Fasching und Film in München
Literarische Lesungen, der Fasching in Bildern sowie ein Filmfestival. Ein Gespräch mit Ondřej Černý, dem Leiter des Tschechischen Zentrums in München.
„Es ist für uns eine große Ehre, mit Markéta Luskačová zusammenzuarbeiten. Wir stellen die Fasching-Fotos von ihr aus, und zwar in der Zeit des Münchner Faschings. Der Name der Ausstellung ‚Über den Tod, Pferde und andere Leute‘ ist eine schöne, poetische Beschreibung des Faschings. Die Fotos haben zwei Ebenen: Einerseits stellen sie die rituelle Seite des Festes dar. Andererseits werden die Menschen, dabei vor allem die Kinder hinter den Masken beleuchtet. Markéta Luskačová hat die Fotos in Roztoky und in Únětice gemacht. Das sind zwei Gemeinden in der Nähe von Prag, in denen die Faschingstradition noch immer stark präsent ist.“
Am bayerischen Faschingsdienstag, das heißt am 13. Februar, wird auch im Tschechischen Zentrum der Karneval eingeläutet. Was kann man sich konkret darunter vorstellen?„Wir wollen den tschechischen Fasching, den tschechischen „masopust“ in die bayerische Tradition eingliedern. Wir organisieren die Feier gemeinsam mit einer Organisation der Auslandstschechen in München, der sogenannten ‚Gesellschaft für Kunst und Kultur‘. Ich hoffe aber, dass auch bayerische Zuschauer kommen. Wir haben die Ethnologin Kateřina Černíčková eingeladen, die sich mit dem Fasching in Tschechien beschäftigt. Sie wird einen Vortrag über neue Faschingstraditionen in Roztoky und Únětice halten und einen Background zu den Fotografien von Markéta Luskačová bieten.“
Eine Woche später, am 20. Februar, laden sie zu einer Lesung ins Tschechische Zentrum ein. Die Schriftstellerin Viktorie Hanišová liest dabei aus ihrem Debütroman „Anežka“. Können Sie die Autorin und ihr Werk vorstellen? Den deutschsprachigen Lesern dürfte sie noch kein Begriff sein…
„Ihr Buch ist 2015 im Verlag Host erschienen. darin geht es um eine selbstbewusste, gebildete und welterfahrene Frau, die ein einziges Problem hat: Sie hat kein eigenes Kind. Sie entscheidet sich, das Roma-Mädchen Anežka bei sich aufzunehmen. Die Autorin beschreibt mit Ironie die Situation der Frau und die Stereotype, die gegenüber den Roma bestehen. Zusammen mit Viktorie Hanišová kommt Martin Krafl nach München. Er wird aus ihrem Roman lesen und eine anschließende Debatte moderieren.“Eine weitere Lesung folgt am 24. Februar im Staatstheater Nürnberg. Dabei geht es um einen in Deutschland bereits bekannten Autor, und zwar Jaroslav Rudiš. Wie würden Sie seinen Roman „Nationalstraße“ charakterisieren?
„Im Gegenteil zu ‚Anežka‘ ist ‚Nationalstraße‘ ein Roman, der bereits auf Deutsch erschienen ist. Jaroslav Rudiš ist recht populär in Deutschland, er lebt teilweise in Berlin und teilweise in Tschechien. Die ‚Nationalstraße‘ ist eigentlich der Monolog eines Rechtsextremisten. Er ist sehr gefühlsgeladen und amüsant, auch Ironie und Selbstironie sind dabei. Das Buch ist ein tragikomisches Bild eines Mannes, der versucht, hart gegenüber der ganzen Welt zu sein, im Grunde aber einen weichen Kern hat.“
Anfang März geht das Filmfest Mittel Punkt Europa in eine neue Runde, und zwar in München und in Regensburg. Bei diesem Festival werden aktuelle Filme aus Tschechien, Polen, Ungarn und der Slowakei gezeigt.„Ich kann vielleicht verraten, dass meine Tage hier in München zu Ende gehen. Wenn ich darüber nachdenke, was dieses mitteleuropäische Festival mit das Wichtiges, was ich hier in München hinterlasse. In diesem Jahr läuft der zweite Jahrgang. Diesmal müssen wir ohne die Unterstützung aus den Visegrad-Ländern auskommen, die wir für den ersten Jahrgang zur Verfügung hatten. Es ist uns aber gelungen, das Konzept des Visegrad-Festivals im bayerischen Kontext zu verankern. Wir haben starke Partner dafür gefunden, und zwar die Kulturreferate in Regensburg und in München und die bayerische Staatskanzlei, die uns finanziell hilft.“
Mit welchen Filmen trägt Tschechien zum Programm bei?
„Es werden drei Filme gezeigt. Der Streifen ‚Masaryk‘ von Julius Ševčík hat eine starken Bezug zu dem Münchner Abkommen, an dessen 80. Jahrestag in diesem Jahr erinnert wird. Weiter ein Film, der viel mit der ‚Nationalstraße‘ von Jaroslav Rudiš gemein hat: ‚Svět podle Daliborka‘, auf Englisch ‚The white world according to Daliborek‘. Vít Klusák zeigt in dieser Dokumentation einen Neonazi aus einer mährischen Kleinstadt. Er hat diesen Mann zwei Jahre lang mit der Kamera verfolgt und ein tragikomisches Porträt geschaffen. Der dritte Film ist auch eine Dokumentation, und zwar von Adéla Komrzý. Diese junge Dokumentarfilmerin stellt die Frage, ob man Jugendliche eigentlich von ihrer Kindheit an militärisch ausbilden soll. Sie befasst sich mit einem Projekt des tschechischen Verteidigungsministeriums, das die Armee bereits für Kinder attraktiv machen will.“