München: Plakate, Gedichte und literarische Spaziergänge

Das Tschechische Zentrum München bietet bis Juli ein umfangreiches Programm. Musik, Gedichte und Literaturlesungen sind an mehreren Orten Bayerns zu hören, politische Plakatkunst ist dann direkt in der Landeshauptstadt zu sehen. Einzelheiten dazu im Gespräch mit dem Leiter des Tschechischen Zentrums München, Ondřej Černý.

Petr Vokřál  (Foto: OISV,  CC BY-SA 4.0)
Herr Černý, können Sie einleitend zu der Veranstaltung einladen, die im Tschechischen Zentrum an diesem Freitag stattfindet? Wir haben über den Abend unter dem Motto „Eine Stadt stellt sich ihrer Geschichte“ bereits ausführlich gesprochen. Es geht um Brno / Brünn. Daher nur zur Erinnerung noch einmal: Wer wird am Gespräch teilnehmen, und worum handelt es sich?

„Typisch für die Geschichte von Brünn ist das Zusammenleben von Kulturen, wobei die Deutschen natürlich immer dabei waren. Die Stadt hatte das vorige Jahr als das ‚Jahr der Versöhnung‘ deklariert. Wir werden darüber mit Oberbürgermeister Petr Vokřál sprechen. Hinzufügen muss man noch, dass Herr Vokřál am Freitagnachmittag den Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreis für seine herausragenden Bemühungen um die deutsch-tschechische Verständigung bekommt. Der Preis wird von der Seliger-Gemeinde, einer Gesinnungsgemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten, verliehen.“

„Wir stellen politische Plakate aus der Ära des Zusammenbruchs der kommunistischen Regimes aus."

Im Tschechischen Zentrum ist derzeit politische Plakatkunst aus Tschechien, Polen, der Slowakei und Ungarn zu sehen. Am Mittwoch wurde dort eine Ausstellung mit dem Namen „Visegrád Karma“ eröffnet. Was zeigt sie genau, aus welcher Zeit stammen die ausgestellten Plakate?

„Wir stellen politische Plakate aus der Ära des Zusammenbruchs der kommunistischen Regimes aus. Die Ausstellung wurde anlässlich des Vorsitzes der Tschechischen Republik in der Visegrád-Gruppe erstellt, der Vorsitz dauert bis Ende Juni 2016. Für uns ist die Ausstellung sehr wichtig, weil auch alle vier Generalkonsuln bei der Vernissage waren.“

Haben die Plakate aus den vier Ländern gemeinsame Züge, oder wurde der Umbruch in den jeweiligen Ländern unterschiedlich reflektiert?

„Es ist fast erstaunlich, wie integrierend die künstlerische Wahrnehmung dieser Umbruchzeit aussieht. Die Plakate sind durch mitteleuropäische Ironie und Humor verknüpft. Man kann aus ihnen Kreativität und große Freude darüber ablesen, dass endlich eine freie künstlerische Aussage möglich wurde.“

Abtei Schweiklberg  (Foto: Hansueli Krapf,  CC BY-SA 3.0)
Tschechien ist traditionell ein Gastland bei den Musikfestspielen Europäische Wochen Passau. In diesem Jahr wird am 24. Juni in der Abtei Schweiklberg auch ein Literatur-Abend angeboten. Was erklingt an dem Abend?

„Es ist ein Format, das musikalische Lesung benannt ist. Der Abend heißt ‚Radar der Sommernächte‘ und ist Reiner Kunze gewidmet. Rainer Kunze ist ein deutscher Übersetzer aus dem Tschechischen, ein Mann, der sich um die tschechische Poesie in Deutschland verdient gemacht hat. Seine Stiftung feiert nun ihr zehnjähriges Jubiläum. Die Auswahl der Gedichte wurde von Reiner Kunze getroffen, sie enthält eine ganze Reihe tschechischer Dichter: František Halas, Jaroslav Seifert, Oldřich Mikulášek, Jan Skácel, Vladimír Holan und Miroslav Holub. Alle Gedichte werden auf Tschechisch und auf Deutsch gelesen. Ich werde die Gedichte auf Tschechisch, und Peter Baumgart, der Intendant der Festspiele, auf Deutsch vortragen. Dies alles wird der US-amerikanische Pianist und Organist Alexander Frey musikalisch umrahmen.“

Ende Juni wird an drei Abenden und an drei Orten Bayerns, nämlich in Nürnberg, im Kloster Speinshart und in München, der „Literarische Reiseführer Böhmisches Bäderdreieck“ präsentiert. Die Autoren Roswitha Schieb und Václav Petrbok werden dieses neue Buch vorstellen und daraus lesen. Was bietet dieser Reiseführer?

