Bretter, die die Welt bedeuten: Schifahren in Tschechien
Weiße Weihnachten. Aus irgendeinem Grund scheinen sich alle danach zu sehnen. Sonst sprechen die Wetterberichte gerne von "Niederschlägen", wenn Regen oder Schnee erwartet wird, und in weiterer Folge von Fahrbahnglätte, Matsch und Sichtbehinderungen. Kurz vor dem 24. Dezember aber ist meist alles anders: Nun ist plötzlich von der "Hoffnung auf weiße Weihnachten" die Rede, und zwar so ehrfürchtig, als müsste man diesen Begriff eigentlich mit zwei großen W schreiben. Wer aber hofft eigentlich? Zunächst mal wahrscheinlich die Kinder, die ihre schulfreien Tage gerne mit Schlittenfahren und Schneeballschlachten verbringen. Weiter hoffen wohl all diejenigen, für die der Schnee zur Weihnachtsatmosphäre einfach dazugehört. Nach dem Motto: Eine kleine Dosis Postkartenidylle zum Jahresende hat noch nie geschadet. Vor allem aber hoffen die Schiläufer auf weiße Weihnachten - und natürlich die, die im Windschatten dieses Sports ihr Geld verdienen. Wie ist es eigentlich um das Schilaufen in Tschechien bestellt? Welche Traditionen gibt es hierzulande im Zusammenhang mit den beiden Brettern, die für manche die Welt bedeuten? Gerald Schubert hat sich mit einem Experten über dieses Thema unterhalten.
Wintersport bis zur letzten Minute also? Pistenspaß an jedem Wochenende, wann immer es nur geht? Wir haben Petr Socha, den Chefredakteur der Fachzeitschrift "Snow" gefragt, was es mit der Schibegeisterung der Tschechinnen und Tschechen auf sich hat:
"Die Tschechen sind eine richtige Schifahrernation. Vielleicht sind sie überhaupt die leidenschaftlichste Schifahrernation unter allen nicht alpinen Ländern. Diese Tradition ist hier sehr tief verwurzelt. Viele Leute können wohl auch deshalb Schi fahren, weil es in der kommunistischen Zeit einen verpflichtenden Schikurs gab, und zwar insgesamt zwei Wochen während der Grundschule. Viele haben dabei auch eine gewisse Beziehung zu den Bergen entwickelt. Und diese Tradition setzt sich bis heute fort. Man schätzt, dass in Tschechien ungefähr eine Million Menschen aktiven Schisport betreiben und auf diese Weise mindestens eine Woche im Jahr in den Bergen verbringen."
Dabei ist aber nicht nur der alpine Schilauf weit verbreitet, sondern auch das Langlaufen, sagt Socha:
"Die Bedingungen zum Langlaufen sind in Tschechien sehr günstig. Die meisten unserer Berge sind für diesen Sport gut geeignet, weil sie nicht so schroff und so hoch sind wie die Alpen. Sie können hier über die Bergkämme laufen, von Hütte zu Hütte, und Sie finden auch die entsprechenden Verpflegungseinrichtungen. Immer wieder können Sie sich gemütlich aufwärmen und nach einer Weile wieder weiterfahren. Das ist eine Form des Wintertourismus, die heutzutage immer beliebter wird."
Immer beliebter werden gleichzeitig aber auch Reisen ins ausländische Hochgebirge.
"Schi-Reisen in die Alpen sind hierzulande sehr weit verbreitet. Hunderttausende fahren jedes Jahr ins Ausland zum Schilaufen. Also das ist nicht nur eine kleine Gruppe, sondern es handelt sich um einen wirklich starken Trend. In Tschechien gibt es eine ganze Menge Reisebüros mit einer breiten Palette von Angeboten. Begonnen bei eher spartanischen Reisen, wo die Leute selber kochen, mit dem Autobus fahren und in eher bescheidenen Unterkünften wohnen, bis hin zu den teuersten Flugreisen. Auch für letztere gibt es reges Interesse. Die Investitionen in den aktiven Schisport steigen also immer weiter an und haben bereits eine beachtliche Höhe erreicht. Gemessen an der Größe des tschechischen Marktes und der allgemeinen Wirtschaftskraft spielt der Schisport hier eine sehr große Rolle."
