Tschechische Medienstimmen zur aktuellen Regierungskrise und zu Versuchen, das geltende Pressegesetz zu ändern

Sárka und Stanislav Gross (Foto: CTK)
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Auch die heutige Ausgabe unserer Sendereihe "Im Spiegel der Medien" von Robert Schuster widmet sich vornehmlich dem derzeitigen Thema Nummer eins, und zwar den mittlerweile hinlänglich bekannten Affären des tschechischen Ministerpräsidenten Stanislav Gross und seiner Gattin Sárka.

Sárka und Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Wir wollen dabei nicht auf die konkreten Details eingehen, denn inzwischen kann es aufgrund der vielen Drehungen und Wendungen leicht passieren, dass man als Beobachter von außen den Durchblick verliert. Dennoch hat diese Causa in der abgelaufenen Woche, insbesondere am Mittwoch und am Donnerstag, eine neue, nämlich politische Dimension bekommen, wobei auf einmal die weitere Existenz der ganzen Regierungskoalition auf dem Spiel stand. Zum Zeitpunkt, wo wir diese Sendung aufzeichnen, ist es also gar nicht sicher, ob die Drei-Parteien-Allianz aus Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberalen überhaupt die kommenden Tage überleben wird.

Für die Zuspitzung der vergangenen Tage tragen vor allem die Sozialdemokraten und die Christdemokraten Verantwortung. Die Vorsitzenden beider Parteien versuchten mit gegenseitig gestellten Ultimaten den jeweils anderen unter Druck zu setzten. Die Medien, die zuvor mit immer neuen Enthüllungen und der Veröffentlichung weiterer Zusammenhänge den ganzen Zug eigentlich in Bewegung setzten und somit die gegenwärtige Nervosität der tschechischen Regierungsparteien mit verursacht haben, stehen in solchen Fällen natürlich Gewehr bei Fuß und liefern ihren Lesern für den Fall der Fälle eine Reihe von analytischen Einblicken in die Tiefen der tschechischen Innenpolitik. Die Kommentatoren tun das selbst dann, wenn sie der Meinung sind, alles sei bloß eine Seifenblase und lediglich ein Theater für die Öffentlichkeit. So stand zum Beispiel in einem Kommentar der Tageszeitung Mlada fronta Dnesüber die beiden Kontrahenten der vergangenen Tage, also den Premierminister Stanislav Gross von den Sozialdemokraten und den christdemokratischen Parteichef Miroslav Kalousek:

Miroslav Kalousek  (Foto: CTK)
"Miroslav Kalousek drückte Premier Gross ein Messer an den Hals; es war aber ein Messer aus Wachs und der tapfere Stanislav Gross musste sich nicht sehr anstrengen, um ihm auszuweichen. Es ist zwar zu einer koalitionsinternen Kollision gekommen, aber das Happy End ist bereits in Sicht. Beide Politiker wollten vor der Öffentlichkeit ihre Muskeln spielen lassen, wohl wissend, dass sie sich letztendlich einigen werden. Die Arbeitsfähigkeit der Regierung wird dadurch wieder hergestellt, vorgezogene Neuwahlen sind vom Tisch, überall herrscht Friede und man will konstruktiv weiter arbeiten. Eigentlich sollte bei so einem Ausgang das Publikum Beifall spenden. Aber klatscht von den Zuschauern überhaupt irgendjemand?"

Manche Autoren gingen in ihren Beiträgen auch einigen grundsätzlichen Fragen nach, die der Fall Gross in den letzten Wochen aufdeckte. Dabei geht es in erster Linie um das Fehlen von Gesetzen, die auch die Ehepartner und Familienangehörigen von Politikern verpflichten würden, ihre Einkünfte und Eigentumsverhältnisse zu veröffentlichen. In den vergangenen Jahren stießen Versuche, ähnliche Gesetze im Parlament durchzubringen, auf eine breite Abwehrfront, die oft quer durch das politische Spektrum ging. Wie schnell auch die aktuelle Debatte um die Tätigkeit der Frau des tschechischen Regierungschefs diese alten Reflexe hervorrief, war vergangene Woche zum Beispiel in einem Kommentar zu lesen, der in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny erschienen ist:

"Es ist ziemlich bezeichnend, dass jene Frage, die sich in den vergangenen Tagen immer wieder in den Vordergrund drängte, nämlich, welchen unternehmerischen Tätigkeiten die Ehepartner von Spitzenpolitikern nachgehen dürfen und wie hoch deren Einkünfte dabei sind, ganz einfach bei Seite geschoben wurde. Den Journalisten wurde ziemlich klar zu erkennen gegeben, dass sie das nichts angehen würde. So fehlt auch jetzt in den Forderungen, die an den Regierungschef gestellt wurden, jegliche Spur von schärferen Unvereinbarkeitsregeln."

