Presse zum Präsidentschaftsgerangel - außerdem: Peroutka-Preisträger Karel Hvížďala im Gespräch

Knapp eine Woche hatten sie Zeit, die Politiker und die Journalisten, nach der Präsidentschaftswahl ohne Sieger sich Gedanken zu machen, wie es weitergehen soll. Politiker nutzten die Zeit zum Stimmenpoker, zur Suche nach neuen Kandidaten, zu Bestechungsversuchen – wenn man den Äußerungen glauben kann - und zum Wundenlecken. Den Journalisten jedenfalls wurde nicht langweilig. Dazu gleich mehr im Medienspiegel, für den Christian Rühmkorf auch ein Gespräch mit dem neuen Ferdinand-Peroutka-Preisträger Karel Hvížďala geführt hat.

Jana Bobošíková  (Foto: ČTK)
Die„Hospodářské noviny“ macht am Montag nach der Präsidentschaftswahl mit der Schlagzeile auf: „Klaus muss auf einen neuen Matchball warten“. Die Seiten zwei, drei und vier sind voll mit Analysen, Gesprächen und Erklärungen für das Scheitern der Wahl. In den folgenden Tagen ließ die Katerstimmung wieder nach und die Nervosität nahm zu. Und das nicht nur, weil die Kommunisten ihren Wert steigern und mit fünf Namen für weitere Präsidentschaftskandidaten jonglieren. Ebenso fünf Parlamentarier haben auch Drohbriefe erhalten mit einer Patrone. Diese mafiösen Manieren veranlassen die Lidové noviny sich ganzseitig mit Mafiamethoden zu befassen, die in diesem Land – angeblich bis in die Schulen hinein – Anwendung finden. „Mafia-Tricks vor der Wahl – die fünf zum Abschuss“ – so die Titel.

Alle Zeitungen bringen schließlich am Dienstag und am Mittwoch auf ihren Titel- und Themenseiten großformatige Bilder von der Europaabgeordneten und ehemaligen Fernsehmoderatorin Jana Bobošíková. Denn die Kommunisten haben sich mit ihr geeinigt. Sie wird beim zweiten Wahlversuch als dritte Präsidentschaftskandidatin auftreten: „Die Kommunisten schrauben ihren Preis nach oben“, titelt die Mladá fronta Dnes. „Bobo immer noch im Rennen. Bis jetzt“, schreibt die Lidové noviny und spielt darauf an, dass die Kommunisten sich immer noch ein Hintertürchen offen halten. Sie könnten Bobošíková fallen lassen und doch noch Jan Svejnar unterstützen, wenn die Sozialdemokraten und die Grünen sich gegen das US-Radar aussprechen und mit den Kommunisten einen „Nicht-Angriffs-Pakt“ abschließen. Einzig die Mladá fronta Dnes hat sich daran erinnert, dass am Donnerstag Valentinstag war und bringt eine ihrer beliebten Umfragen auf die Themenseite. Ergebnis? „Die Liebe blüht am meisten im Osten“.


Karel Hvížďala  (Foto: ČTK)
Kommen wir zu unserem eigenen Medienthema. Ferdinand Peroutka, einer der bedeutendsten Journalisten der ersten Tschechoslowakischen Republik, im Zweiten Weltkrieg im KZ inhaftiert, zur kommunistischen Zeit im Exil – er ist der Namenspatron für den wichtigsten Journalistenpreise in Tschechien. Der Ferdinand-Peroutka-Preis wurde vergangene Woche wieder vergeben. Unter den ersten Preisträgern waren auch zwei Mitarbeiter des Tschechischen Rundfunks, Adam Drda und Karel Tejkal. Den Hauptpreis aber erhielt der 66-jährige Journalist Karel Hvížďala. Auch er ging ins Exil. Von 1978 bis zur politischen Wende lebte und arbeitete er in Deutschland, für Radio freies Europa sowie fast alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkstationen, als Kommentator, Rezensent, und Hörspielautor. Zuletzt hatte er von sich Reden gemacht durch ein Gespräch in Buchformat, das er mit dem Präsidentschaftskandidaten Jan Švejnar geführt hat. Auch Václav Havel und Václav Klaus hatten im übrigen schon Jahre zuvor bei ihm Platz genommen. Ich habe Karel Hvížďala zu Hause besucht und mit ihm über die tschechische Medienlandschaft gesprochen.

