Norodom Sihamoni - der tschechische König aus Kambodscha
Die Tschechen haben wieder einen König - jedenfalls wenn man nach den Reaktionen urteilen darf, die vor wenigen Tagen der Staatsbesuch des kambodschanischen Monarchen Norodom Sihamoni im Land hervorgerufen hat. Die lange Reise war für den heute 53-Jährige eigentlich eine Heimkehr. Sihamoni nämlich hat seine Kindheit und Studienzeit in Prag verbracht und spricht bis heute perfekt Tschechisch. Die Tschechen waren gerührt - noch mehr aber der König selbst.
"Einmal hat abends das Telefon geklingelt und er war dran und hat gesagt: Eva, stell Dir vor: Jetzt bin ich König! Und ich habe gesagt: Mein Gott, Sihamoni, wie soll ich dich jetzt nennen? Und er hat gesagt: Na, halt Sihamoni, wie immer. Zwischen uns ändert sich nichts, nur dass ich jetzt eben König bin."
Für die Pragerin Eva Bednarova ist es ihr kleiner Bruder, der da vor zwei Jahren, im Oktober 2004, zum Herrscher von Kambodscha gewählt worden ist. 13 Jahre hat Norodom Sihamoni in Prag verbracht, seine Schul- und Studienzeit, von 1962 bis 1975 - den Großteil davon in der Familie von Eva Bednarova. Davon zeugen die alten, vergilbten Schwarz-Weiß-Fotos. Sie zeigen einen kleinen, aufgeweckten Jungen mit dunkler Hautfarbe und schwarzen Haaren:
"Hier ist er als Kind mit Freunden. Hier in Cheb, zu Besuch bei den Eltern meines Mannes. Er fuhr mit uns auch sehr gerne in die Walachei. Diese Fotos hier: Das war für ihn etwas Exotisches. Dort gab es viel Landwirtschaft: Hühner, Ziegen, Schweine, Pferde, das war etwas, was er noch nie zuvor im Leben gesehen hatte."
Nach Prag kam der kleine kambodschanische Prinz mit neun Jahren, 1962, auf Anordnung des Vaters, König Sihanuk. Das Kind sollte vor den unsicheren Verhältnissen in der Heimat geschützt werden. Die Wahl des Ortes war für König Sihanuk eine Möglichkeit, Moskau zu signalisieren, dass sich Kambodscha nicht nur am Westen orientieren wollte, sondern auch im Warschauer Pakt nach Verbündeten suchte. Zudem hatte die tschechoslowakische Regierung Entgegenkommen gezeigt und auf Wunsch des Vaters zugesichert, dem jungen begabten Prinzen eine musische Ausbildung zu ermöglichen.
Sihamoni wohnte zunächst in der kambodschanischen Botschaft in Prag. König Sihanuk legte Wert darauf, dass der sein Sohn wie ein normales Kind behandelt wird, und so besuchte Sihamoni eine gewöhnliche Prager Grundschule. Mit der Frau des Botschafters verstand sich der aufgeweckte Knabe nicht sonderlich, dafür aber hatte er bald die Direktorin der Schule ins Herz geschlossen, die Mutter von Eva Bednarova. Zuerst verbrachte er nur die Wochenenden in der tschechischen Familie.
"Daraus wurde dann später dann die ganze Woche. Von 1962 bis 1970 hat er offiziell in der Botschaft gewohnt, aber tatsächlich war er hier bei uns. Sein Zimmer war hier neben dem Balkon. Da haben wir auch zusammen gespielt. Als er noch nicht richtig Tschechisch konnte, haben wir uns eben mit Händen und Füßen verständigt, oder mit ein paar Brocken Tschechisch und Französisch - irgendwie sind wir miteinander immer zu Recht gekommen."
Auch wenn der junge Prinz vom Chauffeur zur Schule gebracht wurde, war er zwischen seinen Mitschülern und in der Gastfamilie ein fast ganz normales Kind, erzählt Eva Bednarova weiter:"Natürlich hat er auch mal Ärger gemacht, wie jedes Kind. Dann hat er auch mal was auf den Hintern bekommen. Er hat freche Antworten gegeben, wollte nicht in die Wanne gehen, und wenn er richtig auf uns böse war, sagte er: Ich bin Prinz. Ihr dürft mir nichts vorschreiben. Und wir haben dann immer gesagt. Hier bist Du in unserer Familie, hier machst Du das, was alle machen. Wenn wir zu Abend essen, dann isst Du auch. Und nicht: Das schmeckt mir nicht, ich will nicht. Das wird gegessen und Schluss!"
