In München: Kinderchöre, Glaubenszeugen und Europeana
Tschechische Lyrik wird im Juni in München zu hören sein. Außerdem stehen zwei Ausstellungen zu den tschechisch-deutschen Beziehungen auf dem Programm, ein interessantes Theatergastspiel sowie ein Kinderchor-Austauschprojekt. Alles Weitere dazu im Gespräch mit dem Leiter des Tschechischen Zentrums in München, Ondřej Černý.
„Mit dem ‚Blutigen Hund‘ setzen wir in Zusammenarbeit mit dem Lyrik-Kabinett in München unsere Reihe ‚Papagei auf dem Motorrad‘ zur tschechischen Lyrik im 20. Jahrhundert fort. Dieses Mal mit einer Veranstaltung über die tschechische Underground-Poesie. Unser Gast wird der tschechische Dichter Jáchym Topol sein. Er wird nicht nur seine eigenen Verse in deutscher Übersetzung lesen, sondern auch Verse anderer Dichter der Underground-Poesie, wie etwa Ivan Martin Jirous und Egon Bondy.“
An einem weiteren Abend geht es um Vladimír Holan, einen tschechischen Dichter des 20. Jahrhunderts. Aus welchem Anlass wird an ihn erinnert?
„Vladimír Holan ist eine Persönlichkeit, die auch in Deutschland bekannt ist. Hans Magnus Enzesberger hat ihn einmal in Prag getroffen und danach gesagt, er habe noch nie einen so unromantischen Dichtertyp gesehen. Holan hat einen großen Fan unter den deutschen Bohemisten, und zwar den Slawisten Urs Heftrich, sowie in Věra Koubová eine hervorragende Übersetzerin. Diese beiden stehen hinter dem Projekt der Gesamtwerkausgabe von Vladimír Holan in 14 Bänden. Bei der Veranstaltung im Sudetendeutschen Haus am 28. Juni sollen einige Werke aus dieser Gesamtausgabe vorgestellt werden. Außerdem wird Gilead Miscory, der für seine Janáček-Interpretationen bekannt ist, Klavier spielen.“„Zeugen für Menschlichkeit“ heißt eine Ausstellung, die den christlichen sudetendeutschen Widerstand gegen Hitler dokumentiert. Sie wurde bereits in Prag gezeigt und ist ab dem 19. Juni auch in München zu sehen. Die Vernissage wird auch von einem Vortrag begleitet. Wer wird ihn halten, und zu welchem Thema wird er sprechen?
„Das Thema des Vortrags heißt ‚Lebenswege sudetendeutscher Glaubenszeugen‘, das ist auch das Thema der Ausstellung. Der Vortrag wird von Jan Stříbrný von der Tschechischen Christlichen Akademie Prag gehalten. Für uns ist die Zusammenarbeit mit der Ackermann-Gemeinde wichtig. Gemeinsam zeigen wir positive Fälle aus der Vergangenheit, in denen Menschen wirklich menschlich gehandelt haben. Es sind die Schicksale von zehn Menschen, von Priestern, Ordensfrauen und Laien, die in der Ausstellung als Beispiele dafür gezeigt werden.“
Am nachfolgenden Tag wird auch direkt im Tschechischen Zentrum eine Ausstellung eröffnet. Sie heißt „Bedeutende Tschechen. Zwischen Sprache, Nation und Staat 1800-1945“ und präsentiert 15 bekannte tschechische Persönlichkeiten jener Zeit. Welche Persönlichkeiten sind es, und was steht im Mittelpunkt der Präsentation?
„Das ist eine sehr wichtige Wanderausstellung, die nun Premiere hat, und das bei uns. Es handelt sich um eine weitere Veranstaltung, die im Rahmen unserer guten Zusammenarbeit mit dem Kulturreferenten für die böhmischen Länder im Adalbert-Stifter-Verein, Wolfgang Schwarz, zustandegekommen ist. Die Ausstellung wurde auch von der Bayerischen Staatskanzlei gefördert sowie von der privaten Stifterin Dadja Altenburg-Kohl. Es geht um 15 bekannte tschechische Persönlichkeiten, die in unterschiedlicher Weise mit der deutschen Sprache und Kultur verknüpft sind. Vorgestellt werden Tomáš Baťa, Karel Čapek, Ema Destinová, Antonín Dvořák, Jaroslav Hašek, Leoš Janáček, Josef Jungmann, František Křižík, Josef Lada, Karel Hynek Mácha, Tomáš Garrigue Masaryk, Alfons Mucha, Božena Němcová, František Palacký und Bedřich Smetana. Die Ausstellung wird in den nächsten zwei Jahren durch Bayern und Tschechien wandern. “Meine nächste Frage betrifft das Theater, eigentlich aber auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Am 29. Juni ist das bekannte Prager „Theater am Geländer“ in München zu Gast. Was wird gespielt?
„Es ist das wichtigste Theatergastspiel in München der letzten Jahre. Das ‚Theater am Geländer‘ hat das Buch ‚Europeana‘ von Patrik Ouředník in eine dramatische Form gebracht und wird diese in der Pasinger Fabrik aufführen. Die Vorstellung hat bereits großes Renommee, sie wurde bei den Wiener Festwochen und in Salzburg gespielt. Die Regie hat Jan Mikulášek. Es ist eine kurze Geschichte Europas im 20. Jahrhundert. Wie in einem einzigen großen Atemzug werden der Holocaust, die Erfindung des Büstenhalters, der Dadaismus, die Atombombe und alles Mögliche präsentiert.“Und noch ein Blick auf das Programm im Juli. „Kinder singen für München und Prag“ ist ein tschechisch-deutsches Chorprojekt. Die Konzerte finden im Juni im Prager Ständetheater und am 8. Juli eben in München statt, und zwar im Prinzregententheater. Wer ist an dem Projekt beteiligt, und was steht auf dem Programm?
„Es handelt sich um ein großes Projekt, das – genauso wie die ‚Europeana‘ – zur Veranstaltungsreihe ‚Deutsch-Tschechischer Kulturfrühling 2017‘ gehört. Es ist nur dank der Unterstützung durch den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds möglich geworden. Für das Konzert im Ständetheater in Prag kommen 130 Jugendliche und Kinder aus Bayern nach Prag. Es soll drei Tage lang geprobt werden, bevor das Konzert stattfindet. Gespielt werden die Kinderoper Brundibár von Hans Krása und Messa di Gloria von Giacomo Puccini. Und nicht einmal einen Monat später kommen die tschechischen Teilnehmer, das heißt die Mitglieder der Kinderoper Prag, nach München. Im Rahmen der Opernfestspiele im Prinzregententheater wird am 8. Juli wieder die Messa di Gloria gespielt und gesungen. Außerdem wird das Bayerische Jugendorchester Attacca die 5. Symphonie von Mendelssohn-Bartholdy spielen.“