So macht Völkerverständigung Spaß - Tschechische Kultur in Freiburg
Seit drei Jahren finden jeden Frühling tschechische Kulturtage in Freiburg im Breisgau statt. Lisa Adams besuchte das zweiwöchige Festival im Südwesten Deutschlands, das mit bunt gemischtem Veranstaltungsprogramm Kunst, Kultur und Musik aus Böhmen und Mähren vorgestellt hat.
Nordamerikanischer Blues - eine böhmische Band. "Stan The Man" mit seiner "Bohemian Blues Band" eröffneten in Freiburg im Breisgau die "Tschechischen Kulturtage". Die Musiker, die sonst jeden Montag und Dienstag in Prager Jazzkellern spielen, reisten die rund 670 Kilometer zur Freiburger Wodanhalle auf Einladung der Brücke/Most-Stiftung, die das Kulturfestival organisiert. Das Festival soll kein kommerzielles Ereignis, sondern eine Möglichkeit der Begegnung sein, erklärt der Geschäftsführer der Stiftung, Peter Baumann. Auch wenn das tschechische Programm für viele Freiburger neu ist, ist er davon überzeugt, dass man einige Klassiker in Deutschland schon kennt:
"Pan Tau und der kleine Krtecek gehören hier einfach zu deutschen Kinderherzen mit dazu. Der Krtecek gehört zu Deutschland und zur Sendung mit der Maus, und das Aha-Erlebnis kommt eher hinterher: Ach so, die sind aus der Tschechischen Republik"
Vor zehn Jahren begann die Stiftung mit der deutsch-tschechischen Projektarbeit in Dresden. Dort haben sich die Kulturtage mit Film, Theater, Kunst und Literatur inzwischen fest etabliert und sind jedes Jahr gut besucht. Von der sächsischen Landeshauptstadt sind es aber auch nur zwei Zugstunden nach Prag. In Freiburg hingegen muss manches Tschechische erst noch vorgestellt werden.
"In Dresden gibt es Altbewährtes: zum Beispiel Spejbl und Hurvinek, das kennt man hier in Freiburg gar nicht. Freiburg ist eine Universitätsstadt, 15 Kilometer von der französischen Grenze entfernt. Man ist also viel eher gewöhnt, über Frankreich zu erfahren. Es gibt afghanische Kulturtage oder eine schwule Filmwoche, aber Tschechien und Ost- und Mittelosteuropa waren hier bisher wenig vertreten."
Dafür, so Baumann, haben die Freiburger keine bestimmten Ansprüche, sondern treten der fremden Kultur völlig unbefangen entgegen. Mit Begeisterung aufgenommen wurde die ungewöhnliche Musik der Elektro-Pop-Rockgruppe "Elvis Gott Superstar", die in der Mensa auftrat. Im Namen der Band steckt eine Anspielung auf Schlagerstar Karel Gott, der dem Publikum sicher nicht unbekannt war. Mit ganz anderer Musik als der ihres Idols brachten die tschechischen Klangkünstler die Freiburger Studenten zum tanzen.
Musik gab es zudem von Michael Müller. Der tschechische Zitherspieler trat aber nicht nur auf, sondern bot auch Workshops an. Als ein weiterer Künstler präsentierte sich der Schriftsteller Jaromir Konecny. Er wollte die Zuschauer nicht nur mit Lesungen in seinem böhmisch-bayerischen Akzent belustigen. Schulklassen in Freiburg und Löffingen hatten zudem die Gelegenheit, von Konecny, der mehr als sechzig Dichterwettbewerbe gewonnen hat, Einführungen in die Kunst der Slam-Poetry zu erhalten. Schließlich soll man während den Kulturtagen nicht nur hören, schauen und staunen, sondern auch aktiv mitmachen können.
Zum Selber-Lernen gab es von der Brücke/Most-Stiftung Einführungskurse in die tschechische Sprache. Besuchern der Kulturtage, wie Sophie und David, scheint das interaktive Programm gefallen zu haben.