„Es wäre meiner Meinung nach sinnvoll, solch einen Preis an Leute in den 30ern, 40er zu verleihen, die das Geld mehr brauchen als ich. Auch dazu, um stärker zu sein, um ein bisschen mehr Widerstand hier in der Gesellschaft zu leisten.“

Widerstand? – 1989 wurde der Kommunismus samten von der Bühne gefegt. Trotz der neuen Freiheit hatte, so erzählt Karel Hvížďala, die tschechische Medienlandschaft mit drei Problemen zu kämpfen. Es gab zum einen kaum eine Tradition von öffentlich-rechtlichen Medien und keine Zeitung mit Prestige. Zum anderen nahmen private Medien zügig einen Teil des Marktes ein und nicht zuletzt wurden und werden die Medien nicht als ein Kulturgut, sondern schlicht als Ware betrachtet, meint Hvížďala:

„Diese drei Strömungen haben am Ende die Medienlandschaft so zusammengekocht, dass wir heutzutage auf dem Markt keine Prestige-Zeitung haben. Es sind sozusagen `Pop-Zeitungen´und Boulevard. Die Unterschiede werden von Tag zu Tag kleiner und auch die Öffentlich-rechtlichen kämpfen um dieselben Zuschauer wie die Privaten. Und das ist die größte Gefahr, die ich hier sehe, weil das am Ende den Kern der Demokratie bedroht.“

Bei dieser Misere, so meint Karel Hvížďala, spiele aber auch eine gewisse Anspruchslosigkeit bei der Leserschaft eine Rolle:

„Die zwei totalitären Regime, die hier herrschten, haben die Seele so beschädigt, dass der Preis für Informationen auf diesem Markt viel zu gering ist. Die Leute brauchen keine Informationen. Hier gibt es keine große Mittelschicht, die das braucht. Das ist ziemlich einfach.“

Aber auch die journalistische Garnitur lässt nach Hvížďalas Ansicht oft zu wünschen übrig:

Foto: Autorin
„Als Editoren arbeiten hier schon Leute, die erst im zweiten oder vierten Semester an der Uni sind und nur nebenbei studieren. Sie haben keine Erfahrung, obwohl man gerade beim Rundfunk und bei einer Zeitung sehr oft sehr schnell entscheiden muss. Ohne Erfahrung geht das nicht. Deshalb sehen wir so viele Fehler. Und darin besteht eines der großen Probleme: Heutzutage wird diese Arbeit von Leuten gemacht, die normalerweise eine Studentenzeitung machen würden.“

Was wäre also zu tun – außer der Verleihung von Journalistenpreisen, die wohl eher ein Tropfen auf den heißen Stein sind?

„Ohne Unterstützung geht das hier nicht. Das ist alles zu teuer. Hier gibt es keine Philantropen wie in Amerika. Hier ist das eine Aufgabe der Politik. Aber heute ist es ungefähr so, dass alle Parteien glücklich sind, dass die Presse sie nicht kontrolliert. Das ist der Grund für diese Lage in unserem Land. Aber hauptsächlich sollten wir das als Thema in die Politik bringen und im öffentlichen Raum darüber gründlich zu diskutieren. Das wäre immerhin schon etwas.“

Einige Zeitschriften und Zeitungen gibt es aber doch, welche die Auszeichung Qualitätspresse verdienen würden, meint Karel Hvížďala. „Respekt“, „Hospodářské noviny“, „A2“ oder „Host“ – das sind die Titel, die ihm dabei in den Sinn kommen. Hier fehle nur das Geld für Marketing. Die Auflagen seien deshalb klein. Dennoch könnten, so Hvížďala, von diesen Blättern Impulse ausgehen:

„Drumherum konzentrieren sich sehr interessante Leute, von denen vielleicht in der nächsten Zeit etwas ausgehen könnte. Ich weiß nicht was. Aber zumindest wenn ich mit den Leuten diskutiere, habe ich ein gutes Gefühl bei der Art, wie sie über diese Branche nachdenken.“