Bierhoff: Wir haben gezeigt, dass wir die Nummer eins in der Gruppe sind

Torsten Frings (rechts) und Milan Baros (Foto: CTK)

Viel war über das Spitzenspiel der EM-Qualifikationsgruppe D zwischen Tschechien und Deutschland im Vorfeld berichtet und geschrieben worden. Und die Ergebnisprognosen waren zumeist patriotisch gefärbt. Aber die Wahrheit liegt bekanntlich auf dem Platz, auf dem die deutsche Vertretung einen verdienten 2:1-Sieg landete. Dazu ein Nachbericht von Radio Prag.

In großen Lettern hatte die tschechische Presse ihre Vorschauberichte betitelt auf das EM-Qualifikationsspiel Tschechien gegen Deutschland, das am vergangenen Samstag in Prag ausgetragen wurde. Vom "Spiel des Jahres" oder von der "Schlacht mit Deutschland" war dabei die Rede. Sachlichere Vertreter der schreibenden Zunft schrieben dagegen vom "Spiel der Wahrheit" bzw. von einem Vergleich, der die derzeitige Leistungsstärke der tschechischen Nationalelf offen legen sollte. Die knapp 18.000 Zuschauer in der Toyota Arena konnten dann in der ersten Halbzeit miterleben, wie die Gäste dem Duell immer mehr ihren Stempel aufdrückten, und wie es in der 42. Minute zu dieser Szene kam:

Nach dem Kopfballtreffer von Kevin Kuranyi zum 0:1 konnte ich schon zu diesem Zeitpunkt konstatieren:

Kevin Kuranyi  (in der mitte,  Foto: CTK)

Als die DFB-Auwahl Mitte der zweiten Halbzeit wieder durch Kuranyi das zweite Tor erzielte, schienen alle Messen gelesen. Doch eine knappe Viertelstunde vor dem Abpfiff passierte dies:

Der glückliche Akteur, der den Schuss von Jan Polak unerreichbar für Jens Lehmann ins Tor abfälschte, war Stürmer Milan Baros. Auch wenn sich die Gastgeber danach noch gegen die drohende Niederlage aufbäumten, die deutsche Mannschaft brachte den Sieg verdient nach Hause:

Eine Einschätzung, die auch Philipp Lahm, der Rechtsverteidiger der Gäste, teilte: "Ich glaube, wir haben heute sehr gut gespielt und auch in der Abwehr sehr kompakt gestanden. Wir haben defensiv sehr wenig zugelassen, und von unserem Offensivspiel weiß man inzwischen, dass wir schnell auf Angriff umschalten können."

V.l.n.r.: Jan Polak,  Martin Jiranek,  Tomas Ujfalusi und David Rozehnal  (Foto: CTK)
Marek Jankulovski, sein Gegenüber auf der linken Abwehrseite der tschechischen Auswahl, konnte dem nicht widersprechen: "Besonders in der ersten Halbzeit haben wir nicht gut gespielt. Die Deutschen haben uns kämpferisch den Schneid abgekauft und sind immer wieder in die Räume gestoßen, die wir ihnen geboten haben. Nach dem 0:1 haben wir in der zweiten Halbzeit noch mal einiges versucht, aber nach dem 0:2 ist uns nur noch der Anschluss gelungen. Insgesamt waren die Deutschen heute sicher besser."

Jan Polak, der tschechische Mittelfeldspieler des 1. FC Nürnberg, war nach der Partie sehr frustriert. Daher sah er die Ursachen für die Niederlage wohl auch etwas nüchterner: "Das Spiel wurde durch eine Standardsituation entschieden. Und natürlich durch den deutschen Angriff, denn Kuranyi schoss beide Tore."

Dem konnte Jankulovski nur noch hinzufügen: "Wir wussten, dass die deutschen Stürmer gefährlich sind. Aber leider haben wir sie nicht im Griff gehabt."

Torsten Frings  (rechts) und Milan Baros  (Foto: CTK)
Dem Spielverlauf und den Chancen nach hätte die deutsche Mannschaft die Begegnung schon viel früher entscheiden bzw. auch höher gewinnen können. Das bestätigte auch DFB-Auswahlkapitän Michael Ballack: "Von den Chancen und von den Spielanteilen her hätten wir das Spiel früher entscheiden können, ganz klar. Aber andererseits kann man auch sagen: Erst haben wir sehr gut gespielt und nach dem unglücklichen Anschlusstor hat die Mannschaft dann ebenso gut gekämpft. Also, wir sind sehr zufrieden, mit dem Ergebnis und mit unserer spielerischen Leistung."

Der quirlige Philipp Lahm aber wusste, woran es lag, dass es am Ende nochmals spannend wurde: "Ja, das ist doch ganz normal, wenn man auswärts spielt, 2:0 führt und durch einen abgefälschten Schuss ein Gegentor bekommt, dass es dann eng zugeht - noch dazu in solch einem kleinen Stadion, weil der Gastgeber auf den Ausgleich drückt. Nur dann hätten wir natürlich die Konter besser ausspielen müssen."

Bernd Schneider  (rechts) und Tomas Rosicky  (Foto: CTK)
Derjenige aber, der ganz genau wusste, weshalb die Gastgeber nie zu ihrem Spiel fanden, weil seine Schützlinge einfach geschlossener auftraten, war Bundestrainer Joachim Löw: "Die Tschechen haben schon eine gute Mannschaft. Rosicky, Koller, Baros und weitere ihrer Kicker spielen ja alle in europäischen Spitzenligen. Also, ich traue der Mannschaft nach wie vor natürlich zu, dass sie sich für die EM qualifiziert. Heute aber muss man sagen, dass wir ihnen die Stärke genommen haben, und dass sie dann auch keine Mittel mehr gefunden haben, eben auch über andere Möglichkeiten zum Erfolg zu kommen. Sie hatten heute zu wenige Handlungslösungen gehabt, mit denen sie ihr Spiel hätten noch umstellen können. Aber man darf es auch so sehen: Wir haben ihnen die Stärke genommen, weil wir Spieler wie Koller, Rosicky und Baros einfach sehr gut im Griff hatten."

Nicht im Griff hatten sich dagegen einige tschechische Nationalspieler nach dem Spiel. Denn anstatt in sich zu gehen und die Niederlage nüchtern aufzuarbeiten, wurden fünf Spieler am nächsten Morgen im Mannschaftsquartier Hotel Praha bei einer Sex- und Sauforgie gesichtet. Kein gutes Omen für das nächste EM-Qualifikationsspiel gegen Zypern, das schon drei Tage später anstand. Für die deutsche Mannschaft hingegen war Prag die Reise wert. Mit dem Sieg gegen Tschechien ist sie ihrem Ziel, sich für die EM-Endrunde zu qualifizieren, ein gutes Stück näher gekommen. Aber nicht nur das, wie Oliver Bierhoff, der Manager der deutschen Fußballnationalmannschaft, betonte: "Der Sieg war sehr wichtig, denn wir wollen ja nicht nur die Fahrkarte zur EM-Endrunde ziehen, sondern wollten auch ganz klar zeigen, dass wir in unserer Gruppe die Nummer eins sind."

Das ist der deutschen Nationalmannschaft in der Tat sehr eindrucksvoll gelungen.

Autor: Lothar Martin
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