"Es ist natürlich etwas Anderes, wenn man in das Land selbst fährt. Aber in so einem Rahmen hat man eine gute Gelegenheit, ein Land erstmal kennen zu lernen.""Als Freiburger habe ich, vor allem da ich Halbtscheche bin, natürlich sämtliche Kulturaktivitäten der tschechischen Gemeinschaft mitbekommen. So eben auch die tschechischen Kulturtage. Das ist meist zuviel, um alles sehen zu können, aber großteils interessant und witzig organisiert."
Über dreißig sehr unterschiedliche Veranstaltungen fanden beim dritten Jahrgang der Kulturtage in Freiburg statt. Nach zehn Jahren Stiftungsarbeit weiß Peter Baumann, dass Klassiker genauso zu einem tschechischen Veranstaltungskalender gehören wie aktuelle Filmproduktionen aus dem Nachbarland und Ausstellungen zeitgenössischer Künstler.
"Svejk ist in diesem Jahr zum ersten Mal vertreten, und der kleine Maulwurf ist natürlich auch ein Klassiker. Unser Zielpublikum waren immer schon die Studenten. Und das spiegelt sich auch in der Programmzusammensetzung wieder."
Die kleine Überraschung für die Freiburger Studierenden war kulinarisch: Das Festivalprogramm reichte bis in ihre Mensa. Eine Woche lang wurde hier böhmische Küche serviert. Bei David und Sophie, die in diesem Zusammenhang bereits als Fachleute gelten dürften, hielt sich die Begeisterung allerdings in Grenzen:
"Wenn überhaupt, gibt es gutes tschechisches Essen nur von tschechischen Großmüttern."
"Vor allem Gulasch und Knödel und eventuell auch Smazeny syr. Der ist schon typisch tschechisch, aber ich weiß nicht, ob das von außen auch so gesehen wird."
Tschechische Großmütter habe man nicht engagieren können, gibt Peter Baumann zu. Und das kulinarische Programm sei auch noch verbesserungsfähig.
"Smazeny syr gibt es leider nicht, wir arbeiten aber vehement darauf hin, vielleicht beim fünften oder zehnten Jahrgang. Wir müssen den Köchen in der Mensa tatsächlich noch ein bisschen Hilfestellung geben. Wir helfen aus mit Rezepten, die wir selbst mitbringen. Aber die setzen ihren eigenen Kopf durch und präsentieren dann zum Beispiel "Karlsbader Schnitzel", das nichts mit echtem tschechischen Essen, schon gar nicht mit den Knödeln, zu tun hat."
Auf jeden Fall war das bunt gemischte Programm war ein voller Erfolg, etwa 2000 Besucher kamen zu den Veranstaltungen und begegneten der tschechischen Kultur mit Spaß und Spannung. Es wurde sich aber auch sehr ernsthaft mit der deutsch-tschechischen Geschichte auseinander gesetzt: Matej Spurny stellte in der Universität sein neuestes Buch "Lebensgeschichten aus dem Sudetenland" vor. Es geht um die sehr unterschiedlichen Biographien von Menschen, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg im tschechisch-deutschen Grenzgebiet lebten. Eine weitere Neuerscheinung, aus der gelesen wurde, war der Roman "City", den der erfolgreiche tschechische Autor Michal Hvorecky im Jos-Fritz-Café vorstellte. Insgesamt legte die Brücke/Most-Stiftung Wert darauf, junge und aktuelle Künstler vorzustellen, die man in Deutschland noch nicht so gut kennt.
"Wir bringen viele semiprofessionelle Künstler hier her. Freiburg ist schon ein bisschen alternativ, da muss ein entsprechendes Programm her."
Tschechische Literatur, Lebensart, Kunst und Musik soll es im nächsten Jahr wieder geben. Vielleicht erneut mit Künstlern, die man jetzt auch in Freiburg kennt. Stan the Man und seine Band haben in Tschechien längst Kultstatus. Und auch bei ihren Konzerten in Freiburg wurden sie um Zugabe gebeten.