In München: Von Schmuck zur europäischen Identität

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München

Im Frühling wird in München viel diskutiert. Im Fokus der Debatten stehen dabei die Heimat, Europa und die europäische Identität. Außerdem lädt das Tschechische Zentrum zu einer Ausstellung von vier Pionieren des modernen tschechischen Schmuckdesigns. Mehr erfahren sie im folgenden Interview mit dem Leiter des Zentrums, Ondřej Černý.

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München
Herr Černý, das tschechische Zentrum lädt am Donnerstagabend zu einer Vernissage ein. Im Zentrum beginnt eine Ausstellung von vier tschechischen Schmuckkünstlern. Sie werden als Pioniere des tschechischen modernen Schmuckdesigns bezeichnet. Wer sind diese Künstler und welche Generation vertreten sie? Wann war denn die Pionierzeit des modernen tschechischen Schmucks?

Legenden des modernen tschechischen Schmuckdesigns

„Es ist die Zeit der 1960er und 1970er Jahre. Interessant ist, dass die Entwicklung des modernen tschechischen Schmuckdesigns eng verbunden ist mit dem Münchener Schmuck-Festival und mit der Reihe Schmuck der Internationalen Handwerkermesse in München. Die Künstler, die hier ihre Vernissage haben, sind bereits Legenden des tschechischen Schmucks. Sie sind auch hier gut bekannt, waren aber lange Jahre irgendwie verborgen. Erst jetzt ist es der Kuratorin Julie Bergmannová gelungen, diese vier Männer dazu zu bringen, ihre Artefakte und Schmuckstücke für diese Ausstellungen bereitzustellen. Es ist hervorragend, wie avantgardistisch und innovativ die Sachen sind, die diese Künstler in den 60er und 70er Jahren geschaffen haben. Konkret geht es um Václav Cigler (geb. 1929), Svatopluk Kasalý (geb. 1944), Jaroslav Kodejš (geb. 1938) und Josef Symon (geb. 1932).“

Aus welchem Material haben diese Schmuckdesigner ihre Schmuckstücke gemacht? Ist das unterschiedlich, oder gibt es verbindende Züge in ihrem Schaffen?

„Es ist unterschiedlich. Dennoch ist diese Welle, die in den 1960er und 1970er Jahren die Welt fasziniert hatte, eng verbunden mit Glas. Sie kombinieren meistens Eisen, Glas und andere Materialien, aber Glas ist immer dabei. Es ist faszinierend, wie zum Beispiel Svatopluk Kasalý Glas bearbeitet hat. Ich bin froh, dass wir diese Ausstellung hier machen. Denn gemeinsam kann man die Werke dieser Künstler nirgendwo sehen, nicht einmal in Prag oder sonstwo in Tschechien.“

Drinnen oder draußen? Zusammen in Europa

München  (Stefan Kühn,  CC BY-SA 3.0)
Im Frühling kommen auch mehrere Autoren nach München. Sie werden aber keine Bücher lesen, sondern eher diskutierten. Am letzten Märztag wird über das Thema gesprochen, ob Europa Heimat werden kann. Und mit den Themen Heimat, Europa und Identität beschäftigt sich am 3. April auch ein Abend im Literaturhaus in München. Ist das ein Zufall, oder gibt es einen konkreten Anlass?

„Ja, es gibt einen konkreten Anlass. Das Kulturreferat der Stadt München hat ein Programm mit dem Titel ‚Drinnen oder draußen? Zusammen in Europa‘ konzipiert. Es ist ein Versuch, München als eine stark europäische Stadt zu präsentieren. Die Stadt ist ja zentral gelegen und umgeben von vielen Nachbarländern. Die Frage soll beantwortet werden, was Nachbarschaft heute bedeutet und wie man sie lebendig und partnerschaftlich entwickeln kann. Und auch, was die neue Welle des Nationalismus bedeutet. Wir haben sogar drei Veranstaltungen in diesem Programm: Bereits stattgefunden hat eine Podiumsdiskussion zu unserer Ausstellung ‚Verlorenes Gedächtnis‘. Darin ging es um die Erinnerung in Böhmen und Bayern an die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.“

Diese Debatte ist bereits vorbei. Worauf kann man sich bei den anstehenden zwei Veranstaltungen freuen?

„Am 31. März werden vier Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Tschechischen Zentrum diskutieren, und zwar Lena Gorelik aus München, Jörg Bernig aus Dresden sowie Petra Hůlová und Magdalena Platzová aus Tschechien. Wir haben diese Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Adalbert-Stifter-Verein organisiert. Die zweite Veranstaltung ist sehr prestigeträchtig. Das Literaturhaus in München hat den deutsch-französischen Publizisten und Politologen Alfred Grosser eingeladen. Er gilt als sehr bedeutend für die deutsch-französischen Beziehungen. Und als Sparring-Partner für Alfred Grosser haben wir Jaroslav Rudiš ausgewählt, das freut uns sehr. Sie diskutieren darüber, was Heimat ist und ob es eine europäische Identität gibt?“

Weggefährten, Gegner, Nachbarn

Jiří Padevět  (Foto: Martina Schneibergová)
Diskutiert und erzählt wird im Tschechischen Zentrum auch am 4. April. Da wird die Reihe „Mein Weg zu unseren Deutschen“ fortgesetzt. Wenn haben Sie dieses Mal eingeladen?

„Wir haben, wie ich finde, den wohl passendsten Mann für dieses Thema gewählt, und zwar Jiří Padevět. Er ist Leiter des tschechischen Verlags Academia und Autor von Publikationen über das Protektorat Böhmen und Mähren. Sein Vortrag und die anschließende Diskussion haben den Titel ‚Weggefährten, Gegner, Nachbarn‘. Diese drei Wörter beschreiben sehr gut das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen in ihrer tausendjährigen gemeinsamen Geschichte. Außerdem wird Jiří Padevět in München auch seine Bücher vorstellen, unter anderem seinen ‚Reiseführer durch Prag in der Zeit des Protektorats‘ und weitere“

Wir haben viel Aufmerksamkeit dem gesprochenen Wort geschenkt. Abschließend noch eine musikalische Einladung zu einem Liederabend im Sudetendeutschen Haus in München. Die Mezzosopranistin Susanna Frank singt dort und Hedavet Jonas Djeddikar spielt Klavier. Was erklingt im Konzert?

„Zu hören sind die deutschen Lieder von tschechischen Komponisten, vor allem von Vítězslav Novák und Josef Bohuslav Foerster. Das Tschechische Zentrum ist sehr gerne dabei: Es sind zwar deutsche Solisten, aber für uns ist wichtig, dass die Kompositionen von diesen beiden großen Persönlichkeiten der tschechischen Musik wieder einmal in München erklingen.“