Eine Krone für Kambodschas König – die Designerin Viktorie Beldová
In heutigen Zeiten ist es eher selten, dass man dazu kommt, eine Königskrone zu entwerfen. Genau dies aber hat Viktorie Beldová gemacht. Und zwar im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Hochschule für angewandte Kunst in Prag. Doch wie ist es dazu gekommen?
„Ich habe zwar die Krone als Thema gewählt, wusste anfangs aber nicht, für wen sie bestimmt sein soll. Zum Beispiel kam mir in den Sinn, eine Krone für Karel Schwarzenberg zu machen. Also eine ‚fürstliche‘ Krone. Die Idee entstand vor der ersten direkten Präsidentschaftswahl 2013 und damit in einer dramatischen Zeit für Tschechien. In der Stichwahl trat Schwarzenberg gegen Miloš Zeman an, gewann aber nicht. Einen Tipp bekam ich dann bei einem Gespräch mit Freunden in einem Kaffeehaus. Dort erfuhr ich, dass es einen König in Kambodscha gibt, der fließend Tschechisch spricht. Im Internet habe ich dann mehr über ihn herausgefunden. Unter anderem, dass es sich um König Norodom Sihamoni handelt, der ab seinem zwölften Lebensjahr in der Tschechoslowakei gelebt hatte und später sogar an der Prager Akademie der musischen Künste studiert hat. Ich hatte die Information, dass die königlichen Kronjuwelen Kambodschas schon seit geraumer Zeit verschwunden sind. Dies wurde für mich zum Impuls, der Sache nachzugehen“, so Beldová.
Keine Audienz beim König
Es sollte das Thema von Beldovás Diplomarbeit werden. Weil es aber nicht direkt ihrem Studienfach „Produktdesign“ entsprach, brauchte sie die Zustimmung ihrer leitenden Pädagogen. Sie bekam grünes Licht – und dann habe sich ein Karussell in Bewegung gesetzt, sagt die Künstlerin. Bis zum funkelnden Endprodukt war es ein langer Weg, zu dem auch zwei Besuche des südostasiatischen Landes gehörten. Die erste Reise nach Kambodscha unternahm Beldová mit einer Freundin, um vor Ort neue Fakten zu erwerben, aber auch Kontakte zu knüpfen. Die erhoffte Audienz beim König fand allerdings nicht statt. Beim zweiten Besuch half ihr die damalige tschechische Chargée d'affaires in Phnom Penh. Über sie lernte Beldová Chem Reti kennen, der ihr als ein Cousin des Königs vorgestellt wurde:„Für mich war wichtig, dass er Historiker war. Ich habe mich mit ihm sehr viel über meine Diplomarbeit ausgetauscht, um möglichst jeden Fehler in der Symbolik meiner Krone zu vermeiden. Der Entwurf gefiel ihm sehr gut. Eine Woche trafen wir uns fast jeden Tag zu einer Konsultation, bei der ich auch eine Reihe von allgemeinen Ratschlägen erhielt. Die Sprache kam dabei aber nicht nur auf die Geschichte und Religion des Landes. Sondern auch auf das heutige Kambodscha, das einen starken Aufschwung erlebt. Manches erinnerte mich an den wilden Kapitalismus der 1990er Jahre bei uns. Es war tatsächlich eine positive Begegnung für mich.“Nach Inspiration suchte sie sozusagen vor Ort – in Kambodschas Natur. Sie schuf eine oben vollständig geschlossene sogenannte Helmkrone. Bedeckt ist sie mit blätterförmigen Metallstücken. Obwohl Viktorie Beldová mit diesen Gestaltungselementen auch an die kambodschanische Kulturgeschichte anknüpft, handelt es sich nicht um einen archaisierenden Stil:
„Zum wesentlichen Motiv der Krone wurde für mich die Lotosblüte. Denn wenn ich an Kambodscha denke, sehe ich Felder mit Lotosblüten vor mir. Und ich wollte mich ohnehin von Pflanzenmotiven inspirieren lassen. Hinzu kommt, dass fast alle Kambodschaner Buddhisten sind. Ihre Religion ist mit dem legendären Bodhi-Baum verbunden. Auch dieses Symbol soll die Krone widerspiegeln.“Lotosblüte und Angkor Wat
Die Grundform weist auch auf die Tempelanlage Angkor Wat hin, konkret auf die konische Form des zentralen Turms. Dieses Motiv wie das des Bodhi-Baumes und der Lotosblüte gehören zu den bedeutenden Wahrzeichen der kambodschanischen Kultur. Hätte Beldovás Krone wirklich Teil der Kronjuwelen werden sollen, hätte sie Gold und Edelsteine verwenden müssen. Doch darauf musste sie verständlicherweise verzichten.
