Politologe Schuster: „Grünen-Streit ist Konflikt zwischen Elite und Basis“

Grünenvorsitzender Martin Bursík, Mitte (Foto: ČTK)

Die Partei der tschechischen Grünen steht derzeit vor einer Zerreißprobe. Wir haben bereits am Mittwoch darüber berichtet. Auf dem Parteitag in Teplice wird es am Samstag zu einer Kampfkandidatur um den Parteivorsitz kommen. Dana Kuchtová fordert den jetzigen Vorsitzenden Martin Bursík heraus. Der vertritt die Partei auch als Vizepremier und Umweltminister in der Regierungskoalition und hat im Falle einer Niederlage den Rücktritt von seinen Ämtern angedroht. Patrick Gschwend hat den Politikwissenschaftler Robert Schuster über den Konflikt bei den Grünen befragt.

Grünenvorsitzender Martin Bursík,  Mitte  (Foto: ČTK)
In der Partei der Grünen sind zur Zeit Flügelkämpfe zu beobachten. Schon vor einigen Jahren, bevor der Vorsitzende Martin Bursík die Partei einte, waren die Grünen in zwei Lager gespalten. Erleben wir gerade eine Neuauflage dieses alten Richtungsstreits?

„Eigentlich nicht, denn damals gab es eine viel größere Polarisierung in der Partei. Der eine Flügel war ökologisch-alternativ und fast linksradikal. Die Mehrheit der Partei wurde damals aber von diesem Flügel nicht repräsentiert. Sie stand für das übrige politische Spektrum bis hin zu Positionen, die leicht rechts von der Mitte anzusiedeln sind. Heute geht es eher darum, wie sich die Grünen positionieren sollen. Ob die Partei sich in der Mitte verankern soll, oder ob sie sich ausschließlich auf eine Zusammenarbeit mit den rechtsliberalen Bürgerdemokraten fixieren soll. Viele in der Partei sind der Meinung, dass man eine gleiche Distanz zu den Sozialdemokraten und den bürgerlichen Kräften wahren sollte. Dies ist die Gruppe um Dana Kuchtová. Darin liegt die Grundsubstanz des jetzigen Konflikts."

Wo steht in dieser Konstellation der Parteivorsitzende Martin Bursík?

„Bursík kam ja in die Partei und wurde schon ein halbes Jahr später deren Vorsitzender. Er hat ein für die Grünen relativ zentralistisches System aufgebaut, in dem er an der Spitze das Sagen hat. Dana Kuchtová hingegen war schon früher in diversen ökologischen Bürgerbewegungen aktiv und ist deshalb in der Parteibasis stark verankert. Darum geht es auch in dem jetzigen Konflikt: Parteielite gegen Parteibasis.“

Wie stehen denn die Chancen, dass Dana Kuchtová die Wahl um den Parteivorsitz gewinnt?

„Dana Kuchtová ist sicherlich die ‚Kandidatin der Herzen’, diejenige, die am stärksten das grüne Profil verkörpert. Es wird aber wahrscheinlich nicht nur mit den Herzen, sondern auch mit den Köpfen entschieden werden. Und der Verstand sagt, dass die Grünen zur Zeit die einzigartige Chance haben, sich in der Regierung zu bewähren und dort auch etwas durchzusetzen.“

Martin Bursík hat die Befürchtung geäußert, dass der Flügel um Kuchtová nicht in der Lage sein könnte, die Regierungsarbeit zu meistern. Ist diese Befürchtung denn berechtigt?

„In erster Linie ist diese Äußerung von Bursík sicherlich ein Druckmittel vor dem Parteitag. In zweiter Linie darf man aber nicht vergessen, dass die Grünen eine kleine Partei sind, die dazu noch relativ jung ist. Das heißt die Personaldecke ist sehr dünn. Sollten Bursík und seine Anhänger in der Parteiführung tatsächlich zurücktreten, wäre diese Lücke nicht zu schließen. In dieser Hinsicht sind sowohl der Flügel um Kuchtová als auch der um Bursík gleich schlecht aufgestellt. Es gibt keine Alternativen im zweiten oder dritten Glied, sondern vielleicht nur im vierten oder fünften, aber das reicht nicht.“