Endlich Vorfahrt für Zebras

Als unsere deutsch-amerikanischen Freunde sich vor etwa zehn Jahren beim traditionellen Karnevalsumzug im Prager Stadtteil Zizkov als Zebrastreifen und Fußgänger verkleideten, ernteten sie nur verständnislose Blicke. So sehr sie sich bemühten, dem überwiegend jungen Publikum pantomimisch zu vermitteln, was man als Fußgänger an einem Prager Fußgängerübergang erlebt - niemand begriff die Aussage ihrer Sketche.

Zebrastreifen in Prag - unnötig lange ein trauriges, häufig sogar tragisches Kapitel. Die Fußgänger warteten brav, bis auch der letzte Autofahrer ihnen den Vortritt genommen hatte und huschten dann ängstlich über die Straße. Für die allermeisten Autofahrer waren Zebrastreifen kein Anlass, ihr völlig überhöhtes Tempo zu drücken oder gar anzuhalten. Und so kam es ausgerechnet an den einzigen für die Fußgänger vorgesehenen Inseln im gnadenlos von Autos dominierten Straßenverkehr viel zu häufig zu tödlichen Unfällen. Im Frühjahr vergangenen Jahres behauptete ein tschechischer Abgeordneter allen Ernstes, daran seien vielfach die Fußgänger schuld, weil sie sich zu zögerlich verhielten am Zebrastreifen.

Doch plötzlich scheint mit einem Schlag alles anders zu sein: Fast panisch bremsende Autos, peinlich darauf bedacht, möglichst schon Meter weit vor dem Zebrastreifen anzuhalten und den Fußgängern den Vortritt zu lassen - eine Szene, die ich in den letzten Tagen gleich mehrfach erlebt habe. Der Grund für den jähen Wandel dürfte allerdings weniger späte Einsicht als vielmehr eine ganz nüchterne Kalkulation sein: Denn wer Fußgängern am Zebrastreifen den Vortritt nimmt, der muss sich seit dem 1. Juli auf vier Punkte gefasst machen. Ein Hoch auf den Punkteführerschein - und eine neue Chance für alle Zebras beim Zizkover Karneval?