Historiker Dusan Trestik gestorben - ein Nachruf

Dusan Trestik (Foto: CTK)

Am Donnerstag, den 23. August 2007, hat die tschechische Nachrichtenagentur CTK eine traurige Nachricht gebracht: Im Alter von 74 Jahren ist einer der führenden Historiker Tschechiens, Dusan Trestik, nach einer kurzen Krankheit gestorben. Der international anerkannte Experte für tschechische und europäische früh- und hochmittelalterliche Geschichte hat sich aber auch in seinen regelmäßigen Pressekommentaren und gelegentlichen Rundfunk- und Fernsehinterviews zu aktuellen Themen der Gegenwart geäußert. Zu Gast war er auch bei Radio Prag.

Dusan Trestik  (Foto: CTK)
Dusan Trestik galt allgemein als hoch gebildeter Geschichtenerzähler, der als Buchautor großen Wert auf die Resonanz seiner Leser und des Publikums legte. Bekannt ist sein beliebter Satz: "Die Geschichte kann man nicht für seine Kollegen im Büro schreiben." Der studierte Historiker, geboren 1933 in Teplice / Teplitz, arbeitete seit 1958 im Historischen Institut der Tschechoslowakischen und später Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Allerdings erst nach dem Wendejahr 1989 konnte er als unabhängiger Intellektueller publizieren und öffentlich auftreten.

Die Liste seiner Publikationen, in denen er in ungewöhnlichen Details und zugleich in großer Komplexität die Schlüsselmomente der Entstehung und Entwicklung der tschechischen Gesellschaft beleuchtet hatte, ist lang. Das Adjektiv "tschechisch", das Synonym für national also, bedeutete für Trestik aber keine Grenze. Die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit stellte er konsequent in einen europäischen Kontext. Eines seiner Themen war auch das tschechisch-deutsche Verhältnis. Dazu sagte er am 8. August 2003 in einem Interview, das Radio Prag mit ihm aus Anlass seines 70. Geburtstages führte:

"Die deutsch-tschechische Deklaration war das Vernünftige, das man machen konnte. Ansonsten hat natürlich jede Gesellschaft ihre Traumata. Unser Trauma ist das Münchener Abkommen, das deutsche Trauma ist der Holocaust. Wir haben noch nicht gelernt, mit diesen Traumata umzugehen. Mein polnischer Kollege Bronislaw Geremek, auch ein Mediävist, hat dazu aufgerufen, dass wir uns in Europa darauf einigen, dass wir uns alle alles gegenseitig vergeben. Das könnte funktionieren."

Zu den tschechisch-deutschen Beziehungen hat sich Trestik des Öfteren in verschiedenen Zusammenhängen geäußert. Bei der Aufarbeitung der Vergangenheit sah er die Deutschen im Vergleich zu seinen eigenen Landsleuten weit voraus: Hier ein Zitat: "Die Deutschen haben es geschafft, dass das Leugnen des Holocausts nicht nur strafbar, sondern auch ungehörig ist."

Die Zeit, in der jeder jedem in Europa vergibt, ist noch nicht in Sicht, aber fest steht leider, dass sie der am 23. August 2007 verstorbene Historiker Dusan Trestik nicht mehr erleben wird.