Spaß beiseite: der tschechische Humor
Humor ist eine ernste Sache - das bestätigt vielerorts nicht zuletzt der Karneval, der in diesen Tagen als fröhlichste aller Jahreszeiten seinem Höhepunkt zusteuert. Nicht der falsche Zeitpunkt also, um einmal ganz ernsthaft nach den Eigenschaften und Besonderheiten des tschechischen Humors zu fragen. Thomas Kirschner hat das für die folgende Ausgabe von Forum Gesellschaft getan.
"Ganz sicher. Der Humor jeder Nation hat seine Spezifika - der englische Humor ist trocken, der jüdische scharf beobachtend, und so hat auch der tschechische Humor seine Eigenheiten. Er ist zum Beispiel nicht so rau wie der deutsche, und er schöpft stark aus der Vergangenheit - das genau zu definieren ist aber schwer!"
Einfacher ist es da schon, zu bestimmen, was kein Humor ist. Zum Beispiel die Endlosparaden aus dicken Brillen und falschen Zähnen. Zumindest im Privatfernsehen, so scheint es, liegt das tschechische und deutsche Verständnis von Komik nicht weit auseinander:
"Der Humor, der sich im tschechischen Fernsehen findet, basiert zumeist auf unkultivierten bis vulgären Ausdrucksweisen. Das ist natürlich die schlichteste und einfachste Form von Humor. Und viele Leute lachen letztendlich darüber nicht wegen des Humors, sondern wegen der Ungehörigkeit."
Kein Wunder, dass sich da in Tschechien eine gewisse Humornostalgie breit macht, so etwa bei dem Schriftsteller und Bohemisten Milos Hoznauer:
"Wissen Sie, die schönsten Witze gab es unter dem kommunistischen Regime, zu Zeiten der Diktatur. Politische Witze gibt es heute kaum noch, das tut mir manchmal leid. Vielleicht ein kurzes Beispiel von früher: Was sind die zwei Etappen beim Aufbau des Sozialismus? Erste Etappe: Die Mühen des Wachstums. Zweite Etappe: Das Wachstum der Mühen."
Der Druck der Verhältnisse und die Absurditäten des Regimes haben oft auch für besondere Komik gesorgt. So zum Beispiel beim Erscheinen von Milan Kunderas Roman "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Das Buch wurde nicht nur im sozialistischen Prag scharf verrissen, wie es ja zu erwarten war, sondern fast gleichlautend auch von einer tschechoslowakischen Exilzeitschrift in Paris. Was war passiert? Der Roman erzählt die Geschichte des Arztes Tomas, der in Ungnade fällt und schließlich als Fensterputzer seinen Lebensunterhalt verdienen muss. Ein Schicksal, das er zu tragen weiß - zumal seine Kundschaft überwiegend aus alleinstehende Frauen in leichten Negligees besteht, die auf die auf die Reinheit der Fenster keinen allzu großen Wert legen. Ähnlich wie Kunderas Tomas hatte aber auch der Kritiker der Exilzeitschrift nach 1968 in Prag seine Stelle verloren, berichtet Milos Hoznauer:
"Als er aus seiner Prager Redaktion geworfen wurde musste er tatsächlich auch Fenster putzen: Ihm haben da aber nur alte Omas geöffnet, die ihm nicht mal einen Kaffee angeboten haben, sondern nur scharf aufgepasst, dass er auch ja nichts klaut."
Eine Leidensgeschichte, die dem Kritiker nach dem Erscheinen von Kunderas Roman natürlich niemand mehr abkaufen wollte. Fazit: Das Leben selbst sorgt oft für die komischsten Situationen.
Die kleine Nation und der Druck der großen Verhältnisse - diese Konstante der tschechischen Geschichte hat im Nationalhumor nicht zuletzt in der Figur des braven Soldaten Schwejk ihren Ausdruck gefunden. Der Schwejk ist den Tschechen aber Lust und Last zugleich, meint Milos Hoznauer:
"Die Tschechen sind auf ihren Schwejk stolz - der hat es schließlich in die Weltliteratur geschafft. Vom Schwejk wird aber nicht selten auch eine Haltung zur Gesellschaft abgeleitet, die für das Land nicht gut ist. Schwejk ist eine Figur, die ihren Platz in ihrer Zeit hat, und die man heute nicht mehr als Vorbild fürs normale Leben verwenden darf. Manchmal ist es einfach notwendig, dass man den Sachen geradeheraus die Stirn bietet, und nicht immer nur den Hintern, so wie Schwejk."
Eine andere Variante, das Machtlosigkeitsgefühl einer kleinen Nation mit Humor zu überwinden ist schließlich Jara Cimrman. Zwar ist nicht ganz klar, ob das tschechische Universalgenie jemals wirklich gelebt hat, sicher ist aber, dass alle wichtigen und die meisten unwichtigen Erfindungen und Entdeckungen der letzten hundert Jahre auf Cimrman zurückgehen - da sind sich die Cimrmanologen jedenfalls einig. Für Milos Hoznauer ist das die beste Art, seine Wunden im Humor zu heilen:
"Ich meine, das ist eine moderne Form, der Nation eine Lektion zu erteilen. Schauen Sie, wir Tschechen haben gerade mal zwei Nobelpreisträger, keine großartigen Erfinder, nichts - aber wir haben unseren erfundenen Jara Cimrman, und der ersetzt alles gleich dreimal. Wer das annimmt, der kann schwerlich Nationalist werden - das ist die Lektion von Cimrman."
Eine Lektion, die die Tschechen offenbar gelernt haben: Jara Cimrmann war vor eineinhalb Jahren zwar nur der inoffizielle, aber dafür eindeutige Sieger bei der Wahl zum größten Tschechen aller Zeiten.
"Das zeigt, dass die Tschechen wirklich Sinn für Humor haben. Und mit Blick darauf, was er alles gemacht und erfunden hat, ist er ja zweifelsfrei wirklich der größte Tscheche. Dass die Leute für Cimrman ihre Stimmen gegeben haben, das werte ich wirklich hoch."
Die Tschechen haben den Praxistest im Humor also bestanden. Und die Wissenschaftler vom Europäischen Kulturklub? Für alle, deren letztes Lachen schon eine Weile zurückliegt, holt Klubpräsident Professor Paty das Versäumte an Ort und Stelle lautstark nach. Warum auch nicht - wenn es ein Spaß ist, dann kann man schließlich auch herzlich lachen!