Spezial – Gerangel um die Präsidentschaftswahl

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Wie jede Woche an dieser Stelle der Medienspiegel. Natürlich steht die Präsidentschaftswahl im Brennpunkt, denn über sie ist ein heftiger Parteienstreit entbrand. Schon beim Procedere können die Parteien keinen gemeinsamen Nenner finden. Christian Rühmkorf hat aus diesem Anlass einen genaueren Blick in die Kommentarspalten der Tageszeitungen geworfen.

In den Tageszeitungen schwirren dieser Tage viele offene Fragen durch die Kommentarspalten. Dazu gehört vor allem die grundsätzliche Frage, wer eigentlich der bessere Präsident wäre, Amtsinhaber Václav Klaus oder Herausforderer Jan Švejnar. Die andere heiße Frage – unbeantwortet bis zum Wahltag – lautet: Wird das Parlament eine geheime oder eine offene Wahl veranstalten? Der Chefredakteur der Zeitung „Mladá fronta Dnes“, Robert Čásenský, spricht beide Fragen an. Unter dem Titel „Wer ist auf die Burg zu empfehlen“ erinnert er an die amerikanische Tradition, dass bedeutende Tageszeitungen bei der Präsidentschaftswahl den Lesern empfehlen, wen sie wählen sollen. Wen soll die„Mladá fronta Dnes“ bei der bevorstehenden Wahl des tschechischen Staatsoberhauptes empfehlen, fragt sich der Chefredakteur. Er sieht jedoch bei der Diskussion ein grundlegendes Problem:

Václav Klaus  (Foto: ČTK)
„In Tschechien wird der Präsident nur von 281 Parlamentariern gewählt. Diese haben für Parteien kandidiert, die schon seit Jahren versprechen, die direkte Wahl des Staatsoberhauptes durchzusetzen. Dieses Versprechen wurde jedoch nie erfüllt. Die wirkliche Motivation der Parlamentarier bei der Abstimmung muss nicht gerade das Interesse sein, den geeigneten Mann zu wählen. Die Bewertung der wirklichen Qualität der Kandidaten ist eigentlich kaum entscheidend. Die Parlamentarier konnten sich bisher nicht einmal darauf einigen, ob sie den Präsidenten geheim oder öffentlich wählen werden. Ein einfaches Rezept, wie diese Streitigkeiten zu vermeiden wären, ist die direkte Wahl. Sämtliche Argumente gegen ihre Einführung sind schwach. Das einzig relevante Argument gegen sie besteht darin, dass die direkte Wahl in Tschechien keine Tradition hat.“

Robert Čásenský kommt also für seine Zeitung zu dem Schluss:

„Die Redaktion der Mladá fronta Dnes wird diesmal keinen geeigneten Kandidaten für das Präsidentenamt empfehlen, da sie das unter den bestehenden Umständen nicht für sinnvoll hält. Wenn das nächste Mal hoffentlich die Bürger den Präsidenten wählen werden, dann wird die Zeitung eine solche Empfehlung bestimmt aussprechen.“

Die Tageszeitung „Právo“ spricht auch keine direkte Wahl-Empfehlung aus. Sie befasst sich aber mit der Rolle des Herausforderers Jan Švejnar. Unter dem Titel „Švejnar ist die Ikone der Unzufriedenen“, urteilt der Kommentator der Tageszeitung „Právo“, Alexandr Mitrofanov:

Jan Švejnar  (Foto: ČTK)
„Der Präsidentschaftskandidat Jan Svejnar hat die unbesetzte Rolle des Messias übernommen, der Veränderung predigt. Es hat sich gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die mit solch einer Hoffnung leben. Sie haben sich nur nicht zu Wort gemeldet, da sie keinen geeigneten Kandidaten hatten.“

Soweit der Kommentar der Tageszeitung Právo. Ganz nach dem Motto „Wahltag ist Chefsache“ meldet sich auch in der „Lidové noviny“ der Chefredakteur zu Wort. Veselin Vačkov, betont in seinem Kommentar, dass das Blatt sich bereits am 18. Januar für offene Wahlen ausgesprochen hat und fährt fort:

