Wie geleckt: Briefmarkenschönheiten im Prager Postmuseum
Gezackte Schönheiten und preisgekrönte Marken aus der noch jungen Geschichte der Tschechischen Post zeigt derzeit in Prag in einer Sonderausstellung das Postmuseum in der historischen Vavra-Mühle. Bei Sammlern und Markenfreunden sind sie wegen ihrer sorgfältigen Gestaltung und einzigartiger Drucktechnik als ganz besondere Kleinode geschätzt.
Historische Briefmarken aus aller Herren Länder und allerhand Zugehöriges aus dem Postbetrieb beherbergt das kleine Postmuseum am Prager Moldauufer - ein Mekka für Philatelisten und Posthistoriker. Eine Sonderausstellung holt nun die Gegenwart ins Haus. Gezeigt werden die schönsten Marken der Tschechischen Post. Die ist erst 1993 mit der Trennung von der Slowakei entstanden. An hochwertigem Material war für Kuratorin Alena Reichova dennoch kein Mangel:
"Bis heute sind mehr als 500 Marken in einigen Dutzend Emissionen herausgekommen, und das in Stückzahlen, die von Zehntausenden bis in die Millionen reichen. Auf unserer Ausstellung können die Besucher nicht nur die Marken selbst sehen, sondern auch ihre Entstehung verfolgen. Wir zeigen die originalen künstlerischen Entwürfe, die Übertragung in Linienzeichnungen durch den Graveur und dann die Übertragung in den Stahlstich."
Von den Entwurfsskizzen bis zur detaillierten Ausarbeitung können die Besucher den Weg der Marken in die Welt nachverfolgen - alles anhand von Originalen, die nur selten aus dem Depositar geholt werden:
"Gerade die Originalentwürfe und die Linien-Zeichnungen stammen aus unseren Beständen im Postmuseum, und wir freuen uns, dass wir die Originale bei dieser Ausstellung den Besuchern präsentieren können, denn wir leihen sie nicht aus."
In gewisser Weise ist jeder Brief aus Tschechien eine Extrapost. Weltweit geschätzte Besonderheit der tschechischen Marken ist nämlich das qualitätsvolle und aufwendige Druckverfahren. Die von Hand gestochenen Entwürfe werden im Mehrfarb-Druck auf Stahlplatten vervielfältigt, erläutert Alena Reichova:
"Das ist inzwischen ein Unikat: Die Technologie ist sehr anspruchsvoll. Es handelt sich praktisch um Handarbeit, die große Präzision und Genauigkeit verlangt. Und das ist natürlich teuer. Die meisten Länder sind daher inzwischen auf den Offset-Druck umgestiegen."
Die gediegene Ausführung der Marken ist mehr als nur ein besonders exklusiver Sammler-Service der Tschechische Post, ist Kuratorin Reichova überzeugt. Dahinter stehen Geschichte und internationales Renommee der tschechischen und tschechoslowakischen Marken, eine Verpflichtung gegenüber der Tradition:
"Ich glaube, es geht dabei wirklich um eine Achtung der Tradition. Indem die Marken als mehrfarbige Stahlstiche entstehen, wird aus ihnen eigentlich ein kleines grafisches Blatt. Unter Sammlern auf der ganzen Welt haben tschechische Marken gerade wegen dieser Technik einen guten Ruf und werden bis heute hoch geachtet."
Die tschechischen Marken setzen damit die tschechoslowakische Briefmarkentradition fort. Für das nach dem Ersten Weltkrieg neu entstandene kleine Land waren die Postwertzeichen ein wichtiges Mittel der internationalen Repräsentation; bei den Markenentwürfen begegnen uns große Namen, erinnert Alena Reichova:
"Angefangen mit der Entstehung der Tschechoslowakei 1918 war die Gestaltung von Briefmarken seit jeher eine Prestigeangelegenheit für die führenden bildenden Künstler. So hat kein Geringerer als Alfons Mucha die erste tschechoslowakische Briefmarke mit der berühmten Ansicht des Hradschin geschaffen. Marken haben zum Beispiel auch Max Svabinsky, Karel Svolinsky oder Kamil Lhotak entworfen. Sie alle haben die Messlatte sehr hoch gelegt, und ich denke, die Tschechische Republik knüpft an diese Tradition ehrenvoll an, und das dank enger Zusammenarbeit zwischen Künstler, Graveur und Druckerei, weil die Fertigung praktisch in Manufakturen erfolgt."
