Begeben wir uns in ein gemütliches Restaurant, setzen wir uns an einen Tisch in der Ecke und bestellen wir heißen Kaffee. Oder ein Glas unseres Lieblingsweins, oder eines der köstlichen Gerichte auf der Tageskarte. Ein bunter Tag blitzt durch die Fenster herein auf die geschmackvolle Einrichtung des Lokals, die offensichtlich alles andere als billig war. Die Kellnerin ist gut gelaunt und entsprechend freundlich. Und aus den Lautsprechern tönt – nein, nicht angenehme Musik, passend zur Atmosphäre des Lokals, sondern Autoreifenwerbung eines Privatradiosenders.
Meine Allergie gegen Privatradiogeplärr in öffentlichen Räumen hat nichts damit zu tun, dass ich Journalist eines öffentlich-rechtlichen Mediums bin. Es handelt sich also nicht um „profesionální deformace“, wie die Tschechen sagen würden. Ich habe schon früher nicht verstanden, warum manche Lokalbesitzer Unsummen für Design ausgeben und gleichzeitig vergessen, dass der Mensch nicht nur Augen, sondern auch Ohren hat. Abgesehen davon bekommt man als Werbekonsument in der Regel eine Gegenleistung geboten. Einen Film zum Beispiel, oder Musik. Was aber, wenn ich diese Gegenleistung nicht bestellt habe? Was, wenn sie mir umgekehrt sogar maßlos auf die Nerven geht? Bekomme ich im Gasthaus mein Gulasch etwa billiger, wenn ich mir beim Essen etwas über Bräunungscremes und Supermarktketten anhöre?
Gewiss: Halblustige Witze halblustiger Moderatoren, umrahmt von den besten Hits der 70er, 80er und 90er und garniert mit nicht enden wollenden Werbeblöcken gibt es auch in deutschen oder österreichischen Lokalen. In Prag, so mein Eindruck, gibt es sie aber ein bisschen öfter. Vielleicht, weil für manche auch 18 Jahre nach der Wende das „Private“ immer noch für das „Moderne“ steht, und Reklame als Symbol für unternehmerische Freiheit.
Wenigstens aber gehört die Gastronomie zu den Bereichen, in denen die Monopolbildung noch eine eher untergeordnete Rolle spielt und die unternehmerische Freiheit mit der Wahlfreiheit des Kunden konfrontiert ist. Zahlen wir also und verlassen wir unseren Tisch in der Ecke. Gehen wir woanders hin, zum Beispiel in das herrliche Restaurant in der Nähe des Prager Funkhauses, wo man passend zum Ambiente ausschließlich Swing im Stil der 20er Jahre spielt. Oder in eines der vielen anderen Lokale, wo man die Ohren der Gäste nicht der langweilig-aggressiven Beliebigkeit im Äther überlässt.