Führerscheine und Geldstrafen: Revolutionäre Straßenverkehrsordnung in ČSR vor 90 Jahren eingeführt

Führerschein aus den 1930er Jahren

Die Tschechoslowakei war in der Zwischenkriegszeit ein Autoland. Nicht nur dass es fortschrittliche Hersteller gab, auch der Verkehr nahm vor allem in den Städten immer mehr zu. Doch zunächst fehlten noch allgemein gültige Regeln. Erst die Straßenverkehrsordnung vom 21. September 1931 änderte dies.

Jindřich Komárek | Foto: ČT24

So wurde erstmals schriftlich fixiert, wer ein Kraftfahrzeug führen durfte. Dabei wurde das Alter von 18 Jahren festgelegt und eine Prüfung angeordnet. Bis dahin hatte noch jeweils eine Fachkommission nach eigenem Ermessen entschieden. Dazu Jindřich Komárek von der tschechischen Polizeiakademie:

„Zuvor war das Alter nicht festgelegt, stattdessen wurde nach gesundem Menschenverstand geurteilt. Das heißt, ob der Bewerber die Verkehrsregeln kannte und mit dem jeweiligen Auto umgehen konnte. Den Wagen musste er im Übrigen auch vorführen.“

Mit der Straßenverkehrsordnung von 1931 wurde das Pariser Abkommen über Kraftfahrzeugverkehr von 1926 umgesetzt. Und in diesem hatten sich die beteiligten Staaten auch auf die Ausstattung von Kraftwagen geeinigt. Dabei ist manches heute nicht mehr vorstellbar. So konnten die Fahrer anstatt einem Blinker auch einen Abbiegepfeil aus dem Fenster halten, einen sogenannten Winker. Neu vorgeschrieben waren zum Beispiel ein Rückspiegel und bei vorhandener Frontscheibe auch Scheibenwischer…

Bus auf der Karlsbrücke 1931 | Foto: Bulletin Walter,  Vol. 1932,  No. 7,  Staatliches Regionales Archiv in Prag,  Wikimedia Commons,  public domain

„Die Autos mussten nun zudem Scheinwerfer mit weißem Licht vorne und rote Rückleuchten haben. Die Änderungen waren umfangreich und betrafen auch die Frage, auf welcher Seite gefahren wird. Innerhalb Europas entschloss man sich für den Rechtsverkehr. Damit wurde in der Tschechoslowakei aber erst kurz nach der Besetzung durch Hitler Mitte März 1939 begonnen“, schildert Verkehrsexperte Komárek.

Im restlichen Europa geschah die Umstellung auf Rechtsverkehr spätestens bis 1927. Nur in den drei Kernländern der ehemaligen Habsburger Monarchie wurde noch links gefahren. Diese änderten die Seite erst, nachdem sie von Deutschland besetzt wurden. Dabei hatte die Regierung in Prag bereits 1931 versprochen, diese Umstellung vorzunehmen. Sie wurde aber erst für den Mai 1939 beschlossen, wobei Hitler dem noch einige Wochen zuvorkam.

Aber zurück zur damals revolutionären Straßenverkehrsordnung. Diese schrieb zudem die landesweite Einführung von Verkehrszeichen und auch Ampeln fest. Interessant ist dabei eine Rundfunkreportage von 1936 – denn sie belegt, dass zusätzlich zu den Ampeln auch Verkehrspolizisten weiter ihren Dienst versahen. So schilderte der Reporter die Situation an einer Kreuzung in Prag:

Illustrationsfoto: Bohumil Jirout,  Wikimedia Commons,  public domain

„In der Mitte ist das Podest des Schutzpolizisten für den Verkehr mit drei rot-weißen Streifen und über ihm eine Licht-Ampel. Gerade sind einige Fahrzeuge inmitten der Kreuzung stehen geblieben. Die Abbiegepfeile blinken links, aber sie warten noch. Und da ist es schon Gelb…“

Von Bedeutung war des Weiteren das Bußgeldsystem, das mit dem neuen Gesetz zu gelten begann. Jindřich Komárek:

„Bei den Bußgeldern gab es gewisse Ermessensspielräume. Dazu muss man sagen, dass die Fahrer damals deutlich disziplinierter waren als heute. Die Verkehrspolizisten begannen nun aber, Verstöße gegen die Verkehrsordnung zu ahnden. Deswegen stieg das Interesse an den Regeln, und Kurse in Verkehrssicherheit wurden sehr populär.“

Die Bußgelder durften jedoch nicht höher liegen als 50 tschechoslowakische Kronen. Das war damals der durchschnittliche Tagesverdienst eines qualifizierten Industriearbeiters. Die Verkehrssünder konnten die Strafe entweder vor Ort begleichen oder erst auf dem zuständigen Amt. Überraschend ist vielleicht, dass im Gesetz ausdrücklich stand, das Amt dürfe den Kraftfahrer nicht zur Zahlung des Bußgeldes nötigen.

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