„Unsere Meinung ändern wir nicht. Wegen der hysterischen politischen Streitigkeiten ist es aber nötig, noch vieles hinzuzufügen. Es ist offenkundig, dass die Neigungen der Parteien zur offenen oder zur geheimen Wahl absolut auf ihre eigenen Interessen ausgerichtet sind. Wir sollten darin keine Grundsätze suchen, es geht rein um taktisches Gezänk. Das Kleben der Bürgerdemokraten an der geheimen Wahl wird nicht von der Achtung vor der Tradition und der Sorge um die Freiheit der Wahl bestimmt, sondern ist Teil des Plans, der darauf ausgelegt ist, Stimmen aus dem linken Wählerspektrum zu ´kaufen´. Aber auch Jiri Paroubek ist um keinen Deut demokratischer als Mirek Topolanek. Er möchte nur den Plan seines Rivalen durchkreuzen. Und zusammen mit Martin Bursik hat er diese Falle aufgestellt, in die der Chef der Bürgerdemokraten, der zwischen Tennis und den echten Pflichten des Premier hin und her fliegt, hineingestolpert ist.“

So beurteilt der Chefredakteur der„Lidové noviny“ Veselin Vačkov das Handeln der Parteichefs und schließt daraus:

„Ein Ergebnis, das aus geheimen Wahlen hervorgeht, vertieft das Misstrauen und den Hass nur noch mehr. Innerhalb der Parteien und zwischen ihnen.“


Premier Mirek Topolánek  (Foto: ČTK)
Soweit die aktuellsten Kommentare zur laufenden Präsidentschaftswahl. Werfen wir nun noch einen kurzen Blick zurück. Schon zu Beginn der Woche haben sich die Kommentatoren mit dem Auftritt der Chefs aller Parlamentsparteien in der politischen Diskussionsrunde des Tschechischen Fernsehens am Sonntag befasst. Vor allem Premier Mirek Topolánek hat Aufsehen erregt. Zum einen dadurch, dass er mitten in der Sendung das Studio verließ, um mit Höchstgeschwindigkeit zum Tennis-Federation-Cup nach Brünn zu fahren. Zum anderen erregte er die Gemüter durch seine Verdächtigung, dass die Finanzierung der Wahlkampagne von Jan Svejnar undurchsichtig sei, weil eine enge, korruptionsfördernde Verbindung zur Tschechoslowakischen Handelbank CSOB bestehe, in deren Vorstand Svejnar sitzt. Gefragt nach Beweisen, sagte der Premier, er müsse sich weder erklären noch seine Meinung belegen. Das sieht der Kommentator der „Lidové noviny“, Lukáš Dolanský anders:

Foto: Europäische Kommission
„Eine erschreckende Argumentation. Wir haben an der Spitze der Regierung einen Premier, der seltsame Sitten pflegt: Ich beschuldige irgendjemanden irgendetwas getan zu haben, ohne auch nur einen Beweis vorzulegen. Arroganz und Ignoranz. Aber damit noch nicht genug. Nachdem er diese Worte gesprochen hatte, setze sich Topolanek in Prag in seine Limousine und gab seinem Fahrer den Befehl: In einer Stunde will ich in Brünn beim Tennis sein. (...) Wir haben einen Premier, einen Mann, den es fünf Tage vor der Präsidentschaftswahl mehr interessiert zum Tennis zu fahren, als der Öffentlichkeit zu erläutern, wie es um die politische Situation bestellt ist.“

Der Kommentator der „Mladá fronta Dnes“, Viliam Burchert, befasst sich mit den künftigen Präsidentschaftswahlen und bezweifelt, dass das Volk 2013 den Präsidenten direkt wählen darf:

„Die Politiker werden sich über andere Reformschritte streiten und vielleicht fällt die Frage der Direktwahl wieder ganz unter den Tisch. Falls nicht, dann werden Experten befragt, und man wird bereit sein sich zu treffen, wie es der Vorsitzende der Kommunisten, Vojtěch Filip, ausdrückte. Sicher. Aber ob im Jahr 2013 das Volk selbst den Präsidenten wählen wird, ist angesichts der Widersprüche auf der politischen Bühne weiterhin unsicher. Denn welches Mandat sollte ein direkt Gewählter bekommen? Müsste nicht seine Machtbefugnis geändert werden? Nicht einmal darüber ist man sich einig.“