Gericht macht Naziaufmarsch im ehemaligen jüdischen Viertel Prags möglich
Zweimal hat der Prager Magistrat den Aufmarsch von Neonazis im ehemaligen jüdischen Viertel am 10. November verboten. Zweimal hat das Prager Stadtgericht das Verbot wieder aufgehoben. Wie es dazu gekommen ist und wie man bei der jüdischen Gemeinde darauf reagiert, dazu nun der folgende Bericht.
Den Aufmarsch hat die rechtsradikale Organisation "Junge Nationaldemokraten" offiziell als Protest gegen die Anwesenheit tschechischer Truppen im Irak angemeldet. Ganz eindeutig ist das aber nur ein Vorwand, so urteilt die jüdische Gemeinde in Prag und so sehen dies auch die Stadträte. Denn die Aktion ist für den 10. November geplant, also den Tag, an dem in den Synagogen an den größten Judenpogrom Hitler-Deutschlands gedacht wird.
"Wir werden alles tun, damit der Aufmarsch der Neonazis zur so genannten Reichskristallnacht nicht stattfindet", kündigte der Sprecher des Prager Magistrats, Jiri Wolf, am Dienstag an.
Doch bei der Wahl ihrer Möglichkeiten haben sich die Stadtoberen wohl verschätzt. Beim Verbot des Neonazi-Umzugs argumentierten sie mit dem wahrscheinlichen Anlass der Veranstaltung. Das Prager Stadtgericht befand aber, dass der Magistrat nur das beurteilen darf, was tatsächlich angekündigt wurde - ob also die Demonstration gegen die Besetzung des Iraks erlaubt werden kann. Die Prager Stadträte erwägen nun, dieses Urteil anzufechten:
"Zuallererst kommt dabei eine Beschwerde bei der höchsten richterlichen Instanz in Frage", so Pressesprecher Jiri Wolf zu den Möglichkeiten des weiteren Vorgehens.
Äußerst aufgebracht über die Lage sind jüdische Organisationen. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Prag, Frantisek Banyai, kündigte im Tschechischen Fernsehen an:
"Normalerweise würden wir wahrscheinlich nur in den Synagogen beten. Nun ist es aber nötig zu zeigen, dass wir mit dem Aufmarsch absolut nicht einverstanden sind."
Am Mittwochmittag entschied die jüdische Gemeinde über die Form ihres Protestes gegen die Neonazis. Praktisch zeitgleich mit dem Aufmarsch der Rechtsradikalen soll am 10. November in der Altneusynagoge eine Versammlung zum Gedenken an die Pogromnacht im Jahr 1938 stattfinden. Um für die Sicherheit der Teilnehmer an dem Gedenkakt zu sorgen, ist die Jüdische Gemeinde laut Banyai sogar bereit, den Zug der Neonazis aufzuhalten. Genau dies hat auch bereits die Jüdische liberale Union angekündigt. Sie ruft Antifaschisten zu einer Gegendemonstration auf und wendet sich laut einem Pressekommunique dabei vor allem an junge Leute, Sportler und Soldaten.
Beobachter unken, dass in dieser Konstellation Straßenschlachten drohen - und das im ehemaligen jüdischen Viertel und ausgerechnet zum Gedenken an die Novemberpogrome der Nazis. Für den der Prager Magistrat stellt sich die Frage: Was tun, wenn die gerichtliche Beschwerde zu langsam vorankommt? Im diesem Fall, so heißt es, wolle man den Neonazi-Aufmarsch entweder kurz vor Beginn ein drittes Mal verbieten. Und als äußerstes Mittel sei die Polizei bereit, bei jeglichem Anzeichen verbotener antisemitischer, rassistischer oder ähnlicher Äußerungen die Veranstaltung aufzulösen.