Präsidentschaftswahl: Spiel ohne Regeln?

Jan Švejnar (links) und Václav Klaus (Foto: ČTK)

Am Freitag und am Samstag gingen auf der Prager Burg die Präsidentschaftswahlen über die Bühne – allerdings erfolglos. Fortsetzung folgt. Gerald Schubert blickt gemeinsam mit seinen Gästen, dem tschechischen Publizisten Karel Hvížďala und dem Prag-Korrespondenten der deutschen Zeitung „Die Welt“, Hans-Jörg Schmidt, noch einmal zurück auf das stundenlange Tauziehen um den Abstimmungsmodus. Was sind dessen Auswirkungen auf die derzeitige Regierungskoalition von Premierminister Mirek Topolánek? Und was hat das alles mit Fußball zu tun?

Karel Hvížďala,  links  (Foto: ČTK)
Auf der Prager Burg herrschte am Freitag und Samstag helle Aufregung. Lange wurde darüber diskutiert, ob die Parlamentarier bei der Präsidentschaftswahl geheim oder offen abstimmen sollen. Wie beurteilen Sie diese Situation?

Hvížďala: „Das ist so, als würden beim Fußball die Mannschaften auf das Spielfeld kommen und nach dem Anpfiff über die Regeln des Spiels sprechen. Genau das ist hier passiert, und deshalb haben wir so ein schlechtes Theater gesehen. Die Parteien waren nicht in der Lage, die genauen Regeln vorher zu koordinieren. Erst im letzten Moment wollten die Spieler die Regeln formulieren, um jeweils für sich selbst den Sieg zu sichern. Das ist wirklich nicht normal.“

War das andererseits nicht fast zu erwarten? Wenn die Verfassung diesen Punkt nicht regelt, und einige Leute die geheime Wahl bevorzugen, während andere öffentlich abstimmen wollen, dann ist diese Streiterei doch fast vorprogrammiert.

Schmidt: „Sie ist natürlich vorprogrammiert, vor allem wenn man weiß, wie zerstritten die politischen Lager im Land sind. Nach den Parlamentswahlen 2006 hat es ja ein Dreivierteljahr gedauert, bis es eine Regierung gab. Jetzt bei der Präsidentschaftswahl kam noch dazu, dass nicht das bürgerliche Regierungslager der linken Opposition gegenüberstand, sondern dass auch Teile der Regierungskoalition einen anderen Kandidaten bevorzugten als die größte Partei, die Demokratische Bürgerpartei, die hinter ihrem Ehrenvorsitzenden Václav Klaus stand. Also ist klar, dass beide Lager nach den bestmöglichen Varianten suchten, um den eigenen Kandidaten durchzubringen.“

Andererseits war die Aufregung wirklich sehr groß, es sind etliche harte Worte gefallen. Welche Bedeutung kann das für das Vertrauen in den Parlamentarismus in der Tschechischen Republik haben?

Schmidt: „Man muss als ausländischer Beobachter vorsichtig sein mit großer Kritik. Ich zitiere lieber mal Přemysl Sobotka, den Vorsitzenden des Senats, also der zweiten Kammer des Parlaments, die ja bei der Wahl ebenfalls dabei war. Sobotka hat gesagt, dass diese Veranstaltung eines tschechischen Parlaments nicht würdig war. Damit hat er es auf den Punkt gebracht, und ich glaube, sehr viele Tschechen haben das genauso gesehen. Das Vertrauen der Tschechen in ihre Politiker ist nicht sonderlich groß. Ein tschechischer Politologe hat im Fernsehen gesagt: Das ist ein schwerer Schlag für die politische Kultur und für das Vertrauen der Bürger in ihre Politiker.“

Premier Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Welche weiteren Auswirkungen könnte das nun haben?

Hvížďala: „Es könnte zwei unterschiedliche Effekte geben. Erstens: Die Leute könnten sagen, dass die Politik wirklich nur Theater ist, und bei den nächsten Wahlen nicht mehr in die Wahllokale kommen. Das wäre nicht gut, denn schon in den letzten Jahren ist die Wahlbeteiligung gesunken. Zweitens: Die Leute könnten mehr Hoffnung in Brüssel setzen, obwohl die Politiker immer sagen, dass von der Brüsseler Administration nichts Gutes kommt.“

Wir haben bereits angesprochen, dass die Regierungskoalition nicht deckungsgleich ist mit der „Koalition“ für die beiden Präsidentschaftskandidaten Václav Klaus und Jan Švejnar, und dass sich daraus in weiterer Folge auch eine Regierungskrise entwickeln könnte.

Jan Švejnar  (links) und Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Hvížďala:„Ja, das ist vielleicht das Ergebnis der Wahl: Die, die von Kontinuität gesprochen haben, könnten alles in Bewegung bringen, und zum Schluss könnten wir bei uns die große Koalition haben. Wenn Klaus wieder Präsident wird, dann droht ein weiterer Streit zwischen den Grünen und Premierminister Topolánek, und das könnte eine Lawine in Gang setzen, an deren Ende die große Koalition steht.“

Es waren nämlich die Grünen, die Jan Švejnar nominiert und damit ihren Koalitionspartner, die konservative Demokratische Bürgerpartei, nicht gerade erfreut haben. Die Funken, die geflogen sind, waren ja heftig. Gibt es hier noch einen Ausweg?

Schmidt: „Einerseits haben die Grünen von Beginn an gesagt, dass die Frage der Präsidentschaft nicht im Koalitionsvertrag geregelt ist, obwohl die Bürgerpartei wollte, dass die Regierungskoalition geschlossen Václav Klaus wählt. Also hatten die Grünen hier wirklich freie Hand. Aber die Art und Weise der Auseinandersetzung bei der ersten Wahl war wirklich heftig, und die schärfste Kritik an Václav Klaus kam gerade von den Grünen. Das hat natürlich auch Gründe. Die Kritik bezog sich beispielsweise auf Klaus’ Haltung zum Problem der Klimaerwärmung. Das ist natürlich etwas, das den Grünen überhaupt nicht gefällt, und aus dieser Sicht heraus war es verständlich, dass die Kritik an Václav Klaus sehr hart war. Aber irgendwie muss man sich jetzt wieder zusammenraufen. Ich habe jedoch nach den Scharmützeln, die man bei der Wahl am Rande mitbekam, gerade bei denen zwischen der Bürgerpartei und den Grünen, den Eindruck gewonnen, dass das sehr schwer sein wird. Premierminister Topolánek geht schweren Zeiten entgegen. Auch wenn Václav Klaus sicher auch für die zweite Runde der Favorit ist, so ist überhaupt nicht ausgemacht, dass er durchkommt. Und Topolánek hat nun einmal sein Verbleiben an der Regierungsspitze mit der Wiederwahl von Václav Klaus verbunden. Das wird sehr hart für ihn.“