Weblogs: neues Phänomen in der tschechischen Medienlandschaft
Die ersten digitalen Tagebücher, auch Weblogs genannt, sind als eine der vielen neuen Formen der Kommunikation und Information unter Angehörigen der so genannten Internet-Generation entstanden. Der immer größer werdenden Zahl mitteilungsbedürftiger Menschen können sich mittlerweile auch die klassischen Medien, die bislang praktisch ein Monopol bei der Verbreitung von Informationen hatten, nicht mehr entziehen.
Sie gehören heute fast zum "Muss" beim Internetauftritt jedes Mediums. Die Rede ist von den so genannten Weblogs, auf Deutsch Internet-Tagebüchern, in denen die Leser zu verschiedenen Themen debattieren und sich gegenseitig austauschen können. Dieses Phänomen der letzten Jahre ist auch in Tschechien bereits stark verbreitet. Einige Tageszeitungen bringen sogar schon ganze Seiten, auf denen sie die Einträge aus den Weblogs abdrucken.
Die angesehene Wochenzeitschrift "Respekt" hat als eines der ersten tschechischen Medien vor mehr als einem halben Jahr ihren Lesern die Möglichkeit gegeben, eigene Weblogs zu gründen und zu führen.
Lässt sich schon eine erste Bilanz ziehen, wie diese Initiative bei den Lesern von Respekt angekommen ist? Wie viele Profile von neuen Nutzern entstehen wöchentlich, wie viele sind davon auch nach einigen Wochen noch aktiv? Dazu der Leiter der Internet-Projekte bei "Respekt", Adam Javurek:
"Da die Wochenzeitschrift Respekt in gewisser Weise spezifisch ist und sich als Meinungsblatt profiliert, das gesellschaftliche Debatten anregen will und sich deshalb auch mit Themen befasst, die nicht leicht verdaulich sind, ist die Zahl der Eintragungen nicht dramatisch hoch. Zumal ja die Weblogs bei Respekt nicht den typischen Internet-Tagebüchern entsprechen, diemeistens sehr persönlich sind. Die Weblogs bei Respekt widmen sich oft sehr fachspezifischen Themen. Deshalb liegt die Zahl der wirklich aktiven Blogger irgendwo bei 100, wobei sich ungefähr 400 Nutzer registriert haben. Die meisten schreiben ihre Beiträge unregelmäßig oder haben das Ganze bereits aufgegeben. Unsere bisherige Bilanz ist sehr positiv, denn mit Hilfe der Weblogs ist es gelungen, an eine sehr attraktive Leserschicht heranzukommen, die im höchsten Maße interessant und in ihrem Fach äußerst studiert sind. Dort finden sich also Politologiestudenten neben Psychiatern oder Menschen, die im Ausland leben - in Südamerika oder Afrika. Und ihre Texte richten sich durchaus an eine anspruchsvollere Leserschaft. Neuerdings erscheinen jede Woche Auszüge aus den besten Einträgen in der Printausgabe von Respekt."
Warum hat sich Respekt seinerzeit gerade für diese publizistische Gattung entschieden? Ging es etwa darum, der Zeitschrift auf dieser Weise eine neue Leserschaft zu erschließen, die sie dann auch kaufen würden? Adam Javurek:"Die Grundidee war, dass jeder Leser in einem bestimmten Bereich Experte ist, weil er sich damit langfristig beschäftigt. Es wäre also schade, diese Fähigkeiten nicht zu nutzen und dem Leser nicht zu helfen, seine Erfahrungen und das Wissen über dieses Medium zu verbreiten. So etwas fehlte bislang in Tschechien, und Respekt ist eines jener Medien, in denen das Suchen nach solchen neuen Themen und Persönlichkeiten großen Sinn hat."
Daneben war noch ein weiterer Grund entscheidend, wie Adam Javurek zugibt: "Respekt" wollte auf diese Weise verhindern, dass die Zeitschrift in einem wichtigen Bereich, nämlich der Anwendung von modernen Kommunikationsformen und da vor allem dem Internet, gleich am Anfang die Entwicklung verschläft. Es ging also laut Adam Javurek darum, mit Hilfe von interaktiven Projekten auf der Homepage die Internetgeneration an die Zeitschrift heranzuführen.
