Deutsche Fernsehproduktionen in Prag: Klappe für "ein starkes Team"

Set am Hauptbahnhof

Prag gilt mit den Barrandov-Studios und seinen historischen Kulissen der Altstadt als "Hollywood an der Moldau". Nach vielen großen Kinofilmen, die hier entstanden, zog es jetzt eine deutsche Fernsehproduktion zu den schönsten Plätzen der Metropole.

Prager Hauptbahnhof
Der Bösewicht tritt auf seiner Flucht vor den Kommissaren ein Fenster aus dem stehenden Zug, landet auf dem Bahnsteig des Prager Hauptbahnhofs und macht sich erst einmal davon - wenige Filmsekunden, für die das Fernsehteam viele Stunden vor Ort sein muss. In drei Sprachen findet der Dreh der ZDF-Samstagabendreihe "Ein starkes Team" statt. Michael Lott, der den flüchtigen Gauner spielt, ist zum ersten Mal dabei und versichert, privat keine Kontakte zum organisierten Verbrechen zu haben. Für seine Rolle als Handlanger der russischen Mafia orientiere er sich hauptsächlich an anderen Filmen mit ähnlicher Thematik.

"Man ist durch den ´Paten´ und all diese Filme natürlich geprägt. Und ich behaupte, dass sogar die echten Mafiosi so spielen wie Marlon Brando. Man bleibt als Schauspieler zwar bei sich und erfindet eine eigene Figur mit einer eigenen Geschichte, aber man wird immer wieder Teile der Coppola-Trilogie in allen Filmen wieder erkennen. Das ist auch Thema in unserem Film: das Zusammenspiel aus Angst, Geld, Zusammenhalt und dem Wissen, dass es Konsequenzen hat, wenn man redet. Und das funktioniert."

Durch die klassische Krimistruktur konnte man die Handlung auch relativ ungezwungen nach Prag verlegen, ohne das Genre zu verlassen. Redakteur Günter van Endert nennt als Vorbild beim "starken Team" die britische Erzählweise des "Who done it", auf Deutsch: Wer war es?

"Die Krimis, die erzählt werden, sind ja fast immer Who done its. Es passiert relativ früh ein Verbrechen, und die Frage ist dann über neunzig Minuten: Wird das Verbrechen aufgeklärt? Wobei wir nicht erzählen, dass das starke Team nach Prag reist und mal eben die russische Mafia fertig macht. Sondern am Schluss ist klar: Man hat diese eine Gruppe außer Gefecht gesetzt, aber damit keinen entscheidenden Schlag gegen das organisierte Verbrechen getan. So großmäulig würden wir das nicht erzählen."

Vor allem betont Endert, dass man bei der Produktion das heutige Prag zeigen und keine Stereotypen vom kriminellen Osten thematisieren wolle.

"Man kann nicht hierher kommen und Klischees bedienen. So nach dem Motto: Die Polizei ist korrupt, ganz Prag besteht aus Mafia - sozusagen mit deutscher Arroganz sagen: Ihr verdammten korrupten Osteuropäer. Das wäre falsch. Man muss da differenziert herangehen, ohne aber die populären Qualitäten des Genres zu verraten."

Klischees vermeiden und die tschechische Polizei möglichst realitätsnah zeigen wollte auch Regisseur Thorsten Näter. Er erklärt, dass man dazu unter anderem echte Polizeibeamte für den Dreh engagiert habe.

"Noch bevor ich die erste Drehbuchfassung geschrieben habe, war ich hier, um mich mit einem Kriminalisten zu treffen und mich mit ihm sehr genau zu unterhalten. Dadurch entsteht - abgesehen von Fachwissen, das vermittelt wird - eine große Sympathie für die hiesige Polizei. Wir wollen erzählen, dass es wie bei uns schwarze Schafe gibt. Nur grundsätzlich wollten wir auf keinen Fall ein schlechtes Bild der Stadt und der Polizei abgeben. Das wäre einfach nicht richtig."

Die Mafia in Prag benötigt man für die Handlung der Folge als Gegner, um den Ortswechsel der Kommissare zu erklären. Einmal in Prag angekommen, arbeiten das "starke Team" aus Verena und Otto eng mit den tschechischen Polizeibeamten zusammen, um ihren Fall zu lösen. Auch das ZDF-Team erhält tatkräftige Hilfe von seinen tschechischen Kollegen. Filip Hering, der Chef der Produktionsfirma Wilmafilm hilft seit der Gründung seines Betriebs vor acht Jahren bei deutschen Filmproduktionen. Wilmafilm hilft beim Casting, Genehmigung von Motiven und Drehorten, der Zusammenstellung des Teams und dem Bau von Locations bis zur Anmietung von Fahrzeugen und Technik. Filip Hering besitzt nach vielen Jahren in Deutschland die nötige Erfahrung, um dem ortsfremden Produktionsteam wertvolle Tipps zu geben. Er arbeitet gerne in seiner Heimatstadt.

