Lippen im Dialog

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Frühlingsbeginn und Frühlingsgefühle. Alte und Junge, Männer und Frauen, bekannte und fremde Kulturen kennen, hegen, pflegen, und lieben ihn: Den Kuss. Mancher küsst weniger, ein anderer mehr, der eine länger, der dritte besser und so weiter - doch wie kann so ein einfaches menschliches Ritual eine solch große gesellschaftliche Bedeutung erlangen, fragten Miriam Goetz und Svenja Mettlach die Kussexperten.

"Usta v pozici dvou orbicularis oris muscules ve stadiu kontrakce" so sagt es der Mediziner Dr. Petr Weiss. Zu Deutsch: "Zwei anatomisch dicht beieinander positionierte Mundmuskeln in umhüllender Kontraktion." Uns allen ist diese medizinisch technische Beschreibung wohl eher in dieser Form des Kusses geläufig. Küssen - eine der ältesten Formen zwischenmenschlicher Verständigung. Der Kuss gehört nach Auffassung vieler Experten zu den Anfängen der menschlichen Entwicklungsgeschichte und beeinflusst unsere Traditionen.

In Tschechien gibt es zum Beispiel eine Art Kussbrauch zum 1. Mai. Am Abend versammeln sich im Prager Petrin Park die Liebespaare am Denkmal von Karel Hynek Macha, dem sogenannten "Poeten der Liebe". Man legt Blumen nieder, hält eine Weile inne - und dann beginnt schnell das Turteln und Küssen unter den blühenden Kirschbäumen des Parks. Aber ab wann beginnt man denn überhaupt mit dem Küssen in Tschechien?

"Das Durchschnittsalter des ersten Kusses in Tschechien liegt bei 15,2 Jahren, sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Wobei in der jüngeren Generation das Durchschnittsalter etwas niedriger und in der älteren Generation etwas höher ausfällt.", erklärt Dr. Petr Weiss.

"Don`t talk just kiss", heißt es so schön. Über die Entstehung des Kusses herrscht jedoch Uneinigkeit. Einige vertreten die These, dass der Kuss schon ein von unseren vormenschlichen Ahnen aus der Kinderaufzucht abgeleitetes Verhaltensmuster ist, nämlich der noch heute bei Tieren zu beobachtenden Mund-zu-Mund-Fütterung. Die Kulturwissenschaftlerin Dr. Ingelore Ebberfeld glaubt an den sexuellen Ursprung des Kusses. Wir werden zum Kuss durch die angeborene Berührungs- und Schnüffellust getrieben, sagt sie. Von der Vergangenheit des Kusses in seine Gegenwart und damit zur wichtigen Frage der Bedeutung des Kusses. Stimmt es, dass sich die distanzierten Skandinavier mit dem öffentlichen Küssen schwerer tun als die südeuropäischen Meister im öffentlichen Lippendialog?

"Man kann nicht sagen, dass eine Nation kussfreudiger ist als die andere. Wenn es zum Beispiel um so etwas traditionelles wie den Bruderkuss geht, der nichts mit Erotik zu tun hat, dann kann man höchstens sagen: Sitte und Gepflogenheit setzen fest, welche Art von Küssen wir in der Öffentlichkeit oder in der Intimsphäre pflegen."

So die Expertin auf dem Kussgebiet Dr. Ingelore Ebberfeld. Ob "kuss", "bacio", oder auf tschechisch "hubicka" - ein Kuss ist international. Interessant ist allerdings, dass nur die Hälfte der Menschen wirklich gerne küsst. Somit ist die Lust zum Küssen nicht jedem in die Wiege gelegt worden. In diesem Sinne: Einen dicken Schmatzer!