Keine Fragen offen: Spejbl und Hurvinek gehören "ihrem" Theater
Neben dem Golem und dem kleinen Maulwurf sind sie wahrscheinlich die berühmtesten von Menschen geschaffenen Figuren aus Prag: die Holzmarionetten Spejbl und Hurvinek. Da die beiden Püppchen sehr gut deutsch sprechen, haben sie auch in Deutschland und Österreich eine große Fangemeinde - und das nicht nur unter Kindern. Wem aber steht eigentlich Geld aus der Vermarktung von Spejbl und Hurvinek zu? Diese Frage wurde nach einem neun Jahre langen Urheberrechtsstreit vor wenigen Tagen vom Obersten Gericht endgültig beantwortet.
"Hurvinek, du hast immer so blöde Fragen gestellt. Kannst du einmal im Leben eine kluge stellen?"
"Natürlich, Vatilein!"
"Na also?"
"Wann ist das tote Meer gestorben? - Ha-ha!"
Hurvinek und sein Vater Spejbl waren das - exklusiv ins Mikrofon von Radio Prag geblödelt. Während der letzten neun Jahre aber quälte die beiden Holzmarionetten eine weit ernsthaftere Frage als die, wann das tote Meer gestorben ist: nämlich die Frage, wem sie eigentlich gehören.
Rückblick: Im Jahr 1920 erblickt Vater Spejbl das Licht der Welt. Riesige abstehende Ohren, große Kulleraugen und ein Frack, der bis zum Boden reicht - so kennen ihn seither Generationen von Kindern und Erwachsenen. Sechs Jahre später bekommt Spejbl einen Sohn: Hurvinek ist geboren. 1930 schließlich gründet der Puppenspieler Josef Skupa das Theater Spejbl und Hurvinek, das von nun an die Heimstätte des weltberühmten Holzduos ist.
Als Skupa im Jahr 1956 starb, ging sein Nachlass zunächst an seine Frau über und endete über Umwege bei einer weiter entfernten Verwandten, die das Erbe schließlich der Anstalt für Sozialdienste im westböhmischen Plzen / Pilsen vermachte. Die Leitung des Theaters selbst aber hatte Skupa bereits zu Lebzeiten seinem Nachfolger übergeben.
Etwa hier liegt auch schon der Kern des Problems. Die Pilsner Anstalt für Sozialdienste sah sich nämlich als rechtmäßigen Erben von Spejbl und Hurvinek und forderte vom Theater einen Teil der Einnahmen, die mit den Holzpüppchen erzielt werden.Ein langjähriger Rechtsstreit inklusive Gang durch alle Instanzen war die Folge. Im Frühjahr 2006 entschied schließlich das Obere Gericht in Prag: Spejbl und Hurvinek gehören dem gleichnamigen Theater. Die Anstalt für Sozialdienste legte zwar noch beim Obersten Gericht Beschwerde ein, blieb jedoch ohne Erfolg. Nach neun Jahren ist das Urteil somit rechtskräftig, wie Gerichtssprecher Petr Knötig vergangene Woche bestätigte:
"Das Oberste Gericht hat die Beschwerde der Pilsner Anstalt für Sozialdienste behandelt und schließlich als unzulässig abgewiesen. Es konnten keine rechtlichen Gründe für diese Beschwerde gefunden werden. Das heißt, dass das Urteil des Oberen Gerichts in Prag gültig ist, und gegen diese Entscheidung gibt es kein Rechtsmittel mehr."
Für die Entscheidung ausschlaggebend waren die Umstände, unter denen Spejbl und Hurvinek in den zwanziger Jahren zur Welt kamen. Die ursprüngliche Idee stammt zwar vom späteren Theatergründer Josef Skupa, der auch eine Skizze für Vater Spejbl angefertigt hat, doch die Dinge entwickelten ihr Eigenleben. Als der fertige Spejbl schließlich aus der Werkstatt der Holzschnitzer kam, hatte er mit der Zeichnung Skupas überhaupt keine Ähnlichkeit mehr, argumentierte der Anwalt des Theaters. Auch die Namen Spejbl und Hurvinek erfanden andere Mitarbeiter - eine Tatsache, die Skupa diesen selbst mit einem Diplom bestätigt hatte. Daher das Urteil: Weder die Holzpuppen noch deren Namen waren Teil von Skupas Nachlass.Für Helena Stachova, die heutige Direktorin des Theaters, gehen nun lange Jahre der Unsicherheit zu Ende:
"Das ist eine große Erleichterung. Auch wenn wir alle erforderlichen Unterlagen in der Hand hatten, auch wenn nach dem Martyrium der vorangegangenen Verhandlungen immer wir Recht bekommen haben - solange die Angelegenheit bei Gericht liegt, hat man doch Angst. Ich wusste ja nicht, ob die Sache so ausgeht, wie ich mir das wünsche - oder wie wir alle uns das wünschten, die Hurvinek gerne haben."
Das Theater konnte zwar während der gesamten Prozesszeit den Betrieb aufrechterhalten, einige Vorhaben, wie zum Beispiel ein Filmprojekt, mussten jedoch auf Eis gelegt werden, so Stachova.
"Vor allem kam mir die ganze Sache teuer zu stehen. Über Geld möchte ich eigentlich gar nicht mehr reden. Den Prozess musste auf unserer Seite ich finanzieren, denn die Rechte an den Figuren waren auf mich geschrieben - auch wenn ich sie dem Theater zum symbolischen Preis von einer Krone überlassen habe. Mir ging es aber darum, dass Spejbl und Hurvinek bei uns bleiben. Das ist meiner Meinung nach das wichtigste."
Vladimir Chuchler, der Direktor der Pilsner Anstalt für Sozialdienste, kommentierte das Urteil nur kurz:
"Es handelt sich um eine Entscheidung des Obersten Gerichts, und in dieser Republik ist das Gericht unabhängig. Also nehmen wir die Entscheidung zur Kenntnis", so Chuchler.
Geht es schließlich nach den beiden hölzernen Hauptfiguren dieser Angelegenheit, dann hatte auch der neunjährige Gerichtsstreit letzen Endes irgendwo seinen Sinn. Vorhang auf für Spejbl und Hurvinek.
"Hurvinek, ich weiß so viel, dass ich weiß, dass alles auf der Welt einen Sinn hat."
"Auch Unsinn?"
"Auch Unsinn!"
"Was?"
"Einige Dinge bekommen sogar dank des Unsinns einen Sinn."
"Wie das?"
"Wie könnte ich das... ah ja! Vor einer Weile sprach ich über das Parlament. Das stimmt, sagen wir mal, über ein irgendein sinnloses Gesetz ab. Verstehst du?"
"Das nun gerade nicht."
"Na, da bist du nicht der einzige."
"Aber ansonsten begreife ich."
"Und weil dieses Gesetz einen Sinn vermissen lässt, wird für es gleich ein neues Gesetz herausgegeben, das das vorausgegangene aufhebt oder korrigiert."
"Das hat also einen Sinn?"
"Als Gesetz an sich würde es keinen haben. Es erhält ihn erst im Zusammenhang mit dem sinnlosen. So entsteht dank des Unsinns eine Sache, die Sinn hat."
"Schön und gut. Aber: Wenn dieser Unsinn schließlich doch Sinn hat, dann hört er auf, Unsinn zu sein, Vati!"
"Wenn ich so denke... eigentlich... wenn man es so nimmt, dann ja."
"Demzufolge gibt es keinen Unsinn."
"Lausbub! Ich hab schon einmal gesagt, dass alles auf der Welt einen Sinn hat!"