"Ich bin gebürtiger Prager. Mit 23 Jahren bin ich nach Deutschland geflüchtet, als hier noch der tiefste Kommunismus war. Mein erster Job beim Film war Fahrer bei einer Tatort-Produktion mit Götz George als Schimanski, wo ich gleich am ersten Tag auf der Leopoldstraße mit ihm einen Unfall baute. Dann habe ich in 20 Jahren bis hin zum Produktionsleiter alle Stationen des Films durchgemacht. Alles, was ich vom Film weiß, habe ich in Deutschland gelernt."

Die historischen Kulissen und die vergleichsweise geringen Personalkosten zogen schon früher Filmemacher nach Prag. "Die große Freiheit Nr. 7" spielt im Hamburger Hafen, wurde aber 1944 von Regisseur Helmut Käutner in den Prager Barrandov-Ateliers gedreht. Auch deshalb, weil sich in Deutschland die Bombenangriffe häuften. Später entstanden in Prag international erfolgreiche Filme wie "Amadeus" von Milos Forman und zuletzt einige actionreiche Hollywoodstreifen. Darunter der neueste James-Bond Film "Casino Royale", der teilweise sogar in Prag spielt.

Die Produktion der 38. Folge von "Ein starkes Team" war mit 24 Drehtagen weit weniger aufwendig als ein Hollywood-Blockbuster. Dennoch nahm sich Regisseur Thorsten Näter vor sehr viel Zeit, um geeignete Kulissen zu finden.

"Ich hatte von vorneherein Motive gesucht habe, die einen Krimi befördern: Plattenbausiedlungen in Ruzyne, eine alte Fabrik, ein Sielmuseum. Alles Orte, an denen man Verfolgungsjagden und Schießereien drehen kann. Aber natürlich auch Orte, die unser Publikum erwartet, wenn es hört, es wird eine Folge in Prag gedreht. Eine der Geschichten, die ich am meisten liebe, ist folgende: Unsere Leute gehen aus der Fabrik, in der sie gefangen sind, in die Kanalisation und tauchen plötzlich mitten auf dem Altstädter Ring auf, wo sie mitten unter den Touristen stehen."

Bei Szenen, die in der Altstadt oder auf der Karlsbrücke spielen, hat man darauf verzichtet, den Drehort abzusperren und Komparsen anzuheuern. Regisseur und Produzent schwärmen von der dadurch geschaffenen authentischen Prager Atmosphäre. Auch sprechen in der Folge die Tschechen untereinander nicht gebrochenes Deutsch, sondern Tschechisch. Für das dokumentarische Drehen in der Altstadt kennt Produktionshelfer Filip Hering allerdings einen weiteren Grund:

"In dem Moment, in dem man auf der Karlsbrücke ein Stativ mit Kamera auf den Boden stellt, zahlt man 250.000 Kronen. Es gibt aber eine Lücke im Gesetz und die sagt: Wenn man die Kamera auf die Schulter nimmt und kein Licht, keine Schiene und kein Kabel verwendet, man keine Gebühr zahlen muss."

Im Gegensatz zu manchen Filmen, die zwar hier entstehen, aber ganz woanders spielen, soll Prag beim "starken Team" als moderne Metropole dargestellt werden. Regisseur Näter erklärt, dass man die vorhandenen Kulissen nutzen und damit sparen konnte. Für den Dreh gebaut habe man nur die Polizeistation. Und das aus ästhetischen Gründen, verrät Näter.

"Der Polizist als solcher schreibt eigentlich den ganzen Tag Berichte, das heißt, Polizeistationen bestehen meistens bis auf einen Wachtresen nur aus kleinen Kabuffs, in denen einzelne Beamte am Computer sitzen - und das ist für einen Film nie sehr attraktiv."

Die Folge "Mit aller Macht" gibt es für die Fans des "starken Teams" erst Anfang 2008 zu sehen. Bis dahin findet die Nachbearbeitung der Aufnahmen in Deutschland statt. Über weitere Folgen im Ausland wollte man nicht spekulieren, allerdings schwärmte das Team von seinem Ausflug nach Prag. Besonders Michael Lott zeigte sich, ganz außerhalb seiner Verbrecherrolle, berührt von der Schönheit der Filmmetropole:

"Also, wer diese Stadt nicht schön findet oder wessen Herz hier in Prag nicht aufgeht, der hat ein Herz aus Stein."