Wer ist der Bessere – Präsidentschaftswahlkampf in allen Medien

Die Woche geht zu Ende, es ist Zeit für den neuen Medienspiegel. Christian Rühmkorf hat sich für Sie wieder durch einen Stapel tschechischer Tageszeitungen gewühlt und fasst die Themenschwerpunkte zusammen. Außerdem berichtet er über zwei mediale Neuheiten, die ihre Schatten voraus werfen auf das politische Großereignis am 8. Februar – die Präsidentschaftswahl in Tschechien.

Jan Švejnar  (Foto: ČTK)
Herzlich willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer zu unserem allwöchentlichen Medienspiegel. Wir werfen zunächst einen Blick in die Presse der vergangenen Tage. Die meisten Zeitungen bereiteten bereits am Montag ihre Leser auf das für Dienstag anberaumte Duell der Präsidentschaftskandidaten vor. Die Wirtschaftszeitung „Hospodářské noviny“ setzte einen Kontrapunkt und veröffentlichte die Ergebnisse einer eigens in Auftrag gegebenen Umfrage. Jedoch nicht zur Präsidentenwahl: „Wer ist Ihrer Meinung nach der bessere Premier – Topolánek oder Paroubek?“ Daraus entstand die Headline: „Topolánek verliert. Und es wird noch schlimmer.“

Meinungsumfragen werden in tschechischen Tageszeitungen im Übrigen immer beliebter und sie spielen auch eine große Rolle beim Wahlkampf. Diesem Kampf fügt die„Lidové noviny“ am Dienstag, dem Tag des Duells, einen neuen Aspekt hinzu: „Der Kampf um die Burg – beiden Kandidaten geht es materiell mehr als gut und beide haben sich von der Pike auf hochgearbeitet“. Wir erfahren: Václav Klaus hatte sein erstes Auto mit 33 Jahren – einen Trabant. Jan Švejnar ist mit seiner jüngeren Schwester 1969, also mit 17 Jahren per Zug ins Exil gereist und hatte nur eine Gitarre und ein paar Skier bei sich. Dazu bietet die „Lidové noviny“ Bilder der Immobilien beider Kandidaten und ihre Gehälter – brutto und netto.

Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Der Mittwoch war kein Tag der großen Entscheidungen in den Redaktionen. Fast alle Tageszeitungen brachten doppelseitige Reflexionen zum im Fernsehen übertragenen Duell der Präsidentschaftskandidaten in der Senatsfraktion der Sozialdemokraten. Die „Lidové noviny“ bringt Ausschnitte aus der Debatte im Wortlaut. Auf jeder Seite prangt das Zitat eines der beiden Kandidaten. Links Klaus über Švejnar - „Sie lassen mich vor Schreck erblassen“, rechts Švejnar über Klaus – „Ihre Ansicht ist extrem“. Am Rande Expertenbefragungen zu Verlauf und Ausgang des Duells. Die „Mladá fronta Dnes“ wird dabei ihrem leichten Hang zum Boulevard gerecht und befragte auch einen Dozenten für nonverbale Kommunikation und eine Modestylistin.

Der Donnerstag brachte wieder ein wenig mehr Vielfalt auf die Themenseiten: Arztgebühren in der „Lidové noviny“, Beerdigung von Jiří Sequens, dem Haus- und Hofregisseur des kommunistischen Regimes in der „Pravo“ und Beratertätigkeit eines ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters bei einer Theaterinszenierung über das organisierte Verbrechen in der „Mladá fronta Dnes“. Soweit der Blick in die Tagespresse.


Václav Klaus  (rechts) und Jan Švejnar  bei der TV-Debatte  (Foto: ČTK)
Und wir bleiben auch bei unserem eigenen Medienschwerpunkt dem Dauerbrenner treu - der im Fernsehen übertragenen Debatte der Präsidentschaftskandidaten. Welches Echo hat sie bei Politologen und Medienexperten hervorgerufen? Pavel Dolanský, Medien- und Kommunikations-Fachmann, meinte gegenüber dem Tschechischen Fernsehen:

„Ich glaube, die Debatte hat die 281 wählenden Abgeordneten überhaupt nicht beeinflusst. Keiner wird seine Präferenz auf der Grundlage dieses Auftritts ändern. Ich möchte allerdings daran erinnern, dass es die erste Debatte von Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte dieses Landes war. Das ist gut. Ich hoffe, es wird in Zukunft weitere Debatten geben, die dann auch etwas kerniger werden als diese.“

