Bayerisch-böhmisches Zusammenleben in München
Ein Interview mit dem Leiter des Tschechischen Zentrums in München, Ondřej Černý.
„In der Ausstellung geht es nicht erstrangig um die Fotos, die ausgestellt werden, sondern um das Leben, das diese Fotos zeigen. Es ist das Leben im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet. Johannes M. Haslinger und Bernhard Setzwein wollen Momente aus dem Zusammenleben in diesem Grenzgebiet näherbringen. Sie haben Menschen aus Bayern und Böhmen zusammengebracht und verschiedene Situationen fotografisch festgehalten.“
Zur Ausstellung gibt es ein reiches Begleitprogramm, das sich durch den ganzen Herbst zieht. Auf welche Veranstaltungen des Begleitprogramms lohnt sich, besonders hinzuweisen?
„Dieses Begleitprogramm ist eigentlich ein Festival der bayerisch-tschechischen kulturellen Zusammenarbeit. Ich nenne zum Beispiel ein Konzert der Funk-Band Jam4U aus Budweis und der Münchner Band Zitronen Püppies. Und Volkstanz wird wiederum bei einem Abend mit den Niederbayerischen Musikanten und dem „Konrádys“-Ensemble aus Domažlice / Taus geboten.“Am 8. November geht das Projekt zur tschechischen Lyrik des 20. Jahrhunderts zu Ende, über das wir bereits mehrere Male berichtet haben. Der letzte Abend aus der Reihe heißt „Wir leben im Zeitalter des neuen Vollmondes!“. Dabei liest der Dichter Jakub Řehák aus seinem Werk. Wer ist dieser Autor? Was charakterisiert seine Gedichte?
„Die Autorin des ganzen Projekts, Zuzana Jürgens, hat absichtlich Jakub Řehák zum abschließenden Abend der Reihe eingeladen, weil er die Zukunft der tschechischen Poesie repräsentiert. Jakub Řehák (Jahrgang 1978, Anm. d. Red.) gehört der jungen Generation tschechischer Dichter an. Er debütierte 2008 und erhielt 2012 den Magnesia-Litera-Preis für seine Gedichtsammlung Ur-Brigita. In seiner Poesie lässt er sich nicht nur von tschechischen Quellen inspirieren, sondern ist auch stark französisch geprägt. Selbst sagt er über sich, die Poesie sei für ihn zugleich Lebensart und Zugang zur Welt.“Der Abend mit Řehák im Münchner Lyrikkabinet wird vom deutschen Slawisten und Übersetzer Urs Heftrich moderiert. Der Professor von der Universität in Heidelberg ist im Sommer mit dem Preis „Premia Bohemica“ ausgezeichnet worden. Von wem wird dieser Preis verliehen und für welche Leistungen?
„Der Preis wird von der tschechischen Schriftstellergemeinde (Obec spisovatelů, Anm. d. Red.) an Übersetzer aus dem Tschechischen verliehen. Ehrlich gesagt kann man sich kaum einen besseren Preisträger vorstellen als Urs Heftrich. Er ist eine Ikone der Poesie-Übersetzungen in Deutschland. Mit seiner Partnerin Bettina Kaibach hat er Werke von etwa 50 tschechischen Lyrikern auf Deutsch zugänglich gemacht. Er ist nicht nur ein Übersetzer, sondern auch ein großer Propagator der tschechischen Poesie.“Die Landschaft des Böhmerwaldes ist Thema einer weiteren Ausstellung in München. Diese findet ab dem 19. November im Tschechischen Zentrum statt…
„Es handelt sich um eine Graphik-Ausstellung. Sie ist in Zusammenarbeit mit dem Hollar, dem Verband tschechischer Graphiker zustandegekommen. Präsentiert wird eine Auswahl von mehreren zeitgenössischen Künstlern, unter anderem Martin Velíšek, Šimon Brejcha, Patrik Hábl, Alena Antonová, Marie M. Šechtlová und Pavel Piekar.“Abschließen möchte ich das Gespräch mit der „Erinnerung an Ernst Deutsch“. Diesen Titel trägt eine Matinee am 19. November im Gasteig. Wer war Ernst Deutsch, an den nun in München erinnert wird?
„Ernst Deutsch ist eine wichtige Persönlichkeit der deutschsprachigen Schauspielkunst. Für uns ist interessant, dass er ein typischer Prager deutscher Jude war. 1890 in Prag geboren, spielte er auf den deutschsprachigen Bühnen Prags, aber auch in Wien und in Berlin und in der Nazi-Zeit auch außerhalb Deutschlands. Ernst Deutsch wird vorgestellt von Matthias Wegner. Dieser Publizist und Verlagsleiter hat mehrere Texte über die künstlerischen Leistungen von Ernst Deutsch veröffentlicht. Außerdem können wir uns auf Ausschnitte aus den Filmen ‚Der Golem‘ und ‚Der dritte Mann‘ freuen, in denen Ernst Deutsch gespielt hat.“