„Auch wenn ich nicht mehr Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion bin, dann bin und bleibe ich doch weiterhin Sozialdemokrat. Das genügt, denke ich als Stellungnahme.“
Über den Hinterbänkler Snítilý ist bei der Präsidentschaftswahl mehr geredet worden, als über die Kandidaten selbst. Die Parteiführung ist sich sicher, dass Bestechung im Spiel war. Bestechung im Stadium des Versuchs hat auch der unabhängige Senator Josef Novotný beklagt. Und zwar seitens der Bürgerdemokraten, die ihn angeblich mit mehreren Millionen Kronen in das Klaus-Lager hinüberziehen wollten. Auch hier soll wegen Verleumdung abgerechnet werden. Jiri Stříteský, Fraktionschef der Bürgerdemokraten im Senat:„Wir überlegen, ob es nicht möglich ist, direkt Klage einzureichen wegen der Beschädigung des Ansehens der Bürgerdemokraten. Senator Novotný hat die üble Nachrede in Richtung unserer Senatorenfraktion benutzt, um für sich selbst Reklame zu machen.“Das dritte Sorgenkind ist die Abgeordnete der Grünen, Olga Zubová. Zur Erinnerung: Zubová war am Tag der Präsidentschaftswahl nicht auf der Burg erschienen. Sie hatte sich morgens per SMS krank gemeldet und war anschließend nicht mehr erreichbar. Der Koalition hinter Jan Švejnar fehlte so eine Stimme. Ärgerlich, meinte Parteichef Martin Bursík, vor allem was Art und Zeitpunkt der Krankmeldung betrifft. Olga Zubová gehört zur innerparteilichen Opposition um die Ex-Bildungsministerin Dana Kuchtová. Bursík sieht hier Obstruktion am Werke. Die Aussprachen in der Partei haben aber noch nicht zu einem gemeinsamen Standpunkt geführt. - Schonfrist für Zubová, bis sie sich wieder gesundmeldet.