Welche aber sind nun die schönsten Marken, die das Museum in seiner Sonderausstellung präsentiert? Die Auswahl ist immer schwer, gesteht Kuratorin Alena Reichova. Sie hat sich deshalb vor allem von nationalen und internationalen Auszeichnungen leiten lassen. Jedes Jahr lässt die Tschechische Post die Briefmarkenfreunde über die schönste Marke abstimmen, und auch international werden zahlreiche Preise vergeben. Dennoch:
"Die Auswahl ist natürlich immer auch eine subjektive Sache. Aber unter den international ausgezeichneten Marken würde ich etwa Umsetzung von Antonin Slaviceks Gemälde ´Herbst in Veltrusy´ nennen. Die Linienzeichnung dieser Marke ist ein Werk von Vaclav Fajt, einem unserer führenden Graveure. Die Marke hat nicht nur die tschechische Publikumskonkurrenz gewonnen, sondern auch den Grand Prix bei der Wiener Internationalen Postwertzeichen-Ausstellung WIPA 2002 und eine Auszeichnung bei der Internationalen Konferenz der Briefmarkendrucker in Krakau 2004."
Fast zu schade zum Anlecken und Abstempeln also. Das gilt auch für das persönliche Lieblingsstück von Alena Reichova. Danach gefragt, eilt sie schnurstracks in eine Ecke des historischen Ausstellungssalons in der Vavra-Mühle:
"Frantisek Kupka! Diese Marke ist 1998 in der Serie Kunstwerke auf Briefmarken herausgegeben worden. Abgebildet ist Kupkas Werk ´Amorphe zweifarbige Fuge´ aus dem Jahr 1912, heute im Besitz der Nationalgalerie. Kupka hat es zum ersten Mal auf dem Salon in Paris ausgestellt, wo es damals für enormes Aufsehen gesorgt hat. Kupka ist heute auch in der Galerie für moderne Kunst im Centre Pompidou in Paris vertreten und gilt als einer der Begründer der modernen abstrakten Kunst. Diese Marke schätze ich außerordentlich hoch. Die Umsetzung als Stich ist abermals ein Werk von Vaclav Fajt, und die Marke wurde zur internationalen Briefmarkenausstellung Praga 98 herausgeben."
Genau nach einem Jahrzehnt kehrt die Briefmarken-Weltausstellung im kommenden Jahr als Praga 2008 wieder in die tschechische Hauptstadt zurück. Schon das eine Garantie dafür, dass auch weiterhin besonders schöne Briefmarken aus Tschechien kommen. Die Sondermarken zur Weltausstellung sind bereits in Vorbereitung. Das Postmuseum wird dabei eine besondere Rolle spielen. Viteszlava Franckova, bei der Postdirektion für die Herausgabe der Marken zuständig, lüftete bereits ein Geheimnis:
"Auf der Marke wird eine Kutsche aus den Sammlungen unseres Postmuseums sein. Diese Briefmarke werden wir am 12. September herausgeben, also genau zu Beginn der Weltausstellung Praga 2008."
Daneben wird das Postmuseum in der alten Vavra-Mühle gewissermaßen selbst zur begehbaren Briefmarke. Denn nach genau zwanzig Jahren, so verrät Viteszlava Franckova, wird 2008 erneut eine Marke den historischen Wandmalereien von Josef Navratil aus dem frühen 19. Jahrhundert gewidmet, die die Salons des Museums schmücken:
"Die Sage von König Wenzel und der Baderstochter Susanna im Boot auf der Moldau - das ist das ausgewählte das Motiv aus dem Theatersalon im ersten Stock des Museums. Die Marke ist nicht nur als Werbung für die Briefmarken-Weltausstellung gedacht, sondern erinnert auch an den 90. Jahrestag der Gründung des Postmuseums in Prag."
Der Zauber der Briefmarke - es lohnt sich, ihn zu entdecken, da ist Alena Reichova ganz sicher. Ob im kommenden Jahr bei der Briefmarken-Weltausstellung und dem Jubiläum des Postmuseums in Prag, oder in der kommenden Woche daheim bei einem Blick in den Briefkasten:
"Schöne Briefmarken sprechen mich immer auf besondere Weise an, und ich glaube, auch in der heutigen Zeit von Telefon, E-Mail und Fax und Handy gilt noch: Wenn man einen Brief bekommt, und auf dem Umschlag ist eine schöne Marke, dann spricht das die Menschen an. Eine Briefmarke ist eine alltägliche Kleinigkeit, aber wenn sie gut gemacht ist, bringt sie ein Stück Schönheit ins alltägliche Leben."