Doch zurück nach Tschechien. Wer auf seinen Schiern nicht über Bergkämme gleiten sondern lieber talwärts brausen will, dem eröffnet sich auch hierzulande bereits eine Vielzahl von Möglichkeiten:
"Die besten Bedingungen für den alpinen Schisport bietet das Riesengebirge. Das liegt sowohl an der Landschaft als auch an der Geschichte dieses Gebiets. Es gibt dort die größten und bedeutendsten Wintersportzentren der Tschechischen Republik. Am bekanntesten ist wohl Spindleruv Mlyn, wo man sich diese Woche übrigens zum ersten Mal in der tschechischen Geschichte auf die Austragung eines Weltcuprennens in einer alpinen Disziplin vorbereitet hat. Man sieht also, auf welch hohem Niveau sich die Qualität der tschechischen Berge diesbezüglich schon befindet. Es fließen immer mehr Investitionen in die Infrastruktur, und das nicht nur im Riesengebirge. Heute können Sie eigentlich jedes beliebige Wintersportzentrum in Tschechien besuchen, ohne dass Sie Angst haben müssen, dort ungenügende Bedingungen vorzufinden. Ich möchte jetzt nicht eines nach dem anderen aufzählen, aber ich glaube, dass jedes Schizentrum seine eigene, einzigartige Atmosphäre hat. Man muss sich also gar nicht auf die teuersten und luxuriösesten beschränken. Gute Bedingungen findet man unter anderem auch im Böhmerwald, im Erzgebirge, im Altvatergebirge oder in den Beskiden. Überall dort gibt es Wintersportzentren, wo man gut Schi fahren kann."Die Berge, auf Tschechisch hory: Vor allem viele jüngere Tschechen werden von ihnen fast magisch angezogen. Entsprechende Utensilien wie Schiausrüstung, wetterfeste Kleidung, Schlafsäcke, Kletterutensilien, Zelte oder Feldgeschirr lassen sich gut verkaufen. Kaum ein Geschäftsviertel und kaum ein Kaufhaus ohne gut sortierten Outdoor-Shop. Ein tschechisches Phänomen ist das aber nur zum Teil, meint Petr Socha, Chefredakteur der Zeitschrift "Snow":
"Ich glaube, dass der aktive, sportliche Freizeittrend in der ganzen Welt an Bedeutung zunimmt. Vielleicht sind aber viele dieser Aktivitäten in Tschechien auch deshalb interessant, weil sie nicht immer teuer sein müssen. Außerdem gibt es gewisse gesellschaftliche Traditionen, die hiesige Pfadfinderbewegung etwa, oder andere Formen des Aufenthalts in der freien Natur."
Der Spitzensport in Tschechien spiegelt den Breitensport im Wesentlichen gut wieder: Der Erfolg von alpinen Schiläufern hält sich in recht bescheidenen Grenzen, dafür sind die Tschechen in den nordischen Disziplinen oft eine Größe für sich. So zählt etwa Katerina Neumannova seit Jahren zur weltweiten Langlaufelite, und Skispringer Jakub Janda fliegt in dieser Saison der Konkurrenz auf und davon. Erfolgsgarantie gibt es aber auch hier keine, meint Socha:"Ich glaube, dass hinter all dem lange, harte und konzeptionell durchdachte Arbeit steht. Das gilt wohl nicht nur hier in Tschechien, sondern überall auf der Welt. Die Spitzensportler brauchen entsprechende Bedingungen, ein gutes Know-how, einen guten Trainer, ein gutes Team. Vielleicht muss in Tschechien der Wille zum Erfolg aber besonders groß sein, denn in vielen Bereichen ist das Umfeld mit dem im Ausland überhaupt nicht vergleichbar. Vor allem im alpinen Schilauf, wo die Trainingsbedingungen natürlich viel schlechter sind als in den Alpen. Hier braucht es Enthusiasmus und Begeisterung der einzelnen Sportler, die keine besonders große Unterstützung durch irgendwelche Strukturen haben. Es gibt zwar einen Schiverband, aber der hat ein recht eingeschränktes Budget. Das heißt, die meisten der erfolgreichen Leute müssen einige persönliche Opfer bringen und können sich nicht wirklich auf vorhandene Strukturen, Funktionäre usw. stützen. Das heißt: Persönlicher Einsatz und Arbeit sind hier unbedingte Voraussetzungen."
Doch kommen wir zum Abschluss noch einmal zurück zum Freizeitsport: Neben Langläufern und Schifahrern gibt ja es noch eine dritte Kategorie von Sportlern, die auf Brettern über den Schnee gleiten: Die Snowboarder. Petr Socha, Chefredakteur der Fachzeitschrift "Snow":
"Snowboarden ist in Tschechien genauso wie in anderen Ländern auf dem Vormarsch. Einen besonderen Schub für die Popularität dieses Sports hat es jetzt zusätzlich durch den Film Snowboardaci gegeben. Heute nimmt Snowboarden bereits eine ähnliche Stellung ein wie das Schifahren. Die beiden Gruppen, also Schifahrer und Snowboarder, haben in der Regel auch keine Probleme mehr miteinander. Sie teilen dieselben Hänge, und oft teilen sie auch dieselbe jugendliche Philosophie."