Gesund in Europa - 1
Wir verlassen jetzt Paris und kommen nach Prag. Hier belastet ein weit alltäglicheres Phänomen die Gesundheit der Einwohner, wobei es in der Regel keine große Rolle spielt, in welchem Gebäude sie leben oder arbeiten. Die Rede ist vom Autoverkehr, dessen Dichte - wenigstens abseits der Touristenpfade - immer weiter zunimmt und der Stadt bereits einen Spitzenplatz in der Statistik beschert hat. Lothar Martin berichtet:
"Nun, es besteht sogar die Gefahr, dass die Touristen nicht mehr in Scharen nach Prag kommen werden - in eine Stadt, die voller Autos ist. Es leiden nicht nur die Prager, sondern auch die zahlreichen Kulturdenkmäler, die hier in tausend Jahren entstanden sind. Die Belastung durch den Autoverkehr wird wirklich sehr unterschätzt."
Das finden vor allem die Prager selbst, die sich Tag für Tag mit erhöhten Emissionen und nervtötenden Lärmpegeln herumschlagen müssen. Zum Beispiel an der berühmt-berüchtigten Magistrale, einer mitten durch das Zentrum verlaufenden Hauptverkehrsader.
"Hier herrscht auf jeden Fall ein großer Lärm und ein ebenso großes Durcheinander, vor allem jetzt in der Rush-hour. Es sind wirklich zu viele Autos, und gefährlich ist es auch", sagt ein junger Student, der an der Ampel wartet. Er studiere zwar in der Innenstadt, wohne aber lieber am Stadtrand. "In der Innenstadt möchte ich auf keinen Fall wohnen, schon wegen des Gestanks und Lärms."Umweltschützer Patrik weiß auch sofort, weshalb Emissionen, Feinstaub und Lärm unserem Wohlbefinden abträglich sind:
"Größere Probleme werden in Großstädten wie Prag vor allem durch die Stickstoffoxid-Emissionen hervorgerufen, die durch die Auspuffgase der Fahrzeuge in die Umwelt geblasen werden. Sie sind nicht selten Auslöser von Lungenreizungen und Atembeschwerden. Beim Feinstaub, so wurde festgestellt, können schon kleinere Mengen krebserregend sein. Und was den nicht enden wollenden Lärm betrifft, so wird anhand von Studien festgestellt, dass bis zur Hälfte der Einwohner von Städten in der Größenordnung Prags dauerhafte Schäden durch die Lärmintensität davonträgt."Neben den ständigen Auto-, Bus- und Straßenbahngeräuschen hört man in Prag quasi im Minutentakt auch die Sirenen von Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen sowie des Unfalldienstes.
"Das stört mich selbstverständlich. Und es wird immer schlimmer", sagt eine Prager Mutter, während eine junge Gymnasiastin meint:
"Ich bin schon daran gewöhnt."Das ist sie in der Tat, denn die Generation der zur Wendezeit Geborenen ist mit diesem Lärm bereits aufgewachsen. Das bestätigt auch Miroslav Patrik:
"Nach den Angaben, die uns zur Verfügung stehen, und auch nach dem Eindruck, den man als Prager über die Jahre hinweg bekommt, ist es ganz offensichtlich, dass die Anzahl der Autos seit dem Jahr 1990 enorm gestiegen ist. Die Verkehrsdichte ist sehr hoch. Und Prag hat auch einen Spitzenplatz, was die Anzahl der Autos pro Kopf der Bevölkerung betrifft."
Und zwar den dritten im Vergleich aller europäischen Großstädte. Denn zurzeit sind in der Moldaumetropole rund 800.000 Fahrzeuge registriert, was bedeutet, dass auf jeden Prager im produktiven Alter zwei Autos entfallen. Fürwahr kein Ruhmesblatt, mit dem sich die Stadtväter da zu schmücken haben. Gerade sie stehen auch am meisten in der Kritik, haben sie es doch bisher versäumt, mit einer Parkgebührenordnung á la London den Verkehr der Innenstadt zu minimieren oder mit einem stärkeren Engagement für einen Prager Autobahnring den Transitverkehr von Prag fernzuhalten. Wenn das nicht bald gelingen sollte, wird die "Goldene Stadt" bald in ihrem eigenen Mief verblassen.