Begonnen wurden die Weblogs Mitte der 90er Jahre als Kommunikationsplattformen für spezifische Gruppen, wie zum Beispiel Studenten oder Angehörige von Schulklassen. Dann entdeckten einige Politiker diese Kommunikationsmöglichkeit und setzten sie im Wahlkampf ein, in dem sie dann Tag für Tag ihre Eindrücke - etwa von Wahlkampfveranstaltungen - schilderten beziehungweise von ihren Mitarbeitern schildern ließen. Nun haben die Weblogs aber auch in den klassischen Medien, vor allem den Zeitungen, Einzug gehalten, womit die Tagebücher endgültig nicht mehr nur eine Angelegenheit für Computerfreaks sind, sondern Breitenwirkung erhielten. Wie wird die Entwicklung weiter gehen? Werden die Inhalte von Weblogs in naher Zukunft mehr als 50 Prozent des Inhalts von herkömmlichen Zeitungen bilden? Dazu sagt Adam Javurek von der Wochenzeitschrift "Respekt":
"Das würde ich persönlich nicht erwarten. Ich denke nicht, dass es so weit kommt und die Weblogs einmal die Medienszene beherrschen könnten. Der weitere Trend wird sehr eng mit der Fortentwicklung von Projekten zusammenhängen, die mit den Weblogs oder der so genannten Amateurisierung der Medien verbunden sind. In Amerika geht zum Beispiel der Trend jetzt in Richtung eines Journalismus, der auf dem gemeinsamen Aufbau von Datenbanken beruht. Das Potenzial der Weblogs scheint mir hingegen bereits ausgeschöpft zu sein. Ich denke nicht, dass sie noch stärker den Charakter der Medien beeinflussen werden. Aber die Zusammenarbeit von Lesern und Medien wird sich in jedem Fall verstärken. Im Zuge der weiteren technischen Entwicklung werden sicher immer neue Wege gefunden, um die Zusammenarbeit der Medien mit den Lesern zu vereinfachen und gemeinsam den Inhalt zu bilden."
Gegenwärtig ist es immer noch so, dass die Journalisten in den klassischen Medien ihren Lesern, Zuschauern oder Hörern die Welt zu erklären versuchen. Dabei sind die Medien gewissen ethischen Grundsätzen verpflichtet. Wenn es aber tatsächlich zu einer starken Dezentralisierung im Medienbereich kommen sollte, die Nachrichten also nicht mehr in einer klassischen Redaktion unter der Anwendung von elementaren journalistischen Methoden wie dem Recherchieren entstehen - wer garantiert dann die Objektivität der Informationen? Sind dann der gezielten Verbreitung von Falschmeldungen nicht Tür und Angel geöffnet? Dazu abschließend noch einmal den Leiter der Internet-Projekte bei der tschechischen Wochenzeitschrift "Respekt", Adam Javurek:
"Es gibt sogar so eine Art Bonmot, demnach der Journalismus früher eine Art Vortrag war; heute hat der Journalismus den Charakter einer Konversation. Der Dialog zwischen Leser und Medium, den es im Idealfall geben sollte, ist also ganz besonders wichtig. Natürlich sind damit auch gewisse Risiken verbunden, die mit der Richtigkeit der verbreiteten Meldungen zusammenhängen. Gerüchte, die wie seriöse Nachrichten aussehen, werden dann zweifellos einfacher ihren Weg zu den Lesern finden. Der Grund ist die Teilnahme von Amateur-Journalisten. Ich glaube aber nicht, dass das ein ertragbares Maß überschreiten wird. Die traditionellen Medien, die auf ihre internen journalistischen Kodices stolz sind, werden diese wohl nicht auf einmal über Bord werfen. Die Medien werden also weiterhin alle Informationen genau recherchieren, und das wird auch die starke Seite der herkömmlichen Medien bleiben. Zudem verlangt ein großer Teil der Bevölkerung geradezu, von den Medien einen Leitfaden zu erhalten. Die Texte von Weblogs sind für sie zwar etwas Neues und Erfrischendes, sie werden aber auf das klassische Medium nicht verzichten wollen. Ich denke also: Der klassische Journalismus wird nicht verloren gehen."