„Dieser Reiseführer stellt die westböhmischen Bäder vor, die zu allen Zeiten ein internationaler Anziehungspunkte für Schriftsteller und andere Persönlichkeiten aus Kultur und Politik waren. Vorgestellt werden Spaziergänge durch die berühmten Kurorte auf den Spuren von Autoren wie Goethe und Kafka, aber auch von weniger bekannten Namen wie Marie von Ebner-Eschenbach und Louis Fürnberg. Und wichtige Autoren der tschechischen Literatur werden zitiert, wie Božena Němcová, Jan Neruda und Karel Čapek.“

Wir haben die Ausstellung „Visegrád Karma“ erwähnt. Das ist aber nicht der einzige Programmpunkt, an dem sich die vier Visegrad-Staaten gemeinsam beteiligen. Am 7. Juli steht die sogenannte „Lange Nacht der Konsulate“ bevor. Was ist dabei zu erwarten?

„Die ‚Lange Nacht der Konsulate‘ wurde voriges Jahr vom bayerischen Staat, ins Leben gerufen."

„Die ‚Lange Nacht der Konsulate‘ ist eine Veranstaltung, die voriges Jahr vom bayerischen Staat, konkret von der Staatsministerin Beate Merk, ins Leben gerufen wurde. Damals waren es 30 verschiedene Staaten, die ihr Land in München vorgestellt haben. Wir haben uns geeinigt, dass es schön wäre, wenn wir das als Visegrád-Gruppe zusammen machen. Wir wollen touristische Anziehungspunkte mit Filmen vorstellen, aber auch kulinarische Spezialitäten anbieten und natürlich ganz einfach mit den Menschen sprechen. Es ist eine Bemühung von unserer Seite, die Tschechische Republik in München im Rahmen der Visegrád-Gruppe zu präsentieren. Diesen Weg wollen wir auch in der Zukunft weitergehen. Im Herbst werden wir ein neues Filmfestival hier gründen, und zwar das Mitteleuropa Filmfest.

Roman „Nationalstraße“  (Foto: Labyrint Verlag)
Im Muffatcafé in München liest am 12. Juli der Schriftsteller Jaroslav Rudiš aus seinem neuesten Roman „Nationalstraße“. Rudiš ist ein Autor, der in Tschechien und Deutschland lebt und in beiden Sprachen schreibt. Wie würden Sie dieses Werk charakterisieren?

„Es handelt sich um einen Roman, in dem Rudiš in den Kopf eines Verlierers, eines Mannes schlüpft, der am 17. November 1989 ein Held der Revolution war. Heute ist er ein Schläger, der sich durch Tage und Nächte prügelt und im Fußballstadion die Hand zum Hitlergruß hebt. Es ist wirklich ein eindringlich aktueller Roman, basierend auf einer realen Figur.“

Abschließend möchte ich noch eine Veranstaltung in der KZ-Gedenkstätte Dachau erwähnen. Dort werden am 18. Juli Gedichte des tschechischen Autors Josef Čapek gelesen und auch musikalisch umrahmt. Um welche Gedichte handelt es sich? Wer wird sich an diesem Abend beteiligen?

Josef Čapek
„Es handelt sich um die Gedichte von Josef Čapek aus dem KZ. Es steht nun eine neue, eigentlich die erste deutsche Übersetzung dieser Gedichte zur Verfügung. Wir haben dieses Buch voriges Jahr in München vorgestellt, und ich muss ehrlich sagen, dass es ein starkes Erlebnis war, obwohl die Gedichte sehr düster sind. Wir sind sehr froh, dass die KZ-Gedenkstätte Dachau sich dessen angenommen hat, das Buch auch in Dachau vorzustellen. Diesmal werden die Gedichte direkt vom Übersetzer, Professor Urs Heftrich, gelesen. Urs Heftrich ist auch allgemein wichtig für die tschechische Literatur ist. Er ist an der Universität in Heidelberg beschäftigt. Und Urs Heftrich ist auch schauspielerisch sehr begabt. Man kann auf einen wirklich erlebnisreichen Abend gespannt sein.“