Kulturminister Pavel Dostal  (Foto: CTK)
Ausgehend vom aktuellen Fall Gross kommen wir jedoch, verehrte Hörerinnen und Hörer, in unserer Sendung noch zu einem anderen, aus der Sicht der Medien ebenfalls relevanten Thema, nämlich dem rechtlichen Aspekt der Causa. Die starke Aufarbeitung der erwähnten Affären durch die Medien haben vor allem einige sozialdemokratische Politiker zu Aussagen veranlasst, wonach es sich um eine von den tschechischen Zeitungen bewusst gestartete Diskreditierungskampagne gegen den Regierungschef handle. Zu Wort meldete sich unter anderem auch Kulturminister Pavel Dostal, der in diesem Zusammenhang meinte, dass das geltende tschechische Pressegesetz zu liberal sei und es deshalb geändert werden sollte, um den Schutz der Personen, die sich wie Gross von den Medien angegriffen fühlen, zu erhöhen.

Ist die Kritik des Ministers am geltenden Pressegesetz berechtigt, oder entbehrt sie jeglicher Grundlage? Das fragten wir den Medienexperten und Journalisten der Wochenzeitschrift Reflex, Jan Potucek:

"Also das glaube ich nicht. Ich denke, dass es Minister Dostal darum geht, den Stand vor das Jahr 1999 einzuführen, als er die letzte Novelle des Pressegesetzes ins Abgeordnetenhaus einbrachte und darin so genannte verkürzte Fristen für die Gerichte vorschlug, die somit schneller in Streitigkeiten zwischen Herausgebern und den Geschädigten entscheiden sollten. Das sollte sich auf Fälle beziehen, bei denen der Geschädigte vom Herausgeber eine Gegendarstellung verlangte, dieser sich aber zunächst an ein Gericht wandte. Bei den tschechischen Gerichten dauert es ja bekanntlich sehr lange, bis sie in einer Angelegenheit entscheiden. Damals ist das nicht angenommen worden, und jetzt versucht Dostal das Ganze noch einmal durchzubringen. Ich denke, dass das Hauptproblem eben die Langsamkeit der tschechischen Gerichte ist. Das ist also eher eine Aufgabe für den Justizminister, denn es hängt generell mit dem Problem der geringen Rechtswirkung in Tschechien zusammen."

 Premierminister Stanislav Gross  (Foto: CTK)
Die Rolle der Medien bei der Aufdeckung von Skandalen oder Verfehlungen von Politikern wird nicht nur in Tschechien oft in Frage gestellt. In den meisten postkommunistischen Ländern Mitteleuropas gab es in den vergangenen 15 Jahren Situationen, wo Zeitungen oder unabhängige Fernsehstationen Fälle von Korruption und Vetternwirtschaft aufzeigten, oder dem einen oder anderen wichtigen Politiker die von ihm zuvor bestrittene Zusammenarbeit mit der kommunistischen Geheimpolizei nachweisen konnten. Über den Erfolg oder Misserfolg der Politiker bei ihren Versuchen, unangenehme Medien einzuschüchtern, entschied dann letztlich auch, wie stark die Journalisten selber fähig waren, diesen Versuchen zu trotzen. Hier ortet Jan Potucek von der Wochenzeitschrift Reflex bei den tschechischen Journalisten ein gewisses Defizit, wenn er abschließend meint:

"Eine vergleichbare Affäre gab es auch in der Slowakei. Dort gibt es ja sehr starke Journalistenverbände, die in diesen Fragen generell sehr offensiv auftreten. In Tschechien sind diese Verbände hingegen eher schwach. Zum Beispiel das Syndikat der Journalisten ist in diesen und ähnlichen Fällen nie stärker in Vorschein getreten. In Tschechien ist es also in erster Linie Aufgabe der Herausgeber, Stellung zu beziehen, und ich denke auch, dass man in der aktuellen Situation spürt, dass das nicht ausreicht. In den Zeitungen wird dann oft auf etwas reagiert, was eigentlich juristisch gar nicht besteht, denn Minister Dostal hat ja bislang lediglich die Absicht erklärt, eine Änderung des Pressegesetzes anzustreben. Fakt ist nämlich, dass angesichts der gegenwärtigen Sitzverteilung im Parlament solche Vorschläge keine Aussicht auf Erfolg haben."