„Ich habe Messing für die Krone verwendet. Als Studentin hatte ich selbstverständlich nicht zwei Millionen Kronen zur Verfügung für die Ausführung in Gold, wie ansonsten hätte sein müssen. Und besetzt ist die Krone mit roten Steinchen aus Glas anstatt von Rubinen. In Kambodscha gibt es allerdings Minen, in denen dieser Rohedelstein gewonnen wird. Für das Land ist er so etwas wie der Nationaledelstein.“Doch nur die Inspiration durch Kambodschas Natur reichte natürlich nicht aus, um ein komplexes Schmuckstück wie eine Krone zu schaffen. Viktorie Beldová:
„Es hat mich tatsächlich viel Zeit gekostet und dies nicht nur wegen Kambodscha. Ich habe mich auch allgemein mit der Geschichte der Kronen befasst. Also: Welchem Zweck sie dienten, für wen sie bestimmt waren oder welche Typen von Kronen es gab und gibt. Beschäftigt haben mich auch Juwelen allgemein. Für die kambodschanische Geschichte habe ich in Tschechien sachkundigen Kollegen gefunden, der sich mit dem Studium Südostasiens beschäftigt. Er hat mich in Sagen sowie in Ereignisse und Wendepunkte in der Geschichte des Landes eingeweiht. Außerdem habe ich versucht, mich im gewissen Maße auch mit dem Buddhismus vertraut zu machen.“
Bei all diesen Nachforschungen ging es auch um die Textfassung der Diplomarbeit. Die schreibe man nicht nur darüber, wie etwas gemacht werde, sondern auch warum, sagt Viktorie Beldová. Mehrmals habe sie auch die Gestalt der Krone umgeändert.„An einer Diplomarbeit arbeitet man teilweise auch unter Zeitdruck. Es ist eine Nervensache. Ich musste zum Beispiel während der Herstellung einige Änderungen durchführen. Als ich sie nicht nur als 3-D-Modell auf dem Bildschirm sah, sondern auch in der Hand hielt, musste ich einen Teil entfernen und durch etwas anderes ersetzen. So entschied ich mich, aus dem Restmaterial ein paar Juwelen zu entwerfen. Das hat mir letztlich den Impuls gegeben, neben der Krone noch weitere Produkte zu fertigen.“
Ausstellung in Prag
Im königlichen Palais in Phnom Penh wird nur eine Replik der Kronjuwelen aufbewahrt, Viktorie Beldová hat davon eine Schwarz-Weiß-Aufnahme in einem Buch gesehen. Norodom Sihamoni ist aber ein gewählter König und trägt keine Krone mehr. Auch das dürfte ein Grund sein, warum der kambodschanische Hofstaat bisher kein Interesse an dem Werk der tschechischen Künstlerin gezeigt hat. Was macht sie also damit?„Gerne würde ich die Krone dem König schicken. Doch viel lieber möchte ich mit ihr nach Kambodscha fliegen und sie dort als mein persönliches Geschenk überreichen. Es scheint aber nicht, dass es jemals dazu kommen wird. Meine Ambitionen gehen allerdings auch nicht dahin, dass die Krone tatsächlich einmal Bestandteil der Kronjuwelen werden sollte. Es wäre natürlich das Maximum, aber so etwas kann ich mir nicht einmal in den wildesten Träumen vorstellen. Doch verkaufen werde ich die Krone auf keinen Fall.“
Vor kurzem waren die Krone und Schmuckstücke von Beldová in der Prager Galerie „Kvalitář“ zu sehen. Die Ausstellung war ein Vorschlag der Galeriebetreiber gewesen. Mit der Entscheidung, aus ihrer Werkstatt etwas mehr auch an die Öffentlichkeit zu treten, hatte die Künstlerin zuvor gezögert. Warum?
„Ich habe eine Zeitlang gezögert, weil ich auf die Möglichkeit gehofft habe, die Krone doch irgendwann einmal nach Kambodscha zu bringen. Für die Ausstellung habe ich mich erst in dem Moment entschieden, als ich fast aufgehört habe, mir noch Hoffnungen zu machen.“
Dank ihrer Diplomarbeit hat Viktorie Beldová das weit entfernte Land, seine Geschichte, Kultur und vieles mehr lieb gewonnen. Im März will sie erneut dort hinfliegen. Ob dies dann der dritte Versuch für ihre Krone sein soll, das wollte sie jedoch nicht verraten.