Nach der Grundschule besuchte Sihamoni in Prag das Konservatorium und studierte dann an der Akademie der musischen Künste Ballett. Der klein gewachsene, ernste, schlanke und elegante Tänzer brachte es bis zur Perfektion. Bereits als Elfjähriger trat er im Prager Nationaltheater in einer Nussknacker-Inszenierung auf; mit 18 erhielt er 1971 am Konservatorium den ersten Preis in der Sparte klassischer Tanz. Die glücklichen Jahre endeten 1975, als in der Heimat die Roten Khmer an die Macht kamen und mit ihrer Schreckensherrschaft begannen. Sihamoni musste nach Phnom Penh zurückkehren. Jahrelang lebte er als Geisel der Roten Khmer im Königspalast; mehrere seiner Brüder kamen in dem Terror ums Leben. Die achtziger Jahre verbrachte Sihamoni in Paris, wo er an einem Konservatorium Tanz unterrichtete. Seine tschechische Familie in Prag durfte der Prinz nicht mehr besuchen - das tschechoslowakische Regime verweigerte ihm das Visum. Stütze und Heimat in den schweren Zeiten war für Sihamoni aber die tschechische Kultur, vor allem die Musik, erinnert sich seine Prager Klavierlehrerin, die heute 78-jährige Anna Hujeckova:
"Hier habe ich einen Brief aus dem Jahr ´83, wo er schreibt: ´Vielen herzlichen Dank für die Noten der klassischen und der Volkstänze. Sie haben mir sehr beim Unterricht geholfen. Ich habe schon die Polkas ´Pepik´ und ´Sousedska´ verwendet, und den Kindern hat das sehr gefallen. Sie haben sogar mitgesungen!´ Das war also damals, in Paris."
Vor zwei Jahren wurde der Künstler zum König: Im Oktober 2004 bestimmte der Thronrat den Prinzen zum Nachfolger seines Vater Sihanuk. Das Amt ist für den scheuen, zurückhaltenden Sihamoni eine Belastung, weiß der tschechische Diplomat Jiri Sitler, der oft mit Sihamoni zusammenkommt:
"Er ist ein Künstler, der gewohnt war, kreativ zu sein. Das kann er heute nicht mehr machen. Er ist ein bisschen ein ernster und trauriger Mensch."
Der aber stets aufblüht, wenn er sich an sein geliebtes Prag erinnert, an seine Lehrer und seine tschechische Familie, zu der er bis heute Kontakt hält. Als kambodschanischer König zu einem Staatsbesuch in die Heimat seiner Kindheit zurückzukehren, das war daher ein bewegendes Erlebnis für Sihamoni, der auch 30 Jahre nach seinem Weggang aus noch ein nahezu fehlerfreies Tschechisch spricht:
"Diesen Besuch kann ich mit keiner anderen Auslandreise vergleichen - er ist für mich ein außerordentliches Ereignis. Meine Reise nach Tschechien ist für mich viel mehr als nur ein offizieller Staatsbesuch. Es ist für mich eine große Freude, hier als Vertreter meines Landes auftreten zu dürfen, aber noch größer ist die Freude für mich als Mensch, der ich in ein Land zurückkehre, das meine zweite Heimat war und immer noch ist. In ihrem Land habe ich meine Kindheit und einen großen Teil meines Lebens verbracht."
Die schönsten Jahre seien es gewesen, fügt Sihamoni dann noch an. Ein Stück davon trägt er auch in Phnom Penh immer in seinem Herzen. Als er im Frühjahr zu einem großen Fest auch tschechische Freunde eingeladen hatte, da habe er auf dem Thron sitzend plötzlich angefangen, tschechische Volkslieder und Opernarien zu singen, erinnert sich seine Klavierlehrerin Anna Hujeckova:
"Der König hat gesungen: Ach, Synku, Synku´ (Ach, mein Söhnchen...). Er hat uns umarmt und gesungen: ´Proc bychom se netesili´ (Warum sollten wir uns nicht freuen) - die ganzen Strophen bis zum Ende. Ich hatte die ganze Zeit Tränen in den Augen!"
Die Kambodschaner aber, die waren ganz erstaunt, dass ihr König auch so ganz anders sein kann als sie ihn kennen, erzählt Botschafter Jiri Sitler:
"Die kambodschanischen Teilnehmer haben uns gesagt, sie haben ihren König immer traurig gesehen und mit ernstem Gesicht. Aber an diesem Nachmittag, da hat er gesungen, geweint und gelacht."