Priorität: Lebensqualität - Tschechische Grüne stellen Wahlprogramm vor

Parteichef Martin Bursik

Noch bis vor anderthalb Wochen schien es, dass die Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus im Juni keine großen Überraschungen bringen werden. Alles deutete darauf hin, dass weitgehend dieselben Parteien wie bislang in der unteren Parlamentskammer vertreten sein werden: die Sozialdemokraten (CSSD), ihr christdemokratischer Koalitionspartner (KDU-CSL), die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) und die Kommunisten (KSCM). Lediglich die liberale Freiheitsunion (US-DEU) wird sich vermutlich aus dem Parlament verabschieden müssen. Für eine mittlere Sensation sorgten daher die jüngsten Wahlprognosen, die den Grünen zwischen fünfeinhalb und acht Prozent der Wählerstimmen voraussagten. Womit die Grünen inhaltlich die tschechische politische Szene bereichern wollen - dazu ein Beitrag von Silja Schultheis.

Parteichef Martin Bursik
Mehr Lebensqualität - so lautet das zentrale Motto des grünen Wahlprogramms, auf das sich die stärkste außerparlamentarische Partei am Freitag in Prag einigte. Ansprechen wollen die Grünen damit bei weitem nicht nur ihre ökologisch orientierte Stammwählerschaft, erklärte Parteichef Martin Bursik im Gespräch mit Radio Prag:

"Wir wollen natürlich auch denjenigen Wählern eine Alternative bieten, für die Umweltschutz nicht das dominante Thema ist. Wir wollen auf eine Reihe von Dingen aufmerksam machen, die in Tschechien noch nicht so funktionieren wie in anderen Ländern. Ein wichtiger Bereich wird für uns beispielsweise der Verbraucherschutz sein, der hier außerordentlich vernachlässigt wird."

Neben dem Verbraucherschutz wollen sich die Grünen unter anderem für eine gesetzliche Regulierung der Prostitution, für Verbesserungen im Schulwesen und gegen Studiengebühren, für die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften und für ein Rauchverbot in Gaststätten einsetzen. Doch fast mehr noch als an neuen Themen ist der Partei von Martin Bursik daran gelegen, einen grundlegend anderen Politikstil salonfähig zu machen:

"Wir wollen uns prinzipiell nicht in eine Politik hineinziehen lassen, wo man zu Vertretern anderer Parteien sagt: 'Sie lügen' statt 'Sie irren sich', wo Schimpfworte inflationär gebraucht werden und der politische Partner zum Gegner wird. Das führt dazu, dass der Raum für sachliche Diskussionen enger wird - für Diskussionen über konkrete Themen, die die Bürger betreffen. Und es führt auch von dem Bemühen weg, sich eine Konzeption für die künftige Entwicklung unseres Landes zu überlegen."

Die künftige tschechische Regierung jedenfalls, so pfeifen es momentan in Tschechien die Spatzen von den Dächern, könnte durchaus grün gefärbt sein. Sowohl die derzeit regierenden Sozialdemokraten als auch die größte Oppositionspartei ODS, haben bereits ihre Bereitschaft geäußert, mit den Grünen über eine mögliche Koalition zu verhandeln.