Fotos in Augsburg und Theater in Nürnberg

Petra Hůlová (Foto: Martina Pavloušková, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Wir laden Sie zu einem Streifzug durch Bayern ein, bei dem die tschechische Kultur im Mittelpunkt steht. Die Details kennt der Leiter des Tschechischen Zentrums in München, Jiří Rosenkranz.

Foto: Archiv des Tschechischen Zentrums München
Herr Rosenkranz, fangen wir mit einem Rückblick an. In München ging am Mittwoch die Veranstaltungsreihe „Echo Leipzig“ zu Ende. Wie erfolgreich war diese Serie von Lesungen und Literaturabenden? Welche der Veranstaltungen hat besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen?

„Diese Reihe ist, glaube ich, allerseits sehr gut angekommen und war gut besucht. Dies betrifft vor allem drei Veranstaltungen, die im Literaturhaus München stattgefunden haben: das Konzert von Jaroslav Rudiš und der Kafka-Band, die Hommage an Milan Kundera und zuletzt die Lesung von Jáchym Topol mit seinem Roman ‚Der empfindsame Mensch‘.“

Kommen wir nun zum Programm in den nächsten Tagen und Wochen. Das Tschechische Zentrum bietet Veranstaltungen nicht nur in München, sondern auch in anderen Städten Bayerns. In Augsburg wird an diesem Donnerstag eine Foto-Ausstellung eröffnet, sie heißt „Licht. Spuren. Schlüsselwerke tschechischer und slowakischer Fotografie“. Wie ist diese Auswahl der Schlüsselwerke zustande gekommen, und was konkret wird im Augsburger Glaspalast gezeigt?

„Die Ausstellung knüpft an die sehr erfolgreiche Ausstellung ‚Sudek, Funke, Drtikol…‘ an, die im vergangenen Jahr in der Regionalen Galerie in Liberec zu sehen war. ‚Licht. Spuren. Schlüsselwerke tschechischer und slowakischer Fotografie‘ bietet einen Querschnitt durch die Entwicklung der tschechischen und der slowakischen Fotografie von den 1870er Jahren bis zur Gegenwart. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Zeit der sogenannten Ersten Tschechoslowakischen Republik. Die Sammlung gehört der tschechischen Investitionsgruppe PPF. Bei der aktuell gezeigten Auswahl handelt es sich um einen Teil der Sammlung, die meisten Fotografien stammen von Josef Sudek, Jaromír Funke und František Drtikol. Diese werden ergänzt von Aufnahmen zum Beispiel von František Friedrich, Jaroslav Rössler, Běla Kolářová, Václav Chochola und Tono Stano. Viele der Werke sind überhaupt zum ersten Mal in Deutschland zu sehen.“

Vladimír Holan
Die Ausstellung findet im H2 - Zentrum für Gegenwartskunst bis 7. Juli statt. Ebenso in Augsburg steht am 14. Juni auch ein literarischer Abend bevor. Wem ist der Abend mit dem Titel „Prager Poesie und ihre Inspiration durch Musik" gewidmet?

„Der Lyrik-Abend in Augsburg ist dem tschechischen Dichter Vladimír Holan gewidmet. Holan ist bei den deutschen Lesern vielleicht nicht so sehr bekannt, in Tschechien genießt er aber fast den Status eines Kultautors. Beim Schreiben ließ sich Holan unter anderem von der Musik von Mozart und Janáček inspirieren, und eben diesen Aspekt in seinem Schaffen will der Abend in Augsburg würdigen. Die Übersetzer Věra Koubová und Urs Heftrich werden aus unterschiedlichen Texten Holans lesen, und das Ganze wird musikalisch begleitet von Gilead Mishory am Klavier. Wir sind bei diesem Abend der Mitveranstalter neben der Deutsch-Tschechischen Gesellschaft Augsburg und Schwaben.“

„Eine kurze Geschichte der Bewegung“ heißt eine Theatervorstellung, die in von März bis Juli im Staatstheater Nürnberg aufgeführt wird. Sie basiert auf einem Text der tschechischen Gegenwartsautorin Petra Hůlová, und die Vorstellung entstand in Koproduktion mit den Städtischen Bühnen Prag und dem Schauspiel Stuttgart. Wovon handelt das Stück?

Petra Hůlová  (Foto: Martina Pavloušková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„In ihrem neuesten Text ‚Eine kurze Geschichte der Bewegung‘ wirft Petra Hůlová, die tschechische Erfolgsautorin, einen ebenso satirisch überspitzten wie kontroversen Blick auf die Sexismus-Debatte unserer Tage. Sie führt den Extremismus fast ad absurdum und beschäftigt sich zugleich mit der ewigen Frage, welche Mittel der Zweck einer besseren und gerechten Welt heiligen kann. Um es einfacher zu formulieren: In einer nicht weit entfernten Zukunft hat eine feministische Bewegung ein gesamtgesellschaftliches Umerziehungsprogramm ins Leben gerufen. Die Vertreterinnen der Bewegung bemühen sich auch mit etwas Gewalt, die Männer so zu erziehen, dass sie Frauen nicht nur als Sexualobjekte betrachten. Außerdem sollen die Männer bei diesem Umerziehungsprogramm lernen, wie sie sich auch für ältere Frauen begeistern können.“

Foto: Verlag Vitalis
Zum Schluss noch ein Programmtipp in München. Am 5. Juni laden Sie zu einer Lesung und Filmprojektion ins Tschechische Zentrum. Mit dabei ist die deutsche Schriftstellerin Herma Kennel. Sie liest aus ihrem Roman „Die Welt im Frühling verlassen“, den sie 2008 verfasst hat. Wovon erzählt der Roman? Wurde er auch verfilmt?

„Ja, in diesem Tatsachenroman geht es um eine tschechische Widerstandsgruppe gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Im Mittelpunkt steht die 21-jährige Božena, die als Angestellte im Arbeitsamt Tišnov bei Brünn Arbeitsbücher für die Mitglieder der Gruppe fälscht, sich aber in einen der Widerstandskämpfer verliebt und letztlich in Mauthausen hingerichtet wird. Es handelt sich um eine sehr bewegende Geschichte über Zivilcourage, Liebe und Verrat. Der Film, den wir zeigen, ist eigentlich keine Verfilmung dieses Romans, sondern ein kurzer Dokumentarfilm über dessen Entstehung. Der Streifen liefert einige interessante Hintergrundinformationen, vor allem zur Person Boženas. Der Abend am 5. Juni ist eine Veranstaltung des Kulturreferenten für die böhmischen Länder in Kooperation mit uns, dem Tschechischen Zentrum, und der Heimatpflegerin der Sudetendeutschen. Damit soll eigentlich an die Errichtung des ‚Protektorats Böhmen und Mähren‘ vor 80 Jahren erinnert werden.“