Neuer Streit zwischen Präsident und Premier, sowie eine erste Bilanz über 100 Tage David Rath

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Die jüngsten Meinungsverschiedenheiten zwischen Präsident Vaclav Klaus und Premier Jiri Paroubek, sowie die ersten hundert Tage des streitbaren David Rath als Gesundheitsminister waren die wichtigsten Themen der abgelaufenen Woche aus der Sicht der heimischen Zeitungen. In die tschechische Medienlandschaft blicken für Sie diesmal Silja Schultheis und Robert Schuster.

Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
Liebe Hörerinnen und Hörer, es gibt wohl in der gegenwärtigen tschechischen Politik kein Verhältnis, das konfliktgeladener wäre, als das Verhältnis zwischen den beiden höchsten politischen Vertretern des Landes, Präsident Vaclav Klaus und Premierminister Jiri Paroubek.

Obwohl beide noch zu Jahresbeginn auf einem Treffen offiziell bekannt gaben, dass sie künftig in der Öffentlichkeit nicht mehr die Klingen kreuzen wollen, ist es seither in mindestens zwei Fällen wieder zu einen politischen Konflikt zwischen Paroubek und Klaus gekommen. So fühlte sich der Präsident etwa vor gut einem Monat übergangen, als er erst während eines Arbeitsbesuchs des ungarischen Staatsoberhaupts in Tschechien erfuhr, dass Premier Paroubek Anfang Januar einen Brief an die Vertreter der ungarischen Minderheit verschickte, in dem er sein Bedauern äußerte, dass nach 1945 auch die Nazi-Gegner unter ihnen verfolgt wurden.

Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Das jüngste Kapitel in ihrem Streit eröffneten Staatspräsident und Regierungschef im Zusammenhang mit dem Gesetz über die eingetragenen Partnerschaften von gleichgeschlechtlichen Paaren. Nachdem diese Norm vom Abgeordnetenhaus und Senat gebilligt wurde, musste noch Präsident Klaus seine Unterschrift unter den Gesetzestext setzen. Doch Klaus legte dagegen in der vergangenen Woche sein Veto, womit nun die Abgeordneten noch einmal - diesmal jedoch mit einer qualifizierteren Mehrheit - entscheiden müssen.

Im Vorfeld dieser Abstimmung rief Paroubek Klaus öffentlich auf, das Gesetz zu unterzeichnen. Der Präsident wiederum reagierte mit einem offenen Brief, in dem er sich gegen die angeblichen Versuche des Regierungschefs verwahrte ihn wegen seiner Haltung zu diesem Gesetzesentwurf in den Wahlkampf hineinzuziehen. Einige Kommentatoren fragten sich deshalb in diesem Zusammenhang, ob das starke Engagement des Premiers in dieser Sache auch dann gegeben wäre, wenn eben nicht in knapp vier Monaten wichtige Wahlen bevorstehen würden. In diese Richtung geht etwa der Kommentar von Ondrej Neff, der in der Tageszeitung Lidove noviny erschienen ist:

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"Der pathetische Aufruf Paroubeks an den Präsidenten ist ein fester Bestandteil des Wahlkampfs. Die forsche Reaktion Klaus´ war in diesem Sinne unnötig, da bei diesem Gesetz fast alle versuchen ihr Süppchen zu kochen. Das "Nein" des Präsidenten hat nichts mit den Wahlen zu tun. Klaus ist eben wieder einmal mit Lust aus der Reihe getreten und zwar ganz unabhängig von den Wahlen. Jetzt wird er die Fähigkeit des Abgeordnetenhauses testen die notwendige Unterstützung von 101 Abgeordneten zusammen zu trommeln, damit das Gesetz doch noch gelten kann. Sollte das Gesetz jetzt scheitern, wird es nach den Wahlen sicherlich einen neuen Anlauf geben. Auch wenn das Gleichstellungsgesetz wohl nicht zu den Hauptthemen des Wahlkampfs gehören wird, werden die Parteien gezwungen sein Farbe zu bekennen - einschließlich der Klaus-Partei ODS, die sich bislang in dieser Frage auffällig zurückhielt."

Eine ähnliche Sichtweise legt auch der Kommentator der linksorientierten Zeitung Pravo, Pavel Verner, an den Tag. Seiner Meinung zu Folge könnte vor allem Regierungschef Paroubek einen Nutzen aus der Debatte um dieses Gesetz ziehen:

"Auf dem Kriegsfeld der tschechischen Politik steht eine wichtige Schlacht bevor. Nach dem gegenseitigen Abtasten wollen nun die Generäle Klaus und Paroubek offen gegeneinander kämpfen. Dabei geht es um eine anscheinend so unwichtige Beute, wie das Gesetz über gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Die Autoren dieser Vorlage können aber trotz des jüngsten Vetos des Präsidenten zufrieden sein: Immerhin scheint das Gesetz so einen Stellenwert zu haben, dass es nun zwei tschechische Spitzenpolitiker zum Anlass nehmen ihre Kräfte messen. Sollte es Paroubek gelingen im Abgeordnetenhaus eine Koalition zu schmieden, die das Veto des Präsidenten überstimmen würde, wäre ihm gerade in diesen Vorwahlzeiten der Zuspruch sicher. Es wäre aber auch ein wichtiger Test, über wie viel Autorität der Premier in der eigenen Fraktion verfügt."