Der junge Politologe Ondřej Matějka hält die TV-Debatte auch für eine wichtige Neuheit in der politischen Kultur Tschechiens. Ein Duell im amerikanischen Sinne sei es jedoch nicht gewesen:

Jan Švejnar  (Foto: ČTK)
„Die Debatte von Klaus und Švejnar war halb eine Pressekonferenz, halb eine Debatte. Dabei wurden die Fragen von den Senatoren einer Partei gestellt und nicht von unabhängigen Politologen oder Moderatoren. Ich glaube, man muss deshalb diese Debatte mit Vorsicht bewerten. Es ging dabei weniger um Argumente, als viel mehr um die Atmosphäre, die man schafft.“

Jan Švejnar selbst gab sich gegenüber Radio Prag zufrieden mit dem Schlagabtausch. Aber mit dem Wort „Debatte“ ist auch er vorsichtig:

„Ich meine, dass sich wirklich die Unterschiede zwischen Klaus und mir gezeigt haben, sowohl was die Meinungen betrifft als auch die Auffassung vom Amt. Das war bisher nicht so direkt möglich. Natürlich war es eigentlich keine Debatte, keine Diskussion. Es war vielmehr eine Art Anhörung, das heißt, parallele Antworten auf die Fragen.“

Ist so eine Debatte vor laufenden Kameras wirklich notwendig im Präsidentschaftswahlkampf?

Karel Hvížďala und Jan Švejnar stellten das neue Buch über Jan Švejnar vor  (Foto: ČTK)
„Ja, ich glaube, dass ein solcher Meinungsaustausch gut ist, für die Demokratie und für die Präsidentenwahl.“

Es sieht so aus, als könnte sich ein TV-Duell in künftigen Präsidentschaftswahlkämpfen etablieren. Und wenn es um mehr Demokratie geht, dann wurde in den vergangenen Monaten auch immer wieder die Frage aufgeworfen, ob der Präsident direkt vom Volk gewählt werden sollte. Die Debatte im Fernsehen mag ein erster Schritt in diese Richtung sein.

Das zweite mediale Ereignis dieser Tage hängt auch mit Jan Švejnar und seiner Kandidatur zusammen. Der Verleger Michal Rybka kam kurz vor Weihnachten auf die Idee, in seinem Verlag „Rybka publishers“ ein Buch über Švejnar herauszugeben. Ganz einfach, weil er immer wieder auf die Meinung stieß, dass Jan Švejnar für die tschechische Öffentlichkeit eine unbekannte Persönlichkeit sei. Rybka fragte beim erfahrenen Journalisten Karel Hvížďala an, ob er das Interview mit Jan Švejnar führen könne – und zwar innerhalb weniger Tage im Januar. Hvížďala lebte selber lange Zeit im deutschen Exil und arbeitete bereits dort für verschiedene Medien. Auch mit den beiden vorangegangenen Präsidenten hatte er lange Interviews geführt. Sie waren zu dem Zeitpunkt auch noch nicht besonders bekannt, meint Hvížďala:

„Mit Václav Klaus war das im Jahre 1991. Da war er auch noch nicht sonderlich bekannt. Václav Havel habe ich schon im Jahre 1985 interviewt. Da kannte ihn überhaupt niemand. Ich fahre also fort in derselben Tradition und für mich ist es durchaus nicht pikant, dass ich nach Klaus ein Gespräch mit Švejnar mache. Ein Journalist soll informieren, und das habe ich mit diesem Buch versucht.“

Im Gespräch mit Karel Hvížďala erläutert Jan Švejnar auf 112 Seiten seine Meinungen zur Entwicklung Tschechiens nach 1989, weist auf die Unterschiede zu Vaclav Klaus hin und macht deutlich, warum er sich zur Kandidatur entschieden hat. Das Ungewöhnliche an diesem Buch mit dem Titel „Wohin schreitest Du, Tschechien?“ beschreibt Präsidentschaftskandidat Švejnar selbst:

„Wenn ich einen wissenschaftlichen Aufsatz schreibe, dann dauert das so ungefähr ein Jahr. Ein ganzes Buch sogar mehrere Jahre. Hier also ein Buch vor mir zu haben, das innerhalb von zehn Tagen entstanden ist, das ist ein absoluter Rekord, den ich mir eigentlich noch immer nicht ganz bewusst gemacht habe. Das war möglich dank Karel Hvížďala, der fähig ist, sich mit einem hinzusetzen und alles aus einem herauszuholen. Und zwar auch aus den verborgensten Winkeln. Er destilliert aus Ihnen das Wesentliche heraus. Das ist eine Kunst, die ihresgleichen sucht.“