Auch beim folgenden Thema, dem wir uns nun widmen wollen, kamen sich Präsident und Premierminister in der Vergangenheit in die Quere. Als sich Regierungschef Paroubek im Herbst vergangenen Jahres entschloss den damaligen Chef der Tschechischen Ärztekammer David Rath zum neuen Gesundheitsminister zu ernennen, stellte sich Präsident Klaus zunächst dagegen. Rath wollte nämlich ursprünglich neben dem Ministeramt auch seinen Posten in der Kammer ausüben. Während der Regierungschef darin kein Problem sah und Rath in seinem Vorhaben unterstützte, sah der Präsident darin einem klaren Interessenkonflikt. Erst als dann Rath nach einigen Tagen einlenkte, erhielt er von Klaus die Ernennungsurkunde.

David Rath  (Foto: CTK)
Nun sind seit der Ernennung des streitbaren Gesundheitsministers, der sich in den vergangenen Wochen wohl mit jedem angelegt hat, genau hundert Tage vergangen. In dieser Zeit ließ er über die Allgemeine Krankenkasse die Zwangsverwaltung verhängen, oder legte sich etwa mit den Vertriebsfirmen an, die den stark verschuldeten Krankenhäusern die Medikamente liefern. Ansonsten hätte der Minister keinen Ansatz für eine grundlegende Genesung des seit Jahren kränkelnden Gesundheitswesen erkennen lassen. Das ist zumindest das Urteil der tschechischen Kommentatoren über Raths Wirken, wie auch von Martin Zverina, dessen Meinungsartikel in der Tageszeitung Lidove noviny erschienen ist:

"Minister Rath hat während der ersten hundert Tage wirklich keine Zeit vergeudet. Er wollte die defizitäre Allgemeine Gesundheitskasse sanieren, hat aber lediglich erreicht, dass die Regierung zusätzliche 2,5 Milliarden Kronen zur Verfügung gestellt hat - das hatte auch schon die Vorgängerin Raths im Visier. Das Gesundheitsressort zu stabilisieren, wie auch die unzufriedenen Ärzte zu beruhigen, ist ihm jedoch nicht gelungen. Stattdessen lässt er keine Gelegenheit aus, um seine Kritiker zu verunglimpfen. So bezeichnete er sie unlängst als Blutsauger. Gemessen an der üblichen Rüpelhaftigkeit des Ministers ist das nichts. Vielleicht wird aber dieser Ausspruch bei denjenigen Ärzten greifen, die ursprünglich nicht an der großen Protestkundgebung, die für nächste Woche geplant ist, teilnehmen wollten. Sollte es dann in Prag zu einem regelrechten Aufmarsch dieser Blutsauger kommen, wird das wohl auch Premier Paroubek zu denken geben."

Auch in anderen tschechischen Medien tauchten in den vergangenen Tagen Meldungen auf, wonach auch Regierungschef Paroubek, der seinem Gesundheitsminister bislang stets in Schutz nahm, wegen Rath immer stärker auch im Rahmen seiner Partei unter Druck gerät. So stellte Paroubek dem Minister erst kürzlich zwei seiner Stellvertreter beratend zur Seite. Petr Kambersky nahm dies in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny zum Anlass an die beiden Vizepremiers einen Wunsch zu äußern. Aus dem Kommentar von Petr Kambersky wollen wir Ihnen noch gegen Ende dieser Sendung einige Passagen zitieren:

"Es geschah, was viele Kenner der Materie vorher gesehen haben: Der Bullterrier dessen Aufgabe es war - Zitat - Ordnung zu schaffen - beißt wild um sich. Der entsetzte Eigentümer sucht also auf die Schnelle eine Kette, um ihn wenigstens ein bisschen unter Kontrolle zu bekommen. In aller Stille setzte der Regierungschef dem Minister Aufpasser in der Gestalt seiner beiden Vizepremiers vor die Nase, denn der Minister schaffte es fast alle, die irgendetwas mit dem Gesundheitswesen zu tun haben gegen sich aufzubringen. Allmählich gefährdet diese Abwehrfront gegen Rath auch den Erfolg der Sozialdemokraten bei den bevorstehenden Wahlen. Warum hat aber Rath so viele Gegner? Weil er nicht das Gespräch mit den Betroffenen sucht, sondern mittels Verordnungen, oder Zwangsverwaltungen regiert. Es bleibt zu wünschen, dass die beiden stellvertretenden Regierungschefs, die die Tätigkeit Raths kontrollieren sollen, Zeit finden um dem Minister mitzuteilen: Sie sind kein Zar in weiß, sondern ein demokratischer Politiker, Herr Kollege."